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Von Alexander Fröhlich und Thorsten Metzner: Rot-Rot geht auf Abstand zu CO2-Endlagern

Brandenburg lehnt Alleingang bei umstrittener CCS-Technologie ab – und will gegen Bundesgesetz stimmen

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Potsdam - Brandenburgs rot-rote Regierung lehnt einen bundesweiten Alleingang bei der CCS-Technologie und den umstrittenen Kohlendioxid-Endlagern entschieden ab. Das haben Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und Vize-Regierungschef Helmuth Markov (Linke) am Dienstag gegenüber den PNN klargestellt. Zuvor hatte das schwarz-gelbe Bundeskabinett nach monatelangem Verzug kurzfristig ein CCS-Bundesgesetz verabschiedet, mit dem die Abscheidung von Kohlendioxid (CO2) in Braunkohle-Kraftwerken und die unterirdische Verpressung geregelt wird. Brandenburg will dieses Gesetz im Bundesrat ablehnen, weil es Bundesländern ausdrücklich einen Verzicht auf CCS und unterirdische Kohlendioxid-Endlager einräumt, gegen die es massive Proteste von Bürgerinitiativen gibt.

Die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein, in denen es große Speicherstätten gibt, lehnen CCS ab. „So kann nationale Energiepolitik nicht aussehen, so funktioniert es nicht“, sagte Platzeck. „Brandenburg selbst ist kein Speicherland. Wenn aber CO2-Speicherung in Deutschland nicht möglich ist, kann man das Thema abhaken.“ Allerdings rechne er damit, dass in die Debatte über Konsequenzen des Atomausstieg für Deutschlands Energieversorgung noch einmal „Dynamik kommt“. Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) stellte klar, dass die Landesregierung auf Grundlage eines solchen Bundesgesetzes „kein eigenes Landesgesetz“ verabschieden wird, um CCS zu ermöglichen. „Wir schlagen keinen Sonderweg ein.“

Im südbrandenburgischen Jänsch- walde plant der Energiekonzern Vattenfall ein von der EU gefördertes CCS-Demonstrationskraftwerk und will von dort das Klimagas in die Lagerstätten in Ostbrandenburg pumpen. Dafür sind Investitionen von 1,5 Milliarden Euro vorgesehen. Bislang betreibt Vattenfall in Spremberg (Spree-Neiße) seit 2008 eine Pilotanlage. Rot-Rot hatte die Zukunft der Lausitzer Braunkohle immer mit einer deutlichen Verringerung des CO2-Ausstoßes verbunden. Der Energiestrategie zufolge soll die CO2-Emission bis 2020 um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken.

Mit den Aussagen der Koalitionsspitzen stellt sich nun auch Rot-Rot auf ein Scheitern der CCS-Technologie ein. Die hatte Rot-Rot bislang vorangetrieben, wogegen es besonders bei den Linken heftige Widerstände gibt. Die SPD hatte die Erforschung von CCS aber im Koalitionsvertrag durchgedrückt. Daher will Grünen-Fraktionschef Axel Vogel nicht recht an einen Kurswechsel glauben: „Mal sehen, ob die Koalition nicht einknickt, wenn Vattenfall richtig Druck macht.“ Es sei „wunderbar“, dass CCS nun „fast tot“ sei. Dagegen forderte der CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Köppen Brandenburg auf, CCS im Alleingang entwickeln zu lassen: „Brandenburg hat die Chance, die Technologieführerschaft zu übernehmen.“ Die Landesregierung müsse nun „Farbe bekennen, sie ist am Zuge“, sagte CDU-Energieexperte Steeven Bretz. Ähnlich äußerte sich FDP-Fraktionschef Andreas Büttner. „Die Anwendung steht doch erst am Schluss.“

Platzeck sagte, von den drohenden Problemen mit der Ausstiegsklausel wisse die Bundesregierung, die sich offenbar eine weiße Weste gegenüber der EU verschaffen wolle. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warf er „schlechten Stil“ vor. Es sei „politisch inakzeptabel“, jetzt einen solchen Entwurf zu beschließen und die Ministerpräsidenten erst am Freitag zu einem Energiegipfel ins Kanzleramt einzuladen. Christoffers warnte vor einem gefährlichen „Präzedenzfall“ in der Energiepolitik. Die Erprobung der Technologie sei ein „wichtiges Vorhaben“. Es sei zu befürchten, „dass bei umstrittenen Themen – wie beispielsweise dem Netzausbau – Bundesgesetze mit ähnlichen Ausstiegsklauseln erlassen werden. Dies würde den dringend notwendigen Umbau der Energieversorgung bremsen.“

Vattenfall hält indes an seinen Plänen in Brandenburg fest, wie eine Konzernsprecherin bekräftigte. Der Gesetzentwurf trage allerdings nicht dazu bei, die Akzeptanz bei den Bürgern zu erhöhen. „Die letzte Messe ist aber nicht gesungen, Bundestag und Bundesrat sind jetzt am Zug“, sagte die Sprecherin. Vattenfall habe zudem Probleme mit unklaren Gesetzesregelungen zur Haftung und Rechtssicherheit für CO2-Speicher.

Die CCS-Gegner aus Ostbrandenburg und Umweltverbände dagegen glauben noch nicht an einen Erfolg und forderten die Landesregierung auf, von der Ausstiegsklausel Gebrauch zu machen. Sie fürchten unter anderem eine Verseuchung des Grundwassers und Lecks in den Endlagern. Der Protest in den betroffenen Speicher-Regionen um Neutrebbin (Märkisch-Oderland) und Beeskow (Oder- Spree) geht weiter: In Neutrebbin im Oderbruch ist für den 23. April ein „Ostermarsch gegen CO2-Endlager“ geplant.

Axel Kruschat, Geschäftsführer des Umweltverbandes Bund, sagte, jetzt habe die Landesregierung noch die Möglichkeit, aus der CCS-Technologie auszusteigen. „Dafür gibt es genügend Gründe, die auch bei Protesten der Bevölkerung gegen eine CO2-Verpressung genannt werden. Wir brauchen diese Technologie nicht, weil sie zu gefährlich ist.“ Stattdessen sollten die erneuerbaren Energien ausgebaut und Energie effizienter eingesetzt werden. „Der CCS-Gesetzentwurf ist eindeutig eine Lex Brandenburg“, erklärte Udo Schulze von der Initiative „CO2-Endlager stoppen“. Jetzt sei es an der Zeit, sich von der Braunkohle zu verabschieden.

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