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Brandenburg: Er regiert einfach

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke ist 100 Tage im Amt. Der Neue kommt im Lande an, obwohl er bislang kaum Akzente setzt. Eine Bilanz

Stand:

Seine Schonzeit ist vorbei. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) ist heute genau einhundert Tage im Amt. Am 28. August war der bodenständige Lausitzer als Nachfolger des erkrankten langjährigen Regierungschefs Matthias Platzeck vereidigt worden, gewählt sogar mit einigen Stimmen der Oppostion. Er ist einer, der nicht das Charisma Platzecks hat, mit seiner Herkunft aus tiefster Provinz kokettiert. Im Land ist 52-Jährige im Vergleich zum Vorgänger zwar immer noch ziemlich unbekannt, jeder Dritte kennt ihn nicht. Aber das beginnt, sich zu ändern, wie eine neue Umfrage von MOZ und RBB zeigt. Danach ist jeder zweite Brandenburger mit Woidke zufrieden, der jetzt populärster Politiker im Land ist, obgleich die Werte lange nicht an Platzecks heranreichen. Zum Amtsantritt hatte er angekündigt, seine „eigene Furche“ zu ziehen. Zu spüren ist davon bislang wenig – einiges aber doch. Eine Übersicht:

Pannen-Flughafen BER

Der BER ist auch für ihn die größte Bürde. Anders als Platzeck ging Woidke nicht in den Flughafen-Aufsichtsrat. Er will schon gar nicht dort Vorsitzender werden – selbst, wenn das heißt, dass Klaus Wowereit wieder ran muss. Woidke kneift, sagen viele, vor allem außerhalb Brandenburgs. Im Lande und im Landtag erhielt er für die Entscheidung überwiegend Zuspruch. Öffentlich hält sich Woidke zum BER zurück, intern ist er hinterher. Er traf sich mit den Bundesministern Wolfgang Schäuble und Peter Ramsauer, mit Klaus Wowereit, mit BER-Chef Hartmut Mehdorn sowieso. Wo es auf der Baustelle klemmt, wie wild mancher „Sprint“-Plan Mehdorns ist, weiß er bestens vom zuständigen Baubehörden-Landrat Stephan Loge (SPD). Mit dem ist er befreundet. Als Nicht-Aufsichtsrat kann Woidke beim Lärmschutz, für das Land ein Top-Thema, freier agieren als Platzeck. Freilich hängt hier alles von Klaus Wowereit ab, mit dem er ein Arrangement auszuloten versucht. Ende September hatten sich beide beim Berliner Kult-Griechen „Cassambalis“ erstmals beschnuppert, auch belauert. Woidke wird nach dem mit über 100 000 Unterschriften erfolgreichen Volksbegehren daran gemessen, ob er mehr Nachtruhe für die BER-Anwohner herausholt: Bislang hat er das nicht geschafft.

Politisches Profil

Mit Paukenschlägen fiel Woidke bisher nicht auf. Und in den letzten Wochen kam er kaum zum Regieren. Er saß überwiegend in den Koalitionsverhandlungen in Berlin, wo er sich vor allem für die Lausitzer Braunkohle und eine solidere Förderung erneuerbarer Energien starkmachte. Schon seine erste Regierungserklärung war von diesem „Weiter so!“ geprägt. Bisher setzte Woidke ein einziges eigenes Zeichen: Wurde vorher bestritten, dass Unterrichtsausfall im Land überhaupt ein gravierendes Problem ist, ließ Woidke zusätzlich 10 Millionen Euro bewilligen. Ansonsten führt er Platzecks rot-roten Kurs fort, dessen Personal er übernahm. Freilich: Vor ein paar Jahren hätte ihm, dem Mann fernab des Potsdamer SPD-Machtzirkels, niemand zugetraut, dass er Ministerpräsident kann. Einer Fusion Brandenburgs mit Berlin hat Woidke gleich nach Amtsantritt eine klare Absage erteilt, auch hier blieb er bei Platzecks Linie. Auch sonst lässt Woidke – trotz der beschworenen Kooperation in der Hauptstadtregion – Berlin eher links liegen. Er kümmert sich mehr um bessere Beziehungen zum Nachbarland Polen.

Regierungs- und Führungsstil

Woidke sagt, er sei „im Amt angekommen“. Das nimmt man ihm ab. Er tritt locker, souverän auf, hat anfängliche Unsicherheiten etwa im Kabinett, die er hinter betont formalem Herangehen versteckte, überwunden. Sein Führungsstil sei verbindlicher als der Platzecks, registriert einer am Tisch. In der Regierung sprach Woidke erst mal ein Machtwort. Er pfiff Agrarminister Jörg Vogelsänger (SPD) zurück, als der Umweltministerin Anita Tack (Linke) im Zoff um den Abschuss von Kormoranen kritisiert hatte. Noch regiert Woidke mit langer Leine. Das ist ein Risiko. Der Regierungsmotor läuft nicht rund, es häufen sich Pannen. Auf der anderen Seite ist Woidke vorsichtig. So war er am Tag nach der Bundestagswahl, die im roten Brandenburg die CDU gewann, abgetaucht. Aus Taktik, um nicht mit der Niederlage verbunden zu werden, was öffentlich nicht gut ankam. Ein Fehler. Die SPD führt er offener als Platzeck, lässt mehr Raum für Debatten, versucht die Partei thematisch weniger ideologisch und breiter aufzustellen – etwa auch beim Thema Sicherheit. Als früherer Innenminister weiß er, wie besorgt Brandenburger wegen der wachsenden Kriminalität sind.

Ausblick

Brandenburg wählt am 14.September 2014. Bei allen Landtagswahlen seit 1990 wurde die SPD stärkste Partei, vor allem wegen der „Landesväter“ Manfred Stolpe und Matthias Platzeck. Diesmal sitzt die CDU dem SPD-Regierungschef im Nacken. Wenn jetzt Wahlen wären, käme die SPD auf 32 Prozent, dicht gefolgt von der Union mit 30 Prozent. Die Linken liegen bei 22 Prozent, die Grünen bei 6 Prozent. Aber: Woidke profitiert bereits vom Bonus des Amtes. Bei einer Direktwahl würden 55 Prozent den SPD-Regierungschef wählen, aber nur 7 Prozent seinen CDU-Herausforderer Michael Schierack. Selbst die CDU-Anhänger bevorzugen Woidke, den 50 Prozent wählen würden, nur 16 Prozent Schierack.

Noch 284 Tage bis zur Landtagswahl.

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