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Brandenburg: Abheben verboten

Tegel als Flughafen offenhalten, weil der BER in Schönefeld zu klein ist? Ein Plädoyer des früheren Regierenden Bürgermeisters Diepgen provoziert Widerspruch

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Potsdam - Der Tegel-Vorstoß von Eberhard Diepgen provoziert Widerspruch. „Das ist nicht realistisch“, sagt Senatssprecher Richard Meng am Sonntag als Reaktion auf die Forderung des einstigen Regierenden Bürgermeisters. Der hatte im Interview mit dieser Zeitung dafür plädiert, den Flughafen Tegel offenzuhalten, weil die Kapazitäten des neuen Flughafens BER voraussichtlich schon bei dessen Eröffnung nicht mehr ausreichen werden. „Es gibt planungsrechtliche Vorgaben und keine Mehrheit für einen Flugverkehr in der Stadt“, entgegnet der Senatssprecher. Zwar sei es richtig, dass das – noch von Diepgens Regierung abgesegnete – Flughafenkonzept den „Geist der 1990er-Jahre“ atme, aber die Planung habe Diepgens Nachfolger Wowereit 2001 so vorgefunden. „Wir können die Uhr nicht zurückdrehen“, sagt Meng, Diepgens Idee sei „keine ernst zu nehmende Option“.

Die rot-rote Landesregierung in Potsdam verwahrt sich gegen den Vorwurf des Alt-Regierenden, dass Brandenburg nötige Erweiterungen des neuen Flughafens in Schönefeld blockiere. Damit hatte Diepgen im dieser Zeitung begründet, dass Tegel offen bleiben sollte. „Brandenburg behindert weder die Fertigstellung noch den Erfolg des BER“, sagte Flughafenstaatssekretär Rainer Bretschneider, Vize-Aufsichtsratschef des Flughafens. „Wenn da etwas nicht weiterhilft, dann ist es der Griff in die Mottenkiste.“ Auch aus Sicht Brandenburgs ist ein Offenhalten von Tegel weder möglich noch nötig, wie Finanzminister Chrstian Görke (Linke), ebenfalls Aufsichtsrat, deutlich machte. Die Forderung sei „absurd und fernab jeglicher Realität.“ Das eigentliche Problem bleibe die Brandschutzanlage. „Wenn die nicht funktionstüchtig ist, ist jeder Ruf nach Kapazitätserweiterung fehl am Platz“, sagte Görke. „Dann wird der BER schlicht und einfach nie eröffnungsfähig werden.“

Er erinnerte daran, dass Diepgen zu denen gehört habe, „die seinerzeit mit einer falschen Standortentscheidung bewusst die heutigen Probleme in Kauf genommen haben“.

Verkehrspolitiker der rot-schwarzen Koalition in Berlin weisen darauf hin, dass man gegenüber den Anwohnern Tegels in der Pflicht stehe und diese bei einer Offenhaltung des Flughafens zudem Anspruch auf Lärmschutz nach heutigen Maßstäben hätten – „politisch gibt es keinen anderen Weg, als Tegel zu schließen“, sagt SPD-Abgeordnetenhausmitglied Ole Kreins. Sein Kollege Oliver Friederici sagt, dass er privat durchaus Sympathien für einen Weiterbetrieb Tegels hätte. Aber die Landesregierung habe sich unter Diepgen nun einmal zu einem zentralen Berliner Flughafen entschlossen. „Das ist schade, aber alternativlos.“

Flughafenchef Hartmut Mehdorn wiederholt die zuvor auch von ihm erhobene Forderung nach einer Offenhaltung Tegels inzwischen nicht mehr. Der Planfeststellungsbeschluss, höchstrichterlich bestätigt, sieht die Konzentration des Linien-Flugverkehrs auf den neuen Airport vor. Und es gibt zudem bestandskräftige Schließungsbeschlüsse des Berliner Senates. Allerdings hatte ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes eine Hintertür. Und es wäre juristisch möglich, Tegel als Regierungsflughafen zu behalten. Bislang ist die Flugbereitschaft der Bundeswehr dort stationiert, die nach Schönefeld umziehen soll. Die Pläne kollidieren mit dem Vorhaben Mehdorns, die Kapazitätsengpässe am BER zu lösen, indem das alte DDR-Terminal als zweite Abfertigungshalle dauerhaft genutzt wird.

Die Bundesregierung hat sich jüngst in einer parlamentarischen Antwort an den Bundestag festgelegt, dass es beim geplanten Standort in Schönefeld bleibt, eine dauerhafte Verlegung abgelehnt wird. Für eine Übergangszeit schließt der Bund dies aber dem Vernehmen nach nicht aus. Zumal die Bundesregierung keine Neigung hat, „Barack Obama in einer Wellblechhalle in Schönefeld zu empfangen“, wie es heißt. Sollte Tegel bleiben, auch als Regierungsflughafen, entstünden Schallschutz-Probleme.

Diepgen hatte in dem Interview nicht nur gegen Brandenburgs Landesregierung ausgeteilt, sondern kritisierte BER-Chef Mehdorn für dessen Forderung, den Flughafen zu „entpolitisieren“. „Es ist schon erstaunlich, was der Geschäftsführer sich so alles gegen seine Brötchengeber herausnimmt! Als Aufsichtsratsmitglied würde ich das als Unverschämtheit einordnen.“ Mehdorn habe auch in der Sache unrecht. „Bei den sehr unterschiedlichen Interessenlagen zwischen Berlin, Brandenburg und dem Bund muss der Regierende mit seiner Amtsautorität den Aufsichtsrat führen und die Interessen der Hauptstadt durchsetzen.“ Nach der Ankündigung von Klaus Wowereit (SPD), mit seinem Rücktritt als Regierender Bürgermeister von Berlin auch den BER-Aufsichtsratsvorsitz niederzulegen, hatte Mehdorn gefordert, dem Gremium sollten mehr Mitglieder mit „unternehmerischem Sachverstand“ und weniger Politiker angehören.

Mehdorn wiederum kritisierte, dass die Debatte um den Schallschutz am BER durch den Wahlkampf in Brandenburg angeheizt werde (siehe nebenstehenden Beitrag).

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