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Von Alexander Fröhlich, Johann Legner und Matthias Matern: Abschied auf Raten
Vattenfall will vorerst an der Lausitzer Braunkohle festhalten und bleibt doch auffällig vage
- Matthias Matern
- Alexander Fröhlich
- Johann Legner
Stand:
Stockholm/Potsdam - Die rund 12 000 Beschäftigten der brandenburgischen Braunkohleindustrie können vorerst durchatmen. Wirklich beruhigt haben dürfte sie nicht, was der neue Vorstandschef des schwedischen Energieriesen Vattenfall, Øystein Løseth, am Dienstag in Stockholm verkündet hat. Zwar versprach Løseth, dass nun doch keine brandenburgischen Kohlekraftwerke verkauft werden sollen. Ein klares Bekenntnis zur langfristigen Zukunft der Braunkohleförderung und -verstromung ließ der Norweger jedoch vermissen.
Im Gegenteil: Künftig wolle sich Vattenfall vor allem auf Energieerzeugung aus Windkraft, Kernenergie, Biomasse, Wasserkraft und Gas konzentrieren. In der neuen, von der schwedischen Regierung geforderten, ökologischeren Strategie spielt die Braunkohle also offenbar kaum noch eine Rolle. Um die CO2-Bilanz des schwedischen Staatskonzerns zu verbessern, sollen Kohlekraftwerke in Polen und Dänemark verkauft werden. Doch allein damit sind die Einsparziele kaum zu erreichen. Auf 65 Millionen Tonnen jährlich will Vattenfall den CO2-Ausstoß bis 2020 senken.
Doch rechnet man alleine die Emissionen aller mit Kohle befeuerten Kraftwerke des Konzerns in Deutschland zusammen, die bereits in Betrieb sind oder noch ans Netz gehen sollen, ergibt sich ein Überschuss von rund 25 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Trotzdem versicherte Løseth, werde Vattenfall an der geplanten Investition für die CCS-Technologie (Carbon, Capture and Storage) in Brandenburg festhalten. Dafür müsse die Bundesregierung aber noch die rechtliche Rahmenbedingungen schaffen.
Brandenburgs Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) zeigte sich „froh über die Klarstellung“, dass Vattenfall seine Lausitzer Kohlesparte nicht verkauft. „Ein Ausstieg aus der Braunkohleverstromung ist nicht absehbar“, sagte er in Potsdam. Mit der Ausrichtung auf erneuerbare Energien und der beabsichtigten Senkung des CO2-Ausstoßes liege Vattenfall auf einer Linie mit der Energiestrategie Brandenburgs, wonach klimafreundliche Energieträger Vorrang haben und Braunkohle als Brückentechnologie gilt. Damit sei auch die seit Tagen herrschende Unsicherheit in der Lausitz vom Tisch. Immerhin resultiere „ein nicht unerheblicher Teil des Gewinns“ bei Vattenfall aus der Braunkohleverstromung.
Eine größere Gefahr für die Lausitzer Braunkohle sieht Christoffers im Energiekonzept der Bundesregierung. Darin sei die künftige Rolle fossiler Brennstoffe wie Gas und Braunkohle nicht klar definiert. Tatsächlich kommt das Wort Braunkohle mit keinem Wort in dem Konzept vor. Fachleute vermuten, dass die Braunkohle als Verhandlungsmasse für verlängerte Laufzeiten für Atomkraftwerke und den Ausbau erneuerbarer Energien herhalten muss und langfristig in den Pläne des Bundes keine Rolle mehr spielen soll.
Der energiepolitische Sprecher der CDU im brandenburgischen Landtag, Steeven Bretz, dagegen kritisierte die Ausführungen Vattenfalls zur neuen Konzernstrategie als zu vage. „Die angebliche Klarstellung lässt mehr Fragen offen als sie beantwortet“, so Bretz. „Ich fordere, dass Vattenfall unmissverständlich erklärt, wie es mit der Braunkohle in Brandenburg weiter gehen soll.“ Angesichts der neuen Ziele, stelle sich die Frage, welche Rolle der Energieträger Kohle überhaupt noch für den Konzern spiele.
Die Landeschefin der Grünen, Annalena Baerbock, sprach von einem Etikettenschwindel, da Vattenfall an Atom- und Kohlekraft festhalte. „Vattenfall streicht hektisch grüne Farbe auf die klimapolitisch verrostete Konzernfassade. Mit Greenwashing allein wird man aber nicht umweltgerechter“, sagte Baerbock. Die Landesregierung müsse sich „schleunigst von der Illusion zu verabschieden“, dass die Braunkohle in Brandenburg bis zum Ende des Jahrhunderts zur Stromerzeugung beitragen könne. „Selbst Vattenfall hat erkannt, dass der Klimakiller Kohle ein Auslaufmodell ist. Daran ändert auch die teure CO2-Abscheide-Technik CCS nichts“, so Baerbock.
Unzufrieden zeigte sich Wirtschaftsexperte der Linke-Landtagsfraktion, Thomas Domres. Viele Fragen blieben offen, etwa wie Vattenfall die Kohlendioxid-Reduktion erreichen möchte und welche Auswirkungen die Reduzierung der angekündigten Investitionen habe, meinte Domres. Der Linke-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Neskovic, ohnehin gegen die Linie der Linke im Land, sprach einem Rückzugsgefechten Vattenfalls. Die verstärkte Förderung erneuerbarer Energien bedeute der mittelfristigen Ausstieg aus der Braunkohleförderung.
Der Cottbuser Landtagsabgeordnete Jens Lipsdorf beklagte, „es fehlen weitreichende und differenzierte wirtschaftspolitische Konzepte für die Lausitz“. Bereits heute müsse an nachhaltigen Lösungen für eine Lausitz ohne Braunkohleförderung gearbeitet werden. „Es wird der Tag kommen, an dem die Bagger demontiert werden. Auf diesen Tag X müssen wir vorbereitet sein“, erklärte Lipsdorf.
Dass Vattenfall zumindest vorerst an der Lausitzer Braunkohle festhalten will, sorgte im traditionsreichen Revier im Süden Brandenburg für Erleichterung. Sprembergs Bürgermeister Klaus-Peter Schulze (CDU) erinnerte daran, dass rund zwei Drittel der gut 11 000 Arbeitnehmer in der Stadt im Braunkohletagebau Welzow-Süd, im Kraftwerk Schwarze Pumpe oder in kohlenahen Unternehmen beschäftigt seien.
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