
© dpa
Braunkohle-Politik: Energiewende: Lobby-Arbeit für den Tagebau
Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt werben für Braunkohle als Alternative zum Atomstrom
- Matthias Matern
- Alexander Fröhlich
Stand:
Potsdam/Berlin - Brandenburgs Landesregierung wirbt in der Debatte um eine Energiewende gemeinsam mit Sachsen und Sachsen-Anhalt beim Bundeskanzleramt für die langfristige Verstromung von Braunkohle. In einem gemeinsamen Positionspapier verweisen die drei Staatskanzleien auf die Bedeutung der in den drei Ländern geförderten Braunkohle. Diese wachse noch, wenn aus der Atomkraft schnell ausgestiegen werde: „Wollen wir uns nicht gleichzeitig in neue politische Abhängigkeiten begeben, ist die Nutzung des einzigen, in ausreichender Menge zur Verfügung stehenden Energieträgers – der Braunkohle – nicht nur naheliegend sondern Gebot der Stunde“, heißt es in dem Papier.
Auffällig ist, dass es um die langfristige Verstromung von Braunkohle geht. Im Koalitionsvertrag der rot-roten Landesregierung dagegen ist von einer Brückentechnologie die Rede, bis die Stromversorgung auf erneuerbare Energien umgestellt ist. Nicht erwähnt wird in dem Papier die umstrittene CCS-Technologie, die der Energiekonzern Vattenfall in Brandenburg erproben will. Vattenfall will bei der Verstromung von Lausitzer Kohle anfallendes Kohlendioxid (CO2) im Kraftwerke Jänschwalde abscheiden und in Ostbrandenburg unterirdisch speichern. Allerdings drohen die Pläne zu scheitern, sollte das CCS-Gesetz nach jetzigem Stand greifen. Derzeit versucht Brandenburg noch im Bundesrat eine Länderausstiegsklausel zu kippen, um nicht als einzige Landesregierung die Speicherpläne gegen den massiven Protest in den betroffenen Regionen durchsetzen zu müssen. Platzeck hatte bereits angekündigt, mit einem Gesetz in der vorliegenen Form werde es keine CO2-Lager in Brandenburg geben. Tatsächlich ging es der Staatskanzlei offenbar darum, im Bundeskanzleramt überhaupt auf die Braunkohle aufmerksam zu machen. In dem wegen der Atomdebatte überholten Energiekonzept der Bundesregierung vom vergangenen Jahr wurde Braunkohle mit keinem Wort erwähnt. Offenbar wittern die Staatskanzleien in Potsdam, Dresden und Magdeburg ihre Chance, im Bund Lobbyarbeit für die Braunkohle betreiben zu können.
Kritik an SPD-Buch für Manfred Stolpe
„Der Mutmacher“ – so lautet der Titel des Buches über Manfred Stolpe, Brandenburgs ersten Ministerpräsidenten nach der Wende. Pünktlich zu dessen 75. Geburtstag am vergangenen Montag erschien es, herausgegeben vom SPD-Landeschef Matthias Platzeck und dem SPD-Landtagsfraktionschef Ralf Holzschuher. Übrigens mit freundlicher Unterstützung von Vattenfall. Grüne-Fraktionschef Axel Vogel nannte dies angesichts der neuen Braunkohle-Initiative Platzecks problematisch. Auf Druck von Stolpe war 1997 für den Braunkohle-Tagebau die Abbaggerung des Lausitz-Dorfes Horno beschlossen worden. axf
Die Grünen im brandenburgischen Landtag reagierten empört. Fraktionschef Axel Vogel sagte: „Diese unglaubliche Forderung scheint völlig aus der Zeit gefallen zu sein. Matthias Platzeck, der verzweifelte Don Quijote führt seinen aussichtslosen und tragischen Kampf für die Braunkohle fort.“ Nun habe der SPD-Ministerpräsident Mitstreiter gefunden: „Sachsen und Sachsen-Anhalt geben die Rosinante und den Sancho Panza in dieser Tragödie.“ Die Braunkohle sei der größte Klimakiller. Der klimaschädliche Braunkohlestrom fülle die Netze und behinderte den Ausbau erneuerbarer Energien. Losgelöst von der CCS-Technologie halte die Landesregierung an der Braunkohleverstromung fest. Wiederholt hatte Platzeck versichert, neue Braunkohlekraftwerke im Land werde es nur geben, wenn sie mit moderner CO2-Abscheidetechnik ausgestattet seien. Jede weitere Verzögerung beim CCS-Gesetz sei ein „Rückschlag für den Klimaschutz“.
Mittlerweile scheint die brandenburgische Landesregierung jedoch zur Einsicht gelangt zu sein, die Braunkohleverstromung sei gar nicht so umweltschädlich wie gedacht – auch ohne CCS. In ihrem Positionspapier verweisen die drei ostdeutschen Braunkohleländer darauf, dass durch den europäischen Handel mit CO2-Verschmutzungsrechten der Klimaeffekt begrenzt und kontinuierlich gedrückt werde. Zudem seien die ostdeutschen Kraftwerke auf weltweitem Spitzenniveau und besonders effektiv.
Im Land Brandenburg betreibt Vattenfall zwei Kohlekraftwerke, neben Jänschwalde auch eine nach der Wende errichteten Anlage im Industriepark Schwarze Pumpe. „Jänschwalde wurde noch in der DDR gebaut und ist das zweitklimaschädlichste Kraftwerk Deutschlands“, hält René Schuster von der Umweltgruppe Cottbus der Grünen Liga den drei Kohleländern entgegen. Der Wirkungsgrad liege gerade einmal bei rund 36 Prozent. Bis zu 43 Prozent seien mit moderner Technik heute machbar. „Nur weil sich Vattenfall CO2-Zertifikate kauft, wird die Anlage nicht sauberer“, so der Diplomingenieur, der auch im Braunkohleausschuss des Landes sitzt.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: