MEHRKOSTEN BEIM FLUGHAFEN BER: Die Rechnung nach zwei Stunden: 1,17 Milliarden Euro
Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit hat gestern im Bundestag die Mehrkosten für den Bau des Fluhafens BER in Schönefeld aufgelistet - und die sind heftig.
- Sabine Beikler
- Lars von Törne
- Christian Tretbar
Stand:
Berlin - Der Verkehrsausschuss des Bundestages ist Klaus Wowereit zu klein. In seiner Funktion als Vorsitzender des Aufsichtsrates der Flughafengesellschaft geht der Regierende Bürgermeister lieber in den Haushaltsausschuss. Der sei schließlich wichtiger als der Fachausschuss, sagt er, denn dort geht es ums Geld – und wohl weniger um Details des Versagens. Ein Mammutprogramm haben die Abgeordneten des Ausschusses zu absolvieren. Allerdings nicht, weil es so viel in Sachen BER zu besprechen gibt, sondern weil sie sowohl über den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM als auch über den Fiskalpakt beraten müssen. Der Flughafen ist nur ein Randaspekt.
Dennoch nehmen sich die Abgeordneten Zeit. Weit mehr als zwei Stunden wird Wowereit befragt. Schließlich wissen die Haushälter, dass der Flughafen nach der neuerlichen Eröffnungsverschiebung im Mai nicht nur für die beiden Gesellschafter Berlin und Brandenburg teurer werden kann, sondern auch für den Bund, den dritten Gesellschafter. Wowereit präsentierte dem Ausschuss, der von seiner Berliner Parteifreundin Petra Merkel geleitet wird, konkrete Zahlen, die die Mehrkosten beziffern. Demnach muss man sich auf eine Kostensteigerung von 1,17 Milliarden Euro gefasst machen. In einem elfseitigen Sachstandsbericht zum BER für den Ausschuss, den die Flughafengesellschaft verfasst hat und der den PNN vorliegt, wird diese Summe aufgeschlüsselt: 591 Millionen Euro sind nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg für Schallschutzmaßnahmen eingeplant. Hinzu kommen 276 Millionen Euro für Baukosten, 118 Millionen für das operative Geschäft und vertraglich festgeschriebene Schadenersatzansprüche, wobei Letzteres gerade mal mit fünf Millionen Euro aktuell veranschlagt wird. Außerdem werden 192 Millionen Euro für die Risikovorsorge kalkuluiert. Ob auf den Bund Mehrkosten zukommen, ließ Wowereit, der von Flughafen-Geschäftsführer Rainer Schwarz begleitet wurde, offen, aber die meisten Teilnehmer gingen danach davon aus.
Besonders auffällig war die Einmütigkeit mit der der Auftritt Wowereits von CDU- und SPD-Haushältern bewertet wurde. Johannes Kahrs (SPD) sagte, dass Wowereit „umfassend alle Fragen beantwortet“ hat. Frank Steffel, CDU-Bundestagsabgeordneter aus Berlin, sprach beinahe hymnisch über den Auftritt des Regierenden Bürgermeisters. „Klaus Wowereit hat umfänglich und kompetent alles dargelegt.“ Die Arbeit der Geschäftsführung entspreche „nicht dem, was man erwarten kann“, sagte der Brandenburger SPD-Bundestagsabgeordnete Peter Danckert. Er forderte aber auch, dass der Aufsichtsrat „selbstkritisch“ mit seiner Rolle umgehen müsse. Wowereit habe „sehr schwammig und unkonkret Auskunft gegeben“, sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Sven-Christian Kindler. Wenig euphorisch äußerte sich Jürgen Koppelin, Obmann der FDP im Haushaltsausschuss des Bundestages. „Wowereit war nicht in der Lage zu sagen, was finanziell auf uns zukommt. Ich bin erschüttert, über Wowereits Auftreten, wie er anderen die Schuld gibt“, sagte Koppelin. Er wolle Wowereit erneut einladen. Dann werden wiederum die Sozialdemokraten im Ausschuss darauf dringen, dass auch Rainer Bomba, der für das von der CSU geführte Bundesverkehrsministerium im Aufsichtsrat sitzt, ebenfalls kommt.
In dem Sachstandsbericht BER wird darauf verwiesen, dass man in Zukunft enger die Bauprozesse kontrollieren wolle. „Das projektinterne Monitoring und das Reporting gegenüber der Geschäftsführung und den Aufsichtsgremien werden auf allen Ebenen in Inhalt und Frequenz deutlich intensiviert.“ Um das zu erreichen soll es „2x wöchentlich Abstimmungs- bzw. Entscheidungsrunden auf operativer Ebene“ geben und „14-tägige Status-Berichte an die Geschäftsführung“. Außerdem werden Bedingungen aufgelistet für den Zeitplan. Eine verbindliche Terminplanung könne nur nur „mit Vorliegen einer konfliktfreien und vollständigen Planungsgrundlage gewährleistet“ werden. Die Gespräche mit allen Beteiligten soll bis Mitte Juli abgeschlossen sein.
Auch der Verkehrsausschuss des Bundestages hatte sich am Mittwoch mit dem Flughafen befasst. Dort waren Bomba und Schwarz anwesend. Teilnehmer sprachen allerdings von keinen neuen Erkenntnissen. Allerdings haben sowohl Bomba als auch Schwarz laut Teilnehmern betont, dass man bei der Frage von Entschädigungen „unternehmensfreundliche“ Vereinbarungen treffen wolle. Außerdem habe Schwarz bestätigt, dass es bei der Brandschutzanlage derzeit vor allem Probleme bei der Verkabelung und der Tragelast der Kabeltrasen gegebe.
Die Flughafengesellschaft hat indes Darstellungen zu den umstrittenen Prämienzahlungen für ihre Geschäftsführer korrigiert. Anders als am Vortag angegeben, seien die Bonuszahlungen an die Flughafengeschäftsführer Rainer Schwarz und Manfred Körtgen von 71 000 Euro nicht erst auf der Aufsichtsratssitzung im April abgesegnet worden. Diese erfolgsabhängige Vergütung für das Jahr 2010 wurde bereits Mitte 2011 genehmigt und ausgezahlt – also zeitlich noch weiter von dem geplatzten Eröffnungstermin am 3. Juni diesen Jahres entfernt. Der Aufsichtsrat habe lediglich auf der Sitzung im April den Jahresabschluss 2011 gebilligt, in dem diese Zahlungen aufgeführt sind.
Der Regierungssprecher der Potsdamer Staatskanzlei, Thomas Braune, weist darauf hin, dass seine gestern zitierte Antwort „Nein“ auf die Frage, ob über die Auszahlung der Boni für die Geschäftsführer bereits entschieden worden sei, sich auf die Boni 2011 und nicht auf die Boni 2010 bezog. Über die Boni 2011 wurde bis heute noch nicht entschieden.
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