Brandenburg: Pläne und Puffer
Vom Flughafen bis zu den Flüchtlingen: Berlin und Brandenburg bereden viel und beschließen wenig
- Thorsten Metzner
- Ulrich Zawatka-Gerlach
Stand:
Es sind zwei vom gleichen Schlag. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller und Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) gelten als spröde, ihr Regierungsstil als pragmatisch, nüchtern, eher Problemlöser denn Blender. Beide verstehen sich gut, nun gab es erstmals seit drei Jahren wieder eine gemeinsame Kabinettssitzung – in Berlin. Und es zeigt sich: Wo Differenzen bestehen, sprechen es beide offen und ohne Groll aus. Ein Überblick über gemeinsame Politik, über Landespolitik, gemeinsame Projekte und Streitpunkte.
Dauerbaustelle Flughafen
Nach einer gemeinsamen Sitzung der Landesregierungen Müller: „Jede Spekulation, dass wir beim Flughafen BER nicht an einem Strang ziehen, läuft ins Leere.“ Es gebe keine Differenzen. Und Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) versicherte, dass „der Zeitplan für BER steht“. Er gehe „trotz der Schwierigkeiten im Einzelnen“ davon aus, dass der Flughafen wie geplant 2017 eröffnet werde. Überrascht wurden beide Regierungschefs aber von der Nachricht in den PNN, dass der Bund bei der EU-Kommission einen zusätzlichen Kapitalzuschuss von 2,5 Milliarden Euro zur Prüfung angemeldet hat. Bisher war von 2,2 Milliarden Euro die Rede. Müller bestätigte nun, dass die EU-Kommission die höhere Summe genehmigen solle. Die Erhöhung auf 2,5 Milliarden Euro habe rein finanztechnische Gründe, erklärte Müller. Es geht um einen Puffer für unterschiedliche Finanzierungsformen. Berlin und Brandenburg wollen die zusätzlichen Geldspritzen als Darlehen geben, der Bund bevorzugt eine direkte Kapitalzuführung. Wie berichtet werden die zusätzlichen 300 Millionen Euro fällig, weil Berlin und Brandenburg dieses Geld nicht selbst in das Projekt stecken wollen, sondern lediglich für entsprechende Kredite bürgen. Das erhöht die Zinslast des Flughafens.
Den Antrag stellte die Bundesregierung. Woidke hält dagegen, die neue Summe sei unter den Gesellschaftern – neben Berlin und Brandenburg der Bund – nicht abgestimmt gewesen. Gibt Brüssel grünes Licht, läge der Finanzrahmen für den Flughafen bei 6,8 Milliarden Euro – statt der 2 Milliarden Euro zu Baubeginn.
Eine spätere Erweiterung des Flughafens ist in der Summe nicht enthalten. Die Ausbaupläne sind ohnehin unklar. Zwar einigten sich beide Landesregierungen am Dienstag darauf, dass „mit Blick auf das erwartete Passagierwachstum eine Perspektivplanung für die Zeit nach der Inbetriebnahme erarbeitet werden soll“. Nähere Auskünfte, wann das geschehen soll und was es kostet, den neuen Airport auszubauen, gab es aber nicht. „Momentan wird alles der Fertigstellung untergeordnet“, so Müller.
Lärmschutz für die BER-Anrainer
Beide Regierungen – und damit die Hauptgesellschafter des BER – drängen auf ein höheres Tempo und weniger rigide Bewilligungen, um rechtzeitig vor BER–Eröffnung den Schallschutz der Anwohner zu sichern. „Die FBB wird aufgefordert, alles zu tun, um die bauliche Realisierung vor Inbetriebnahme des BER zu ermöglichen.“ Neu ist folgender Beschlusssatz: „Bei Härtefällen sollen ausgleichende Lösungen angestrebt werden.“ Das hat die FBB bislang abgelehnt. Beim Nachtflugverbot sind die Positionen unterschiedlich, Brandenburg will seine Ausweitung, Berlin lehnt das ab. Doch zeigt Berlin größeres Entgegenkommen als früher. Der Beschlusstext lautet nun, eine Art Formelkompromiss: „Brandenburg und Berlin sind sich einig, dass die betrieblichen Abläufe auch nach der Eröffnung des BER weiter ertüchtigt werden sollen, um die Nachtruhe der betroffenen Bürgerinnen und Bürger möglichst zu verbessern.“
Die ILA ist gerettet
Eine gute Nachricht konnten die Regierungschefs verkünden: Die Internationale Luftfahrtausstellung (ILA) ist für 2016 am bisherigen Standort Selchow (bei Schönefeld) abgesichert. In den Folgejahren soll sich das Konzept für die ILA aber ändern, schon wegen der Eröffnung des benachbarten Flughafens BER im Herbst 2017. Die Ausstellung macht Defizite, die von der landeseigenen Messe Berlin mitgetragen werden müssen. Auch deshalb gibt es zwischen beiden Ländern ernsthafte Differenzen über die zukünftige Gestaltung der ILA. Für Brandenburg ist die Luftfahrt eine strategisch wichtige Zukunftsbranche mit fast 20 000 Arbeitsplätzen. Deren Schaufenster ist die ILA. Woidke zeigte sich aber bereit, nach der BER-Eröffnung über den Standort und das Konzept neu zu verhandeln. Für die ILA 2016 soll versucht werden, die Kosten zu verringern.
Berliner Flüchtlinge ins Umland?
Im Streit um die Unterbringung von Flüchtlingen näherten sich Berlin und Brandenburg an. Wenn die bundesrechtlichen Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden, wäre Brandenburg grundsätzlich bereit, Flüchtlinge aus Berlin zu übernehmen. Bisher hatte die Potsdamer Landesregierung dies abgelehnt. „Berlin hat da besondere Probleme, das erkennen wir an“, sagte Woidke. Und Müller verwies auf „Einzelfallentscheidungen, die auf kommunaler Ebene ausgelotet werden müssen“. Einig sind sich beide Länder, dass der Bund in der Pflicht ist, nicht nur für die Unterbringung und Gesundheitsbetreuung, sondern auch für die Integration der Flüchtlinge (Kitas, Schulen, Ausbildung) finanziell aufzukommen.
Neue Braunkohletagebaue strittig
In der Energiepolitik liegen beide Länder weit auseinander. Beim Braunkohleabbau in Brandenburg werden sich Berlin und Brandenburg nicht einig. Die Bemühungen zur Entlastung der Spree von „bergbaubedingten Stoffen“ (Sulfate, Verockerung) sollen immerhin verstärkt werden. Grundsätzlich wurde in der Sitzung zur Energiepolitik aber keine Einigung erzielt. Deshalb soll erstmals seit Jahrzehnten eine Gemeinsame Landesplanungskonferenz beider Länder – eine Art Sitzung der Kernkabinette – und nach den Staatsverträgen das Gremium zur Krisenlösung solcher Konflikte einberufen werden. Brandenburg hält die Erschließung neuer Braunkohletagebaue – konkret Welzow-Süd II – für nötig und eine sichere, preiswerte Energieversorgung der nächsten Jahrzehnte bis 2030 für unverzichtbar, „solange der aus erneuerbaren Energien gewonnene Strom noch nicht in großem Umfang speicherbar ist“. Berlins Position ist dagegen, laut Vorlage: „Die Erschließung weiterer Braunkohletagebaugebiete widerspricht den Klimazielen Berlins und ist auch mit den Klimazielen der Bundesregierung nicht in Einklang zu bringen.“ Und der Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) aus der Verbrennung von 2000 Millionen Tonnen Braunkohle aus dem geplanten Tagebau Welzow-Süd II „entsprechen dem Ausstoß Berlins von zehn Jahren“. Der neue Tagebau „verschärft das Problem der Belastung der Spree unter anderem mit Sulfat und Eisen und stellt somit perspektivisch auch eine Gefahr für die Trinkwasserversorgung Berlins dar“.
Im gemeinsamen Beschluss einigten sich beide Kabinett schließlich auf folgende Formel: „Die Landesregierung Brandenburg und der Senat von Berlin verdeutlichen die jeweiligen Positionen (...) und vereinbaren eine frühzeitige gegenseitige Information über neue energiepolitische Strategien.“
Einigkeit beim Verkehr und Wohnungsbau
Besser zusammenarbeiten wollen beide Länder, um die sogenannten Wachstumsschmerzen in der Region zu bewältigen. So sollen die Angebote im Stadt-Umland-Verkehr (Regional- und S-Bahn) verbessert und erweitert werden, die Zahl der Pendler nimmt ständig zu. Der finanzielle Spielraum sei durch steigende Kosten und „immer weniger ausreichende Mittelzuweisungen“ des Bundes“ allerdings begrenzt. Beide Landesregierungen wollen sich zudem für bessere Verkehrsverbindungen nach Polen einsetzen. Bessere Abstimmungen über die Landesgrenze soll es angesichts wachsender Einwohnerzahlen und Zuzuges in Berlin und im Speckgürtel geben, etwa direkt zwischen den lokalen Verwaltungen bei der Abschätzung der Flächenpotenziale für den Wohnungsbau. (mit axf)
- Brandenburg
- Bundesregierung
- Der Berliner Flughafen BER
- Dietmar Woidke
- Kunst in Berlin
- Michael Müller
- Schule
- Schule und Kita in Potsdam
- SPD
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: