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Trauerstätte. Seit der Gewalttat gibt es auf dem Berliner Alexanderplatz einen Ort der Trauer und des Gedenkens.

© Robert Schlesinger/dpa

Brandenburg: Endlich ein bisschen Ruhe finden

Hauptverdächtiger im Fall Jonny K. stellt sich den Behörden. Am Tatort ist Erleichterung zu spüren

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Berlin - Im Eiscafé Lampe am Alexanderplatz hat Tina K. viel Zeit verbracht, seit ihr Bruder von sechs Schlägern in der Nähe zu Tode geprügelt wurde. Am Mahnmal genau vor der Eisdiele hängen Bilder von Jonny K., jemand hat ein paar rote und orangene Tulpen niedergelegt. Tina K. ist fast jeden Tag hier, zündet Kerzen an. „Es war eine beschissene Zeit für sie“, sagt Sebastian H., der in dem Café arbeitet. Traurig und gestresst habe Tina K. in den vergangenen Wochen gewirkt. „Aber vielleicht kann sie jetzt einen Abschluss finden“, sagt er. Jetzt, da sich als Letzter der sechs Tatverdächtigen auch Onur U. den deutschen Behörden gestellt hat.

Mehrfach hatte Onur U. nach seiner Flucht in die Türkei über Anwälte verlauten lassen, dass er nach Deutschland zurückkehren wolle. Sein langes Zögern war „im Wesentlichen geprägt von der Befürchtung, er könne als der in den Medien zum ,Mörder’ abgestempelte angebliche Haupttäter keinen fairen Prozess und keine unvoreingenommenen Richter erwarten“, teilte sein Anwalt Axel Weimann am Montag mit. Onur U. dürfte auch deshalb zurückgekehrt sein, weil Taten eines 19-Jährigen in der Türkei nicht nach Jugendstrafrecht verfolgt würden, sagte Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) am Montag. Innensenator Frank Henkel (CDU) ist sicher, dass das Einschreiten von Angela Merkel den entscheidenden Schub gegeben habe. Sie hatte den Fall Jonny K. beim türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan zur Sprache gebracht.

Dass sie allen mutmaßlichen Tätern beim Prozessauftakt am 13. Mai in die Augen sehen kann, war Tina K. immer wichtig. „Ich habe immer gehofft, dass Onur noch kommt“, sagte sie noch in der vergangenen Woche. Er sei ein Feigling, der sich vor der Verantwortung drücken wolle. Seit dem Tod ihres Bruders suchte sie den Kontakt zu den Medien, um das Schicksal ihres Bruders nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. An diesem Montag geht sie nicht an ihr Handy. Es ist alles gesagt.

Ihr Ziel hat sie erreicht. Jonny K. ist nicht vergessen. Als bekannt wird, dass nun alle Verdächtigen in Haft sind, herrscht andächtige Stille am Tatort. Kai Anders aus Kreuzberg hat sich sofort auf sein Fahrrad gesetzt, um zum Mahnmal zu fahren, nachdem er von der Festnahme gehört hatte. Er war selbst vor Jahren von Straßengewalt betroffen, musste ambulant im Krankenhaus behandelt werden. „Früher habe ich reflexhaft geholfen“, sagt er, „doch seitdem wäge ich ab. Ich halte mich nicht raus, bin aber auch kein Märtyrer.“

Eine Schulklasse aus dem sächsischen Bernstadt macht am Mahnmal Station, der Reiseführer erklärt, warum Jonny hier sterben musste. Gerade in Schulen will sich Tina K. mit Präventionsprojekten auch durch ihren Verein „I am Jonny“ engagieren. An Jonny K.s Geburtstag am Sonntag organisierte sie ein großes Benefizkonzert. Etwa 1000 Gäste kamen, sagen die Veranstalter. Durch Eintrittsgelder und Spenden dürfte so eine Summe von mehr als 30 000 Euro zusammengekommen sein. Geld, dass nun in konkrete Projekte für Musik, Schauspiel und Kunst fließen soll, wie Tina K. sagt.

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