Oppositionskrise: Die CDU: Abschied von der Mitte
Die CDU-Fraktion rückt nach rechts, lässt taktisches Gespür vermissen – und treibt einen Keil in den einst starken Oppositionsblock
Stand:
Nie war die CDU-Fraktion im brandenburgischen Landtag so geschlossen wie unter Partei- und Fraktionschefin Saskia Ludwig. Heißt es jedenfalls. Andere sagen, niemand von den Abgeordneten traue sich, aus Sorge um einen aussichtsreichen Listenplatz bei der Landtagswahl in zwei Jahren aus der Deckung gegen Ludwig, die Fraktion wie Partei mit harter Hand führt. Selbst aus dem Mutterschutz heraus ließ Ludwig nur kurzzeitig die Zügel aus der Hand, intervenierte immer wieder. Und noch bevor die Unionsabgeordneten am Montag und Dienstag im havelländischen Semlin ihre Fraktionsklausur abhalten, meldete sich Ludwig mit einem Paukenschlag zurück.
Vordergründig ist Ludwigs Namensbeitrag in dem rechtspopulistischen Wochenblatt „Junge Freiheit“ zum 75. Geburtstag des Ex-Landesparteichefs und Ex-Innenministers Jörg Schönbohm ein Abrechnung mit Teilen der Brandenburger Medien. Ihnen wirft Ludwig vor, von der „SPD-Staatskanzlei“ gesteuert worden zu sein, um Schönbohm und sein konservatives Erbe zu beschädigen. Widerspruch aus der eigenen Fraktion: Fehlanzeige. SPD-Generalsekretär Klaus Ness vergleicht Ludwigs Wortwahl mit dem Jargon der rechtsextremistischen NPD. Ein schwere Vorwurf. Aber Widerspruch? Fehlanzeige!
In Ludwigs Beitrag ging es auch kaum um Schönbohms Verdienste um Brandenburg, lediglich um seinen „unerbittlichen Kampf“ gegen SED-Täter, die immer noch an der Macht seien. Eigentlich geht es Ludwig in dem Beitrag um Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel, die rein „technokratische Führung“, den „Linksruck“ und „das Lossagen von allen klassischen konservativen Werten“. Dagegen setzt Ludwig die Bibel und die „moralische Erneuerung auf Grundlage von Familie, Kirche und Heimat“. Werte also.
Aber warum dieser Aufschlag nach dem Mutterschutz für die Rückkehr auf die landespolitische Bühne in Brandenburg? Das Schweigen der CDU-Abgeordneten dazu ist symptomatisch. Inhaltlich habe niemand etwas daran ausgesetzt, heißt es aus der Fraktion. Nur am Medium, die „Junge Freiheit“, haben sich einige gestoßen. Und am Zeitpunkt. Gerade jetzt, wo die CDU glaubt, Platzeck und Rot-Rot wegen des Desasters um den BER-Flughafen vor sich hertreiben zu können.
Dabei wird selbst das von den anderen Oppositionsfraktionen FDP und Grünen als unglücklich empfunden. Erst forderte CDU-Generalsekretär und Fraktionsvize auf einer Sondersitzung des Landtags den Rücktritt Platzecks. Eine Maximalforderung, die verpuffte. Dann schob die CDU eine Blitzumfrage hinterher, wonach die Union bei knapp 25 Prozent und damit fünf Prozent über dem Wahlergebnis von 2009 steht. Und wonach die Brandenburger Platzeck verantwortlich für das Flughafendebakel machen. Das bezeichnet die Union als Bestätigung für ihren Frontalkurs mit Dauerangriffen auf die rot-rote Landesregierung. Und dann, obwohl gerade noch der BER Thema war, publiziert Ludwig ihren Gastbeitrag mit Medienschelte und Konservatismus-Debatte. Die anderen Fraktionen sprechen der CDU wegen des Dauerfeuers gegen Rot-Rot schon jedes Feingefühl für politische Taktik ab, das sei Ideologie, nur Draufhauen.
Die anderen Oppositionsfraktionen haben sich deshalb längst abgewendet – eben auch weil Ludwig für das Rechtsaußenblatt schreibt. Fischen am rechten Rand nennt Grünen-Fraktionschef Axel Vogel das. Das habe einen Keil in die Opposition getrieben.
Von dem nach der Landtagswahl 2009, als Johanna Wanka die CDU-Fraktion noch führte, starken Block der Opposition, die Rot-Rot wegen der Stasi-Skandale in den Reihen der Linken vor sich hertrieb und eine Enquetekommission zur DDR-Aufarbeitung durchsetzte, ist nicht viel übrig. Ludwig schimpft immer noch über SED-Täter und rot-rote Seilschaften an der Macht. Es sei wohl der gemeinsame Feind gewesen, der drei Fraktionen zusammengeschweißt hatte, heißt es bei der CDU. Das Konstrukt Schwarz- Gelb-Grün, eine Jamaika-Koalition in der Opposition, aber habe es nie gegeben. FDP und Grüne seien viel zu klein, nur die CDU-Fraktion sei arbeitsfähig, nur sie könne Sondersitzungen einberufen und Initiativen starten, die anderen würden sich nur draufsetzen. Und von der Basis käme Zuspruch für den groben Kurs in Sachen BER und Platzeck. Das ist jetzt ihr Thema. Besser könnte es gar nicht laufen, heißt es bei den Christdemokraten. Und als Gradmesser für ihren Erfolg machen sie aus, dass Platzeck wegen der Kritik an seiner Rolle bei dem BER-Debakel immer dünnhäutiger werde, jedes Wort ins Schwarze treffe.
Die Diagnose der anderen fällt anders aus. „Die CDU spielt machtpolitisch keine Rolle mehr. Mit ihrem Kurs zementiert sie das Verbleiben der SPD an der Macht“, sagt Vogel. Tatsächlich schließt es die SPD derzeit aus, mit einer CDU unter Ludwig nach der Wahl 2014 zu koalieren. Ludwig ficht das nicht an. Dass die Abgeordneten das schweigend hinnehmen, sei auch ein Zeichen, sagt ein Parteikollege. Viele sind 2009 neu in den Landtag gekommen, sie verhalten sich still. Und dann gibt es da noch ein Reihe von Abgeordneten, die schon unter Rot-Schwarz im Landtag waren, teils Ministerämter bekleideten. Sie stehen für einen moderaten Kurs. Ludwig rücke die CDU aber nach rechts, heißt es dort. Und Platzeck – dem bleibt die Mitte.
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