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Von Thorsten Metzner und Alexander Fröhlich: Redebedarf über Braunkohle
Im Landtag spricht sich nur die CDU für die CCS-Technologie und Kohlendioxid-Endlager aus
Stand:
Potsdam - Brandenburg sollte nach dem Willen der Christdemokraten die wegen unterirdischer Endlager für Kohlendioxid (CO2) umstrittene CCS-Technologie nun im Alleingang entwickeln und anwenden lassen, selbst wenn andere Länder wie Schleswig-Holstein oder Niedersachsen das wegen Bevölkerungsprotesten und Sicherheitsbedenken ablehnen. „Brandenburg kann Technologieführer werden“, sagte CDU-Landes- und Fraktionschefin Saskia Ludwig am Donnerstag. „Wir verspielen sonst einen Wissens- und Forschungsvorsprung.“ Es sei „erstaunlich, wie sich die rot-rote Landesregierung da herauswindet“.
Es war der Tag danach. Und so ein klares Pro-CCS-Plädoyer wie Ludwig formulierte sonst niemand. Ganze 24 Stunden zuvor hatte die schwarz-gelbe Bundesregierung ein CCS-Gesetz vorgelegt, das den Bundesländern einräumt, CO2-Endlager abzulehnen. Die CDU-regierten Länder Schleswig-Holstein und Niedersachsen, wo die CDU als Volkspartei um ihre Mehrheit fürchtet, wollen davon Gebrauch machen. Brandenburg war das einzige Bundesland, das auch unter Rot-Rot trotz Widerständen der Linken an CCS festgehalten hatte, zumindest bislang. Prompt kam es am Donnerstag – das Thema stand auf CDU-Antrag kurzfristig auf der Tagesordnung – zum Schlagabtausch im Landtag, der sich vor allem um Versäumnisse des Bundes (Rot -Rot) und des Landes (CDU, FDP, Grüne) drehte.
Die entscheidenden Fragen aber wurden eher am Rande gestreift: Welche Konsequenzen hat die neue Entwicklung für das Land selbst? Folgt aus dem Aus der CCS-Technologie, worauf sich auch Rot-Rot einstellt, nun der schnelle Ausstieg aus der Braunkohle? Und ab wann? Müssen trotzdem noch Dörfer abgebaggert werden? „Wir müssen darüber reden, ob die Braunkohleverstromung auslaufen muss“, sagte Linke-Fraktionschefin Kerstin Kaiser. Der Grüne-Abgeordnete Michael Jungclaus verkündete: „Wir erleben heute den Anfang vom Ende der Braunkohle.“ Platzeck müsse sich entscheiden, ob er als „Landesvater der Energiewende“ in die Annalen eingehe oder „als letzter Kämpfer für die Braunkohle.“
Eigentlich sollte CCS ab 2025 die „Dreckschleudern“ wie das Braunkohle-Kraftwerk Jänschwalde klimafreundlich machen. Der Energiekonzern Vattenfall, der mit Strom aus Braunkohle Millionengewinne macht, hat daran ein handfestes betriebswirtschaftliches Interesse – da bald durch Zertifikate für CO2-Emmissionen saftige Millionen-Zahlungen fällig werden. Eigentlich ist ab 2025 in Jänschwalde ein CCS-Ersatzneubau geplant: Eine Prognose, ob Vattenfall unter den neuen Bedingungen daran festhält, wollte Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) schon nicht mehr abgeben. Auch Tagebaue bleiben umstritten.
Der Braunkohlenausschuss hat gestern in Cottbus eine Entscheidung zum Beteiligungsverfahren für den Tagebau Welzow-Süd II vertagt, wo Vattenfall ab 2025 Braunkohle für das Kraftwerk Schwarze Pumpe fördern will. Grund ist die harsche Kritik von Vertretern betroffener Kommunen am Entwurf des Braunkohlenplanes. Im Umweltprüfbericht etwa spielt der Verbleib des bei der Kohle-Verstromung entstehenden CO2 keine Rolle, obwohl Rot-Rot keine neuen Kraftwerke und Tagebau ohne CCS mehr genehmigen will.
Die Bürgermeisterin der Stadt Welzow (Spree-Neiße), Birgit Zuchold (SPD), forderte Nachbesserungen von Vattenfall. Petra Rösch, Ortsvorsteherin des Welzower Stadtteils Proschim, dem die Abbaggerung droht, äußerte Zweifel an der energiepolitischen Notwendigkeit des Tagebaus. „Wir kämpfen für den Erhalt des Dorfes“, sagte sie. Nach den Plänen von Vattenfall müssen 810 Welzower bis 2020 umgesiedelt werden. Durch den neuen Tagebau würde die Stadt zur Halbinsel am Grubenrand. Zu Beginn der Sitzung hatten Einwohner aus Welzow vor dem Tagungsort protestiert. Sie forderten Entschädigungen für den Wertverlust ihrer Grundstücke. René Schuster, der für die Umweltverbände im Braunkohlenausschuß sitzt, sagte: „Vattenfall hat eine Schlappe erlitten. In Welzow glauben die Menschen nicht mehr an die Notwendigkeit neuer Tagebaue.“ Zudem sei das neue CCS-Gesetz eine „Weichenstellung für den Ausstieg aus der Braunkohle“.
Zumindest hat Rot-Rot in puncto CCS seinen Kurs nun geändert. Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), eigentlich ein CCS-Befürworter, lehnte einen Alleingang Brandenburgs strikt ab. Es sei „politisch undenkbar“, Akzeptanz für eine Technologie zu erreichen, wenn die in einem anderen Bundesland aus Sicherheitsgründen nicht eingesetzt wird. Daher sei es ein „Nonsens-Gesetz“, das der Bund da vorgelegt habe. Platzeck sieht Deutschland und Brandenburg vor einer Zäsur. Die bisherige zentralistische Energieversorgung über Atom- oder Kohlekraftwerke habe punktuelle Belastungen mit sich gebracht. „Im Rest der Republik kam der Strom aus der Steckdose.“ Mit erneuerbaren Energien, mit denen kein anderes Land so viele Erfahrungen habe wie Brandenburg, werde Energieproduktion dezentral – mit flächendeckenden Belastungen. „Wir müssen die Kraft haben, die Ernegiedebatte ehrlich zu führen: Wir können nicht mehr garantieren, dass man nichts sehen, hören und riechen wird.“ CDU-Energieexperte Steeven Bretz warf Platzeck vor, kein Energiekonzept für das Land vorgelegt zu haben. Außerdem sei es „ein schwerer administrativer Fehler gewesen“, die „Zukunft der Braunkohle an CCS zu koppeln.“ Genau das hatte Platzeck bislang immer getan.
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