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Eineinhalb Wochen nach dem Aufsichtsratschef der Flughafengesellschaft, Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD;l) will sich nun auch Brandenburgs Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) für den BER-Skandal entschuldigen - ein bisschen zumindest.

© dapd

BER-Skandal: Platzeck räumt Kostenexplosion ein

In seiner Regierungserklärung muss Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) einräumen, dass sich die Kosten für den neuen Flughafen fast verdoppelt haben. Für das Desaster wird er sich wohl entschuldigen und Fehler einräumen - ein bisschen zuminmdest. Eigene Konsequenzen lehnt er ab.

Stand:

Potsdam – Beim Flughafenneubau in Schönefeld haben sich allein die Kosten für das Fluggastterminal von ursprünglich 630 Millionen Euro mittlerweile auf 1,2 Milliarden Euro  fast verdoppelt. Das muss Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) nach PNN-Informationen am Montagnachmittag auf einer Sondersitzung des Landtages in einer Regierungserklärung einräumen (ab 13 Uhr live im RBB).
Nach dem im Kabinett abgestimmten Entwurf für seine Regierungserklärung wird sich nun auch Platzeck für die auf kurzfristig auf nächstes Jahr verschobene Inbetriebnahme des BER in Schönefeld entschuldigen - eineinhalb Wochen nach Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) im Abgeordnetenhaus. Platzeck werde einräumen, dass der gute Ruf der Region erheblich Schaden genommen habe, Brandenburg und Berlin gäben daher im Moment ein schlechtes Bild ab. Geplant ist der Entschuldigungssatz: "Das haben die Menschen im Land nicht verdient und dafür entschuldige ich mich als Mitglied des Aufsichtsrates ausdrücklich.“
Doch es zeichnet sich ab, dass die Opposition im Landtag aus CDU, FDP und Grünen die im Entwurf etwa bei Verantwortlichkeiten, Fianzierungsrisiken und dem bislang fehlenden Lärmschutz im Umfeld des BER unpräzise Erklärung zerpflücken wird. Immerhin ist Platzeck Vizechef des Aufsichtsrates der Flughafengesellschaft.
Platzeck wird für die Blamage vor allem die Geschäftsführung verantwortlich machen. Diese habe den Aufsichtsrat selbst bei der Sitzung  am 20. April nicht über eine drohende Gefährdung des Starttermins am 3. Juni informiert. Eigene Konsequenzen lehnt er aber ab. Indirekt und allgemein will Platzeck zwar auch Versäumnisse des Aufsichtsgremiums eingestehen: „Hinterher ist man  klüger. Daher ist es natürlich aus heutiger Sicht so, dass wir noch misstrauischer hätten sein sollen.“  Gleichwohl, so die grundsätzliche Verteidigungslinie des  Regierungschefs, die sich mit der von Wowereit und dem Bundesvertreter Staatssekretär Rainer Bomba deckt, sei der „Aufsichtsrat nicht  für das operative Geschäft zuständig.“ Er persönlich werde seine Verantwortung „als Mitglied des Aufsichtsrates weiter wahrnehmen“ - also nicht aus dem Gremium, das die Geschäftsführung kontrollieren soll, zurücktreten. Er erwarte von der Flughafengesellschaft, „dass wir bei der Eröffnung keine Übergangslösungen mehr haben“, so Platzeck. „Wir werden keine Baustelle in Betrieb nehmen, sondern einen funktionierenden Flughafen.“ Und der werde „als modernster Flughafen Europas unser Land voranbringen.“

Platzeck wird indirekt bestätigen, dass der noch im Jahr 2009 mit 2,5 Milliarden Euro kalkulierte Airport knapp eine halbe Milliarde Euro teurer geworden ist und die Finanzierung des Flughafens durch Kostensteigerungen – noch unabhängig von den Mehrkosten infolge der Verschiebung – an Grenzen stößt. „Die verfügbaren Mittel sind weitestgehend entweder kassenwirksam verausgabt oder durch Verträge gebunden“, so Platzeck. „Ich finde das gegen Ende des Vorhabens auch nicht besonders überraschend.“ Konkret nennt er den 2,4-Milliarden-Kredit, 430 Millionen Euro Mittel der Anteilseigner, also der Länder Berlin, Brandenburg und dem Bund, sowie 530 Millionen vom Flughafen in  den letzten Jahren erwirtschaftete Eigenmittel. Laut Platzeck sind davon allerdings neben Ausstattungsinvestitionen für den BER auch Investitionen in die bisherigen Flughäfen Tegel und Schönefeld investiert worden. Für den Flugastterminal beträgt nach seinen Worten derzeit die Kostenprognose 1,2 Milliarden Euro, ohne die zwei im Bau befindlichen Abfertigungs-Pavillons und sicherheitsbedingte Umbauten, die weitere 50 Millionen Euro ausmachen würden. Den Kostenanstieg erklärt Platzeck mit der erweiterten Bruttogeschossfläche, aber auch „Standardsteigerungen im Laufe der Bauzeit“. Ob auf die Länder Berlin, Brandenburg und den Bund zusätzliche Nachschusspflichten hinzu kommen, lässt Platzeck offen. Niemand wisse 13 Tage nach der Verschiebung, „ob der Finanzrahmen ausreicht.“ Gleichwohl versichert Platzeck, dass „an den festgelegten Mitteln“ für den Lärmschutz auf jeden Fall festgehalten wird. Eingeplant sind dafür bislang 157 Millionen Euro, auf der letzten Sitzung war das Programm um 17 Millionen Euro aufgestockt worden, wobei selbst Brandenburgs Regierung zur Entschärfung der Konflikte von mindestens benötigten 30 Millionen Euro ausgeht. Bislang gibt es um den Willy-Brandt-Aiport fast keinen Lärmschutz, haben nach einem Controllingbericht vom März 2012 erst knapp 1300 Wohnungen Schallschutzfenster, gibt es erst 3900 gültige Kostenerstattungsvereinbarungen - bei knapp 25 000 Anspruchsberechtigten. Die jetzt zusätzlich zur Verfügung stehende Zeit müsse konsequent genutzt werden, fordert Platzeck, ohne Zahlen zu nennen,  „die Lärmschutzmaßnahmen weiter voranzutreiben – und zwar deutlich.“ Die „Schlagzahl“ müsse erhöht werden.

Mit keinem Wort will der Regierungschef nach dem Entwurf auch darauf eingehen, dass der Flughafen derzeit mit Billigung der Anteilseigner versucht, den geltenden, vom Bundesverwaltungsgericht bestätigten  Planfeststellungsbeschluss mit einem Änderungsverfahren auszuhebeln und die Schallschutzstandards in 14 000 Wohnungen der Umgebung damit senken will. Ein entsprechender Antrag liegt im brandenburgischen Infrastrukturministerium. Für den Fall der Ablehnung seines Vorstoßes beziffert der Flughafen in seinem  Antrag die dann drohenden Mehrkosten für teurere Schallschutzfenster und fällige Immobilienpreisentschädigungen auf 297 Millionen Euro, die im Finanzrahmen des 3,3 Milliarden-Euro-Projektes ebenfalls nicht eingeplant sind.

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