Energiepolitik in Brandenburg: Mehrheit will Ausstieg aus Braunkohle
Laut Greenpeace-Umfrage wollen die Brandenburger keine neuen Tagebaue – ganz besonders Anhänger der Linken nicht. Dennoch will die Partei in der Landesregierung am Dienstag den Braunkohleplan für Welzow-Süd II mittragen.
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Potsdam – Die Umweltorganisation Greenpeace erhöht im Streit um neue Braunkohletagebaue den Druck auf die Linke im Bund und in Brandenburg. Nachdem Greenpeace-Aktivisten am Montag bereits die Bundeszentrale der Linken in Berlin besetzt haben und nach ersten Gesprächen mit Parteivertretern veröffentlicht Greenpeace nun vor dem nächsten Runden Tisch in der Landeszentrale der brandenburgischen Linken am Montag in Potsdam eine repräsentative Umfrage, die den PNN vorliegt.
Die Ergebnisse – wie die mehrheitliche Ablehnung neuer Tagebaue bei den Deutschen - sollen die Linken in Brandenburg zusätzlich in Erklärungszwang bringen. Denn zwar spricht sich die Partei auf Bundesebene gegen neue, wegen des hohen Ausstoßes von klimaschädlichem Kohlendioxid (CO2) umstrittene Kohlekraftwerke aus und bringt in der kommenden Woche in den Bundestag ein Kohleausstiegsgesetz ein, das neue Kraftwerke und Tagebaue untersagen soll. Und auch die Brandenburger Linke hat sich in mehreren Parteitagsbeschlüssen gegen neue Tagebaue und Zwangsumsiedlungen ausgesprochen. Doch nun wollen alle vier Linke-Minister im Kabinett von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) am Dienstag dem Braunkohleplan für den vom Energiekonzern Vattenfall geplanten Tagebau Welzow-Süd II zustimmen – aus Koalitionsdisziplin und um wenige Monate vor der Landtagswahl im September eine Neuauflage des rot-roten Bündnisses nicht zu gefährden. Dabei sind zahlreiche Genossen selbst gegen diesen Kurs. Wie die von Greenpeace beim Meinungsforschungsinstituts TNS Emnid in Auftrag gegebene Umfrage ergab, finden 91 Prozent der Linke-Anhänger, dass neue Kohletagebaue wegen der Umweltschäden nicht zu verantworten sind. 94 Prozent der befragten Linke-Wähler befürworten den Abschied von der Braunkohle spätestens bis zum Jahr 2030. Nur bei Grüne-Wählern sind die Werte noch höher.
Generell lehnen die Deutsche der Umfrage zufolge neue Kraftwerke und Tagebaue für die besonders klimaschädliche Braunkohle ab. 73 Prozent der Brandenburger und 88 Prozent der Deutschen halten neue Tagebaue für nicht zu verantworten, wenn Schäden für Umwelt und Natur groß sind. Auf die Frage, ob sie sich einen schnellen Ausstieg bis zum Jahr 2020, einen mittelfristigen bis 2030 oder gar keinen Ausstieg aus der Braunkohle wünschen, sprachen sich 79 Prozent der Brandenburger und 87 Prozent der Deutschen für eine Verzicht auf Braunkohle bis spätestens 2030 aus. Emnid befragte vom 22. April bis 26. Mai 1006 Menschen deutschlandweit und 357 Menschen in Brandenburg.
Greenpeace-Kohleexpertin Anike Peters sagte den PNN: „Die Linke ist dabei, jede Glaubwürdigkeit zu verlieren. Wenn sie an der Seite der SPD brav für Welzow-Süd II stimmt, stimmt sie nicht nur gegen ihr eigenes Programm, sondern auch gegen den Willen der Bevölkerung.“ Am Samstag hatte Greenpeace in einer weiteren Protest-Aktion ein fünf Meter hohes Schaufelrad eines Braunkohlebaggers auf dem Tempelhofer Feld in Berlin aufgestellt. Es war der Start einer zwölfwöchigen Tour durch Deutschland, Tschechien und Polen, wie die Organisation mitteilte. In mehr als 20 deutschen Städten sollen die Menschen ihre Stimme gegen die Braunkohle abgeben.
Die Parteispitze der Linken in Berlin nimmt den Protest überaus ernst, auch die Linke in Brandenburg. Parteichefin Katja Kipping hält vor dem Runden Tisch mit Greenpeace eine Pressekonferenz zu Eckpunkten der Energiepolitik ab – mit Brandendburgs Justizminister Helmuth Markov, der auch Vize-Regierungschef für die Linken ist. Neben Kipping werden von den Linken am Runden Tisch auch Wirtschaftsminister Ralf Christoffers, der parlamentarische Geschäftsführer der Linke-Landtagsfraktion Thomas Domres, Vize-Parteichefin Karin Ley und der Linke-Vorstand Wolfgang Mehling, einst Umweltminister in Mecklenburg-Vorpommern, am Runden Tisch sitzen.
Eine Weisung aus Berlin an den Landesverband in Potsdam wird es aber nicht geben. Die vier Linke-Minister werden am Dienstag – entgegen der Parteilinie - dem Braunkohleplan für Welzow-Süd II zustimmen, wo ab 2027 rund 200 Millionen Tonnen Braunkohle abgebaut werden sollen und für den 800 Menschen in der Stadt Welzow und im Dorf Proschim umgesiedelt werden müssen.
Dennoch sollen die vier Kabinettsmitglieder eine Erklärung zu Protokoll geben. Demnach will die Linke in Brandenburg bis 2040 – also schneller als die SPD - einen Kohleausstieg. Zudem soll weiter geprüft werden, ob die bedrohten Orte wirklich abgebaggert werden müssen und die Umsiedlungen tatsächlich nötig sind. Die Energiestrategie 2030 der Landesregierung mit ihren Klimaschutzzielen soll weiter Priorität haben. Klar ist aber schon jetzt, wie auch die Landesregierung selbst einräumt, dass diese Ziele mit dem neuen Tagebau nicht einzuhalten sind. Selbst ein von Umweltministerin Anita Tack (Linke) in Auftrag gegebenes Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass der neue Tagebau energiepolitischer Unsinn und für die Energieversorgung nicht nötig ist. Schon jetzt exportiert Brandenburg 60 Prozent des im Land produzierten Stroms. Aber zwei Drittel des Brandenburger Stroms stammen aus Vattenfalls Braunkohlekraftwerken in der Lausitz.
Brandenburgs Partnerland Nordrhein-Westfalen hat dagegen das Ende der Kohle-Ära eingeleitet. Die Landesregierung hat den umstrittenen Tagebau Garzweiler II inzwischen begrenzt und plant dessen vorzeitiges Ende bis 2030.
Alexander Fröhlich
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