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Grüne heftig informiert vor Vattenfalls Kraftwerk in Jänschwalde: Die Europaabgeordnete Elisabeth Schroedter, das Bundestagsmitglied Oliver Krischer (links) sowie die schwedischen Reichstags-Abgeordneten Åsa Romson und Lise Nordin (von links).

© Pleul/dpa

Von Alexander Fröhlich und Thorsten Metzner: Für Vattenfall an allen Fronten

Platzecks Kabinett will Kohlendioxid-Speicher erproben – aber keinen Alleingang

Stand:

Potsdam - Brandenburgs rot-rote Landesregierung kämpft derzeit an allen Fronten, damit der Energiekonzern Vattenfall mögliche Kohlendioxid-Endlager überhaupt erforschen kann. Es ist derzeit deutschlandsweit das einzige konkrete Vorhaben, mit dem die CCS–Technologie (Carbone Capture and Storage) zur Abscheidung und unterirdischen Speicherung von Kohlendioxid (CO2) erprobt werden soll. Dennoch pocht die von Matthias Platzeck (SPD) geführte Landesregierung auf ein bundesweit geltendes Regelwerk – damit Brandenburg nicht das einzige Land mit einem CCS-Projekt ist und um die Verstromung Lausitzer Braunkohle durch Vattenfall zu sichern.

„Wir werden es nicht im Alleingang tun“, sagte Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) am Dienstag nach einer Sitzung des Kabinetts in Potsdam. Daher lehnt Rot-Rot den neuesten Entwurf für ein Bundesgesetz ab, weil dieser für die Bundesländer einen Ausstieg aus der CCS-Technologie vorsieht. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) hatte diesen Kompromiss mit Niedersachsen ausgehandelt, Schleswig-Holstein aber ist dies noch zu schwammig. Es müsse sichergestellt werden, dass Länder Nein sagen könnten zu CO2-Lagern auf ihrem Gebiet, hatte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) nach einem Treffen mit Röttgen gesagt. Nun befürchtet Christoffers, dass Röttgern noch weitere Zugeständnisse macht. Nach mehrere Anläufen könnte das Bundeskabinett das CCS-Gesetz Anfang März verabschieden. Im Bundesrat gilt eine Mehrheit aber als unsicher, 2009 war ein erster Anlauf an Schleswig-Holstein gescheitert. Nun sucht Christoffers Verbündete in anderen Ländern, um die Ausstiegsklausel zu verhindern, darunter in Nordrhein-Westfalen und Sachsen.

Aber auch in Brandenburg selbst hat Rot-Rot mit heftigen Protesten zu tun, die Erkundung möglicher CO2-Speicher wird in den betroffenen Regionen um Beeskow (Oder-Spree) und Neutrebbin (Märkisch-Oderland) überwiegend abgelehnt. Trotz aller Widerstände will Christoffers an der Erprobung der CCS-Technologie festhalten. Diese biete die Chance, den Klimawandel zu begrenzen, weil damit der CO2-Ausstoß in Deutschland, aber auch weltweit gesenkt werden könnte. Sollte sich das Vorhaben als nicht sicher herausstellen, werde auch nicht gespeichert.

Auch die Regierungsfraktionen im Landtag teilen Christoffers Position. „Wir wollen ein bundeseinheitliches Gesetz", erklärte SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher. Es wäre feige, die Verantwortung auf einzelne Bundesländer abzuwälzen aus denen der Strom kommt. Derzeit sieht die SPD keinen Grund über eine eigene CCS-Gesetzgebung des Landes als Alternative nachzudenken. „Es gibt keine Notwendigkeit für einen Plan B.“ Linke-Fraktionschefin Kerstin Kaiser sagte, eine „Lex-Brandenburg“ werde ihre Fraktion auf keinen Fall akzeptieren. Die Linke stehe zum Koalitionsvertrag, zum Kompromiss, die Erforschung und Erprobung von CCS zuzulassen. Allerdings sei „zwischenzeitlich Zeit vergangen“, wir sind dazu „ständig im Gespräch“. Es gebe „neue politische, gesetzliche Bedingungen, Widerstände vor Ort“. Die „Entwicklung ist inzwischen weitergegangen“, sagte Kaiser. FDP-Fraktionschef Andreas Büttner erklärte, es gebe in Brandenburg auch Möglichkeiten, CO2 in dünnbesiedelten Gegenden zu speichern, etwa unter Truppenübungsplätzen. Grünen-Fraktionschef Axel Vogel begrüßte die geplante Ausstiegesklausel im CCS-Gesetz des Bundes. „Brandenburgs Landesregierung wird gezwungen, Verantwortung zu übernehmen. Sie will es nicht, sie will es auf die Bundesebene abwälzen.“ CCS sei kein Königsweg, sondern eine Sackgasse – „durch ein Spalier ablehnender Bevölkerung“.

Auch Vattenfall selbst muss mit wachsendem Widerstand gegen seine CCS-Pläne und neue Braunkohle-Tagebaue rechnen – allerdings im Mutterland des Staatskonzerns, in Schweden. „Wenn die Leute erfahren, was wir in einem Nachbarland machen, werden sie es ablehnen“, sagte Åsa Romson, schwedische Grünen-Abgeordnete, gestern. Nach einer Besuchstour durch Tagebau-Landschaften und von Abbaggerung bedrohte Dörfer sprach sie von „äußerst emotionalen“ Momenten und „heftigen Informationen“. „Ich kannte das bislang nur von Fotos.“ In Schweden stehe Vattenfall für ein zukunftsorientierten Wandel in der Energieerzeugung hin zu erneuerbaren Energien, in Deutschland für überholte Strategien. Romson bezeichnete das Festhalten Vattenfalls in Deutschand an der völlig ungewissen CCS-Technologie, um den CO2-Ausstoß zu senken, als „dumm“. Wichtiger sei ein konsequenter Umbau hin zu erneuerbaren Energien.

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