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Justiz: Gericht lässt NPD-Parteitag in Neuruppin zu
Neuruppin/Berlin - Die rechtsextreme NPD darf ihren Bundesparteitag an diesem Wochenende wie geplant in Neuruppin (Ostprignitz-Ruppin) abhalten. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) wies am Freitag die Beschwerde der Stadt zurück.
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Neuruppin - Brandenburg bereitet sich intensiv auf den am Wochenende geplanten Bundesparteitag der rechtsextremistischen NPD in Neuruppin vor. Ausgerechnet in der Fontane-Stadt im Landesnorden war erst Ende September ein Polizeieinsatz gegen eine Anti-Neonazi-Sitzblockade völlig aus dem Ruder gelaufen. Eine solche Eskalation wollen Innenminister Dietmar Woidke (SPD), Kommune und Initiatoren von Gegenaktionen diesmal unbedingt verhindern.
Seit Freitagmittag steht auch fest: Die rechtsextreme NPD darf ihren Bundesparteitag an diesem Wochenende wie geplant in Neuruppin (Ostprignitz-Ruppin) abhalten. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) wies die Beschwerde der Stadt zurück. Neuruppin sei verpflichtet, der NPD für ihren Bundesparteitag am 12. und 13. November das Gebäude Stadtgarten zu überlassen, sagte Gerichtssprecher Ulrich Marenbach. Zusätzlich haben die Richter einer NPD-Beschwerde stattgegeben, so dass die rechtsextreme Partei den Sicherheitsbehörden kein eigenes Sicherheitskonzept für ihren Parteitag vorlegen muss (Az: OVG 3 S 142.11).
Zuvor hatte auch das Verwaltungsgericht Potsdam einer Klage der NPD auf Saalnutzung stattgegeben, wogegen die Stadt Neuruppin or dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Beschwerde einlegten – und nun scheiterte. Die NPD hatte bei der Saalsuche bereits deutschlandweit Absagen in 85 Städten kassiert hat, bislang überall juristisch wasserdicht. Die Partei rechnet mit insgesamt 500 Delegierten und Gästen im Neuruppiner Kulturhaus „Stadtgarten“.
Im Neuruppiner Rathaus und bei den Sicherheitsbehörden laufen jetzt die Drähte heiß. „Wir bereiten uns mit Hochdruck vor“, sagte Innenminister Dietmar Woidke (SPD) den PNN. Mit der Kommune würden Gespräche über das Sicherheitskonzept geführt. Dass die Polizei Fehler des letzten Einsatzes nicht wiederholen werde, „versteht sich von selbst“. Für das Wochenende hat das Bündnis „Neuruppin bleibt bunt“ bereits zwei Gegenveranstaltungen angemeldet. Statt einer Demonstration wie Ende September soll es diesmal eine Mahnwache und eine ganztägige Protestkundgebung geben. „Wir werden den Unmut der Zivilgesellschaft deutlich zum Ausdruck bringen“, sagte Bündnissprecher Martin Osinski. Der NPD-Parteitag sei „eine Schande für unsere Stadt und die ganze Region“.
Die Neuruppiner Neonazi-Gegner setzen aber ausdrücklich auf Deeskalation, um Auseinandersetzungen mit der Polizei zu vermeiden. Ende September hatte die Polizei eine Sitzblockade gegen einen Aufmarsch von Rechtsextremisten aufgelöst und 331 Menschen danach stundenlang festgehalten, um deren Identität festzustellen. Polizeipräsident Arne Feuring und Innenminister Dietmar Woidke (SPD) hatten Mängel bei dem umstrittenen, in der Landesgeschichte einmaligen Einsatz eingeräumt. Vorher waren derartige Gegenaktionen auf Druck der Politik eher geduldet und sogar unterstützt worden. Im Fall Neuruppin laufen jetzt drei Ermittlungsverfahren gegen Beamte wegen Hausfriedensbruch, Körperverletzung und Nötigung. Rund 270 Gegendemonstranten müssen immer noch mit Verfahren wegen Nötigung rechnen. „Ich halte mich ausdrücklich zurück, die beiden Sachen im September und die Aktion an diesem Sonnabend miteinander in Verbindung zu bringen“, sagte Osinski.
Denn beim Aktionsbündnis und in der Politik ist die Sorge groß, dass sich wegen der schlechten Erfahrungen mit der Polizei und den Ermittlungen gegen Sympathisanten weit weniger Menschen an den Protesten gegen die NPD beteiligen als bisher. „Es wird schwerer“, sagte Landtags-Vizepräsidentin Gerrit Große (Linke). Dass die NPD nach Neuruppin wolle, sei eine gezielte „Provokation“. Grünen-Fraktionschef Axel Vogel setzt darauf, dass die „Entmutigungsstrategie“ nicht aufgeht. „Die Landesregierung sollte es offensiv unterstützen, dass dort Flagge gezeigt wird.“
Bei den Sicherheitsbehörden herrscht indes Verwunderung über die Neuruppiner Verwaltung. Von einer Panne ist die Rede. Nach PNN-Informationen ging die Anmeldung der NPD für den „Stadtgarten“ am 27. Oktober ein, am 1. November kam der Ablehnungsbescheid des Rathauses. Aber erst sieben Tage später erfuhren davon Polizei, Verfassungsschutz, aber auch das Mobile Beratungsteam, das in Brandenburg Städte und Gemeinden im Umgang mit Rechtsextremisten berät. Woidke deutete an, dass der dadurch entstandene Zeitdruck die Vorbereitungen erschwert.
Tatsächlich soll die NPD am 24. November über einen Strohmann herausgefunden haben, dass der Saal frei ist und dann den Parteitag angemeldet haben. In anderen Städten soll es ähnlich gelaufen sein – etwa in Velten (Oberhavel). Dort aber hätte das Rathaus gleich die Sicherheitsbehörden eingeschaltet haben, die NPD scheiterte mit ihre Anmeldung. Inzwischen hat Velten jegliche Parteiveranstaltungen in städtischen Sälen verboten.
Die Neonazi haben sich seit 2007 die Stadt Neuruppin als Ort für ihre Aufmärsche und Aktionen auserkoren. Nachdem es über Jahre ruhig war, konnten die „Freie Kräfte Neuruppin“ im Hintergrund feste Strukturen samt neuem NPD-Stadtverband aufbauen – die inzwischen als Brückenkopf von Mecklenburg-Vorpommern, wo die NPD im Landtag sitzt, nach Brandenburg und Berlin gelten. Erst am Wochende hat die Polizei ein Treffen von 70 Rechtsextremisten aus Berlin und mehreren Brandenburger Landkreisen auf einem Bungalowgrundstück aufgelöst.
Neuruppins Bürgermeister Jens-Peter Golde (Pro Ruppin) versucht indes zu retten, was zu retten ist. Eiligst hat die Stadt eine Ausstellung des Potsdamer Künstlers Stefan Gloede im Foyer des „Stadtgartens“ organisiert, die Golde am Freitagnachmittag eröffnet. Sie trägt den Titel: „Neuruppin hat einen klaren Standpunkt - gegen Nazis“. Gezeigt werden zwei Meter große Fotoporträts von Menschen, die sich in Neuruppin gegen Rechtsextremismus engagieren. „Im Vertrag mit der NPD werden wir durchsetzen, dass die Ausstellung auch während es Parteitages zu sehen bleibt“, sagte Golde. Auf jeden Fall werden im „Stadtgarten“ keine Stühle und Tische stehen, weil parallel eine Veranstaltung in der Kulturkirche läuft. Diese Begründung ließ das Potsdamer Verwaltungsgericht jedenfalls nicht gelten, als es der Klage der NPD stattgab. Die Richter bescheinigten der NPD aber einen Anspruch „lediglich auf Überlassung im Rahmen der vorhandenen Ausstattung“.
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