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Preisträger. Pfarrer Benedikt Schirge (r) von der Bürgerinitiative Freie Heide nahm gestern Abend in Berlin von Bundesfinanzminister und SPD-Vize Peer Steinbrück (m) und Matthias Platzeck den Hildebrandt-Preis entgegen  mit gemischten Gefühlen.

© Davids

Von alexander Fröhlich: Ehrung mit Beigeschmack

Die Bombodrom-Gegner erhielten den Hildebrandt-Preis der Bundes-SPD – und hadern mit den Ehrern

Stand:

Berlin - Heftige Kritik musste sich gestern Abend die Bundes-SPD wegen ihres zögerlichen Vorgehens für eine zivile Nutzung des so genannten Bombodrom bei Wittstock während der Verleihung des Regine-Hildebrandt-Preis anhören. Im Berliner Willy-Brandt-Haus übergab der SPD-Vizevorsitzende und Finanzminister Peer Steinbrück den Preis an Vertreter der Bürgerinitiative „Freie Heide“ aus Brandenburg und die Aktionsgemeinschaft „Freier Himmel“ aus Mecklenburg-Vorpommern. Daneben wurde die Tschernobyl-Hilfe Stralsund geehrt. Der Preis ist mit insgesamt 20 000 Euro dotiert und wurde nun vom SPD-Bundesvorstand zum siebten Mal am Todestag der einstigen brandenburgischen Politikerin für besonderes Bürgerengagement in Ostdeutschland verliehen.

„Wir verstehen den Preis als ein Signal aus der SPD an die SPD“, erklärte „Freie Heide“-Sprecher Benedikt Schirge. Die Partei habe mit ihrem Hamburger Parteitagsbeschluss vom vergangenen Jahr die Grundlage für eine zivile Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide bei Wittstock gelegt. „Das erwarten wir auch von der SPD-Fraktion im Bundestag“, so Schirge. Dort findet sich wie berichtet trotz des klaren Parteitagsbeschlusses keine Mehrheit gegen die Pläne der Bundeswehr.

Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck hielt sich mit Kritik an der eigenen Partei zurück, im Gegensatz zu seinem Schweriner Amtskollegen Erwin Sellering: „Es kann doch nicht sein, dass wir so einen Preis verleihen und dann passiert nichts. Dieser Preis darf nicht ohne Folgen bleiben.“ Platzeck sagte, es sei unverständlich warum eine demokratische Armee Anspruch auf einen unrechtmäßig erworbenen Truppenübungsplatz erhebt.

„Freier Himmel“-Sprecherin Barbara Lange forderte, die SPD müsse bei ihrem Nein zum Bombodrom jene Zivilcourage aufbringen, für die ihre Initiative mit dem Hildebrandt-Preis ausgezeichnet wurde. Peer Steinbrück sagte, es mache ihn hellhörig, dass der Bundesrechnungshof die Verschwendung 270 Millionen Euro an Steuergeldern durch das Bombodrom kritisierte. Gegenüber Lange versprach er, den inzwischen ein Jahr alten und längst in der Presse publizierten Bericht des Rechnungshofes nun auch zu lesen.

Langes Rede sorgte für Aufsehen unter den mehreren hundert Zuhörern. Dass die Sprecherin solch deutliche Worte für die SPD in deren „Wohnzimmer“ finde, sei ein starkes Stück – oder eben Courage im Stile einer Regine Hildebrandt.

Lange kritisierte, die SPD treibe ein „doppeltes Spiel“. Nach dem Parteitag habe sie auf ein aktives Engagement der SPD gegen das Bombodrom gehofft. „Stattdessen verhinderten die Abgeordneten die Beratung des Bundesrechnungshofberichts, wollten im Petitionsausschuss ein Votum für das Bombodrom abgebeben und protestierten im Verteidigungsausschuss nicht gegen das aktualisierte Nutzungskonzept der Luftwaffe“, so Lange.

Wie berichtet, will die Luftwaffe dem neuen Konzept zufolge Übungseinsätze aus dem Ausland auf das 12 000 Hektar große Areal bei Wittstock verlagern und das Gebiet als zentralen Schießplatz der Nato in Deutschland etablieren. Seit mehr als 16 Jahren wird über die militärische Nutzung gestritten, die bislang von Gerichten untersagt wurde. Für Sommer 2009 ist mit einem Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Berlin-Brandenburg über die Revision der Bundeswehr zu rechnen. Das Verwaltungsgericht Potsdam hatte 2007 die Betriebserlaubnis für das Bombodrom kassiert. Auch die Landesregierungen von Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern sind wegen erheblicher Nachteile für die Tourismuswirtschaft gegen das Bombodrom. Erst kürzlich hatten die Ministerpräsidenten Matthias Platzeck und Erwin Sellering (beide SPD) angekündigt, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einem persönlichen Gespräch zum Verzicht auf die Bundeswehrpläne aufzufordern. Gestern forderte Platzeck das Verteidigungministerium erneut auf, auf die Nutzung des Bombodroms zu verzichten.

Bereits vor wenigen Wochen hatten die Bürgerinitiativen mit unzähligen Protestschreiben zum neuen Nutzungskonzept einen Beschluss des Petitionsausschuss verhindert, der mit den Stimmen der SPD die militärische Nutzung als „sinnvoll“ bezeichnet hätte.

Dem Umstand, dass sie den Hildebrandt-Preis annehme, seien schmerzhafte Diskussionen vorausgegangen, erklärte „Freier Himmel“-Sprecherin Barbara Lange . Diese hätten sich vor allem an der politischen Glaubwürdigwürdigkeit der SPD entzündet. Bereits im Vorfeld hatte Lange von einer Preisverleihung mit einem „bitteren Beigeschmack“ gesprochen. Statt politisch zu handeln, verstecke sich die SPD hinter dem Rücken der Gerichte.

In ihrer Dankesrede fragte Lange Parteivizechef Steinbrück süffisant: „Wen sollen wir am 27. September 2009 wählen, etwa die Richter der Verwaltungsgerichte, denen die Politik ihre Entscheidungen überlässt?“ Es brauche Politiker mit Mut und Courage, die Verantwortung für ihre Entscheidungen übernehmen – „den 15 Jahre alten Bundestagsbeschluss zu revidieren und das Bombodrom zu streichen“.

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