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Prellbock. So lange Rainer Schwarz (von links) noch Geschäftsführer der BER-Flughafengesellschaft ist, fängt er all die Kritik an den Regierungschefs von Berlin und Brandenburg, Klaus Wowereit und Matthias Platzeck (beide SPD), ab.

© Clemens Bilan/dapd

Brandenburg: Milde Opposition im Flughafen-Trubel

Klaus Wowereit ist Chef des BER-Aufsichtsrates – und trotz des Debakels verschont ihn die Opposition in Berlin mit Rücktrittsforderungen. Derlei muss sich Matthias Platzeck nur von der CDU gefallen lassen.

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Potsdam/Berlin - Verschiebung, die vierte – die Posse um den neuen Hauptstadtflughafen BER nimmt kein Ende. Keine Kabarettsendung lässt das Thema aus – und nimmt den Aufsichtsratschef der Flughafengesellschaft und Berlins Regierungschef stets mit aufs Korn. Und Klaus Wowereit (SPD)? Den steckt das bundesweite Gelächter offenbar an: Er witzelt vor Firmenbossen über das BER-Fiasko und spottet über das Hotel Waldorf-Astoria am Zoo, das ja auch seine Eröffnung immer wieder verschieben musste. „Das macht hoffentlich bald auf“, sagte Wowereit bei einem Besuch gestern in der City West, „die sollen ja auch Entrauchungsprobleme haben“.

Rücktrittsforderungen kommen vor allem aus der Ferne: vom bayerischen Grünen Anton Hofreiter, der als Chef des Verkehrsausschusses im Bundestag wissen dürfte, warum er das fordert. Und FDP-Generalsekretär Patrick Döring will neue Bundeszuschüsse für das Milliarden-Grab nur bewilligen, wenn sich „die Personalkonstellation“ im Aufsichtsrat ändert – dem Wowereit vorsteht.

Und dessen Stellvertreter im Kontrollgremium, Brandenburgs Regierungschef Matthias Platzeck (SPD)? Es sieht weiter nicht danach aus, als ob er wegen der BER-Krise um sein Amt fürchten muss. Platzeck gibt sich gelassen, obwohl die CDU-Opposition im Landtag seinen Rücktritt verlangt – und zwar gleich als Ministerpräsident. Womit Platzeck gegenüber Wowereit oder den Bundesvertretern im Aufsichtsrat noch ein Alleinstellungsmerkmal hat. Regierungssprecher Thomas Braune winkte am Mittwoch ab, wollte nicht kommentieren, dass CDU- Landes- und Fraktionschefin Saskia Ludwig nach der neuen BER-Verschiebung die Rücktrittsforderung der Union bekräftigte. Dazu sei „alles gesagt, vom Regierungschef selbst und von den anderen Fraktionen im Landtag“. Tatsächlich steht die Union mit der Forderung weiter allein. FDP und Grüne halten sie für überzogen. Sie drängen – vergeblich – auf einen Rücktritt des Flughafenaufsichtsrates.

Platzecks Reaktion? Er hatte im Landtag auf eine Meinungsumfrage verwiesen, die die Union selbst parallel zur Rücktrittsforderung erheben ließ. Danach sehen zwar zwei Drittel der Brandenburger eine „Mitverantwortung“ bei ihm für das BER-Debakel, was neu ist. Trotzdem liegt die SPD, die im Land vor allem wegen Platzecks Beliebtheit gewählt wird, mit 35 Prozent klar vorn, vor der CDU mit 25 Prozent und den Linken mit 20 Prozent. Obwohl er erst am Wochenende wieder auf dem „Brandenburg-Tag“ in Lübbenau bejubelt wurde, ist Platzeck vorsichtig, verstärkt die Präsenz. Neuerdings tagt das Kabinett auswärts, wie am Dienstag in Frankfurt an der Oder.

Stellt sich beim Blick über die Landesgrenzen die Frage: Warum bloß empört sich kaum ein Berliner Politiker über den „verkehrspolitischen Schmuddelhaufen“ (Arnold Vaatz, Vizechef Unionsfraktion)? Die Fraktionschefin der Grünen, Ramona Pop, fordert Wowereits Rücktritt nicht, verlangt stattdessen „ein ehrliches Finanzkonzept“ vom Aufsichtsrat. „Eine folgenlose Rücktrittsforderung schließt nur die Reihen der Koalition.“ Für die CDU als Regierungspartner der SPD ist „Besonnenheit“ das Gebot der Stunde. „Wir werden kritische Fragen stellen und Fehler benennen“, sagt CDU-Obmann Stefan Evers. Zumal seine Partei „zu den entscheidenden Zeiten keine politische Verantwortung getragen“ hatte. Auch die Linke ist eher schweigsam. Ihr Ex-Wirtschaftssenator Harald Wolf saß selbst im Aufsichtsrat. Politische Konsequenzen könne man erst fordern, wenn Wowereit persönlich Versäumnisse nachzuweisen seien. Entlastet wäre der Regierende, wenn ihm die Flughafenchefs warnende Hinweise vorenthalten hätten. Als „Bullterrier“ haben die Linken Wowereit kennengelernt, der sich verbeißen könne in einen Fall – „warum haben bei ihm also nicht die Alarmglocken geschellt nach der ersten Verschiebung?“

Brandenburgs Linke-Landtagsfraktion wiederum drängt darauf, dass Flughafenchef Rainer Schwarz endlich seinen Stuhl räumt, je früher desto besser, wie Fraktionschef Christian Görke sagte: „Meine Fraktion sieht bei Herrn Schwarz schwarz.“ Doch vor allem Berlin und Brandenburg halten an Schwarz fest. Auch der Bund drängt nach PNN-Informationen derzeit nicht auf eine Ablösung. Den erneut verschobenen Eröffnungstermin könne man Schwarz nicht alleine anlasten, heißt es übereinstimmend. Den bisherigen Termin 17. März hatte der Aufsichtsrat festgelegt. Würde Schwarz geschasst, weil auch dieser Termin nicht zu halten ist, müsste der gesamte Aufsichtsrat zurücktreten – auch Wowereit und Platzeck.

Dass Schwarz bis zum Ablauf seines Vertrags Flughafenchef bleibt, gilt aber als unwahrscheinlich – auch wenn er bei vorgezogener Auflösung des bis 2016 laufenden Vertrags einen Anspruch auf eine Abfindung von wohl weit mehr als einer Million Euro haben dürfte. Angesichts der Gesamtkosten des BER spiele diese Summe auch keine große Rolle mehr, heißt es aus dem Gremium. K. Kurpjuweit/

Th. Metzner/R. Schönball

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