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Riskante Ausgangslage. Dietmar Woidke muss die märkische SPD in die Landtagswahl führen.

© Patrick Pleul/dpa

Platzecks Nachfolger Woidke: Feuertaufe für den Neuen

Auf Dietmar Woidke, Brandenburgs designierten Regierungschef und SPD-Vorsitzenden, warten viele Probleme. Nicht nur der Flughafen, der immer teurer wird. Und die Landes-SPD steht vor einer Schicksalswahl.

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Potsdam - Brandenburg, plötzlich in einer Zwischenzeit. Es war der erste Tag, nachdem Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) seinen Rückzug ankündigte. Wie er sich fühle? „Gut, danke der Nachfrage“, sagte Platzeck, der am Dienstag an der Sitzung des Kuratoriums für den Aufbau der Garnisonkirche teilnahm, sich danach in einer dem Vernehmen nach „emotionalen“ Betriebsversammlung in der Regierungszentrale erklärte, dann die Kabinettssitzung leitete. Ohne Dietmar Woidke, bislang Innenminister, der am 28. August als Nachfolger im Ministerpräsidentenamt vereidigt werden soll. „Nominell“ ist der zwar noch im Urlaub. Der Neue hatte Zeit für interne Termine in Potsdam. „Um mich vorzubereiten, Gespräche zu führen“, wie Woidke dieser Zeitung sagte. Auf den designierten Regierungschef und SPD-Landesvorsitzenden warten neben dem BER als schwierigste Erblast – wegen neuer Belastungen für den Landeshaushalt und dem Druck auf ein strengeres Nachtflugverbot – ein Jahr vor der Landtagswahl 2014 viele Probleme, Risiken und Herausforderungen. Ein Überblick.

Woidke tritt nicht als „Kaltstarter“ an. Er kennt das Regierungsgeschäft, war von 2004 bis 2009 Umwelt- und Agrarminister, nahm von 2009 bis 2011 als Chef der Landtagsfraktion an den Kabinettssitzungen teil. Zugute kommt ihm zwar, dass der rot-rote Koalitionsvertrag weitgehend abgearbeitet ist, Platzeck und die SPD mit Blick auf die Landtagswahl 2014 Konflikte entschärft und Brände gelöscht haben. Die Rente mit 67 wurde für Polizisten und Justizbedienstete zurückgenommen, zusätzliche Lehrerstellen sind geschaffen worden, der Personalabbau im Landesdienst verringert. Andererseits sorgt etwa die wachsende Kriminalität an der Grenze und im Berliner Umland für Frust, gilt der künftige Innenminister Ralf Holzschuher, der Woidke beerben soll, eher als Notlösung. Es lauern weitere Risiken, etwa falls sich Vattenfall aus der Braunkohle zurückziehen sollte. Zugleich läuft das umstrittene Verfahren für den neuen Tagebau Welzow II, für den auch Dörfer abgebaggert werden sollen, ein schwerer Konflikt, den der Lausitzer Woidke bestens kennt. Ständige Achillesferse in Brandenburg bleiben Schuldefizite und unterfinanzierte Hochschulen. „Nebenbei“ müssen nun unter Woidke Strategien für die kommenden Jahre, etwa für die überfällige Kreisreform, aber auch für weitere Reformen erarbeitet werden, um Brandenburgs Strukturen sinkenden Einwohnerzahlen und knapperen Kassen anzupassen. Er wird viel im Land unterwegs sein müssen, um sich bekannt zu machen, was ein Manko ist. Der Amtsbonus wird ihm nützen. Die Brandenburger blicken traditionell eher auf den Ministerpräsidenten, Minister und Abgeordnete gelten in der Bevölkerung als wenig bedeutend.

Der Pannen-BER ist die schwierigste Erblast, die Platzeck seinem Nachfolger hinterlässt. Noch gibt es kein tragfähiges Inbetriebnahmekonzept, es soll erst im Oktober vorliegen. Für Woidke gefährlicher ist, dass die letzte 1,2-Milliarden-Kapitalspritze für das ins Trudeln geratene Projekt lediglich bis Oktober 2013 berechnet war und bald neues Geld nachgeschossen werden muss. Nach der Bundestagswahl im Herbst werden Zahlen auf den Tisch gelegt, die erneut in Richtung einer Milliarde Euro gehen dürften. Woidke wird der Bevölkerung die Bewilligung von einigen Hundert Millionen Euro aus dem klammen Landeshaushalt erklären müssen. Unter Erfolgsdruck steht Woidke auch, das angenommene Volksbegehren und den fast einstimmigen Landtagsbeschluss für ein strengeres Nachtflugverbot am BER umzusetzen, womit Platzeck bislang beim Bund und bei Klaus Wowereit in Berlin auf Granit biss.

Zwar versicherten Woidke und die Linken, die Zusammenarbeit in der rot-roten Koalition verlässlich fortzusetzen. Wahrscheinlicher ist, dass es knirschen wird. Die Linken, die nur in Brandenburg mitregieren, aber bundesweit mit Blick auf die Bundestagswahl unter extremen Druck stehen, schalten auf Wahlkampf um. Das war bereits spürbar. Die Konstellation ist ähnlich wie nach dem Amtsantritt von Matthias Platzeck im Jahr 2002, als der damalige CDU-Innenminister und Vize-Ministerpräsident Jörg Schönbohm auftrumpfte, der „Neue“ erst Autorität durchsetzen musste. Als Innenminister war Woidke jüngst mehrfach mit Linken aneinandergeraten, etwa jüngst mit Finanzminister Helmuth Markov um das weitere Vorgehen bei der Tarifanpassung für Landesbeamte. Da hatte, nach dem Schlaganfall, Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) für Ausgleich gesorgt, ein Machtwort gesprochen. Neue Konflikte können jederzeit aufflackern, das Verhältnis von Woidke zu Vize-Ministerpräsident und Finanzminister Helmuth Markov (Linke) gilt als kühl.

Die größten Schwierigkeiten erwarten Woidke aber, weil er die SPD in die Landtagswahl führen muss, bei der es für die SPD um alles geht. Die Ausgangslage könnte kaum riskanter sein: Zur Bundestagswahl im Herbst sitzt nach Umfragen die CDU der SPD im Nacken, hat erstmals Chancen, stärkste Partei im Land zu werden. Dass sich das nicht stärker auf das Land niederschlug, lag neben der traditionellen Schwäche der Landes-Union bislang vor allem an der Popularität Platzecks, die nach Umfragen und Analysen bisher etwa zehn Prozent der SPD-Ergebnisse ausmachte. Trotz des BER-Fiaskos hatte die SPD in der letzten Umfrage vom Mai mit 35 Prozent vorn gelegen, vor der CDU mit 27 Prozent und den Linken mit 21 Prozent. Skepsis in der SPD gibt es zudem, ob Woidke mit seiner pragmatisch-nüchternen Ideologieferne die Rolle als Parteichef ausfüllen kann. Mancher Genosse hätte lieber eine Doppelspitze, mit Sozialminister Günter Baaske als SPD-Chef, favorisiert.

Dietmar Woidke und Brandenburg stehen unruhige Zeiten bevor.

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