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Brandenburg: Sondereinsatz auf dem Lausitzring

Polizisten aus acht Staaten tauschen in Brandenburg ihre Erfahrungen aus. Und Spezialkräfte demonstrierten eine Geiselbefreiung

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Polizisten aus acht Staaten tauschen in Brandenburg ihre Erfahrungen aus. Und Spezialkräfte demonstrierten eine Geiselbefreiung Von Claus-Dieter Steyer Klettwitz. Buchstäblich ihre internationale Feuertaufe hat die Elite der Brandenburger Polizei am Mittwoch auf dem Lausitzring bestanden. Vor Kollegen aus acht Ländern zeigte ein 50-köpfiges Sondereinsatzkommando erstmals sein Können bei der Verfolgung bewaffneter Geiselnehmer. Mit viel Pyrotechnik, Krach und schwerer Technik probten die Beamten einen Ernstfall auf einer Landstraße und auf der Autobahn. Rund 50 Kollegen aus Dänemark, den Niederlanden, Österreich und aus den EU-Beitrittsländern Litauen, Polen, Ungarn, Tschechien und der Slowakei zollten hinterher Beifall. Noch bis zum Freitag tauschen die Sicherheitskräfte in Potsdam ihre Erfahrungen mit deutschen Experten aus und knüpfen Kontakte. Das erstmals stattfindende Seminar ist Teil des EU-Programms AGIS, das der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der Polizei dient. 65 Millionen Euro stehen dafür in den nächsten Jahren zur Verfügung. Der Anlass der gestrigen Übung auf dem Lausitzring liegt fast zwei Jahre zurück. Im niedersächsischen Wrestedt hatten drei Russlanddeutsche eine Sparkasse überfallen und zwei Angestellte als Geisel genommen. Mit ihrem Fluchtauto rasten sie über die Autobahnen Mecklenburg-Vorpommerns und Brandenburgs nach Polen und anschließend in die Ukraine. Dort erst konnte die Polizei dem Drama ein Ende machen und befreite eine 25-jährige Frau, nachdem ihrer 14 Jahre älteren Kollegin schon bei einem Tankstopp in Polen die Flucht gelungen war. Damals zeigten sich noch viele Hürden in der Zusammenarbeit gerade mit osteuropäischen Polizei-Dienststellen. „Seitdem hat sich viel verändert“, sagte Axel Lüders, Direktor des Brandenburgischen Landeskriminalamtes. „Zwar bestehen die sprachlichen Barrieren fort, aber die Absprachen mit den polnischen Kollegen müssen nicht mehr in jedem Fall über die Zentrale in Warschau erfolgen.“ Es bestünden inzwischen viele direkte Kontakte zu den Wojewodschaften hinter der Grenze. Schließlich vernetze sich auch das organisierte Verbrechen international immer stärker. „Die Polizei holt auf“ Nach der EU-Erweiterung Anfang Mai erwartet Lüders jedoch keine Zunahme der Kriminalität. „Die Polizei holt auf“, sagte der LKA-Chef – und das stellten seine Beamten in zwei Übungen auf der Autorennstrecke des Lausitzringes unter Beweis: Vor einem heranrasenden „Fluchtfahrzeug“ sollten zwei Beamten hinter ihrem Versteck – zwei Mülltonnen – hervorspringen und zwei mit Nägeln präparierte Bänder vor dem Auto ausrollen – während fast im gleichen Augenblick per Fernzündung mehrere Sprengkörper detonierten, die eine riesige Feuerwand vor dem Wagen des angeblichen Geiselnehmers auslösten. „Wir müssen die optischen und akustischen Sinne der Täter irritieren“, erklärte Einsatzleiter Jörn Preuß die Taktik. „Er muss durch den Krach und den plötzlichen Lichtblitz so geschockt sein, dass er instinktiv auf die Bremse tritt.“ Die Übung klappte tadellos. Das Auto kam zum Stehen, Elite-Polizisten, die sich in gewöhnlichen Baufahrzeugen versteckt hatten, stürzten heraus und überwältigten den Fahrer des Wagens. Nicht weniger spektakulär war eine Verfolgungsfahrt, die sich in solcher Form jederzeit auf den Autobahnen rings um Berlin ereignen könnte: Zuerst nehmen sieben zivile Polizeifahrzeuge die so genannte Sichtobservation auf. Längere Zeit fahren sie in einem gewissen Abstand hinter dem Täter-Auto her – bis der Einsatzchef per Funk das Signal ans „Zugriffskommando“ gibt. Die sieben, sich bis dahin unauffällig im Hintergrund bewegende Autos beschleunigen, holen das Fluchtfahrzeug ein und nehmen es von vorn und von der Seite in die Klemme. Nun liegt die ganze Verantwortung auf dem Fahrer des ersten Polizeiwagens. Er zählt fünf Sekunden, drückt dann den entscheidenden Knopf. In seinem Kofferraum montierte Feuerwerkskörper explodieren, schocken die Insassen des Entführer-Autos mit lautem Knall und blenden sie mit hellem Lichtschein, der Polizist im ersten Wagen bremst und lässt das Täter-Fahrzeug auffahren, stoppt es so. Sofort springen schwer bewaffnete Polizisten aus den anderen Autos, zerren den Fahrer und seine Geisel aus dem Wagen und werfen sie zu Boden. In der Übung auf dem Lausitzring fuhren die „Entführer“ mit Tempo 60 auf den Polizeiwagen auf. Im Ernstfall müssen die Spezialkräfte die Situation aber auch bei Geschwindigkeiten von 180 bis 230 Kilometern pro Stunde beherrschen. Ein Angehöriger einer polnischen Spezialeinheit kommentierte die Übung kurz und knapp: „Viel Rauch und Krach. Das können wir auch. Nur schade um die schönen Autos.“ Doch Einsatzleiter Preuß konnte ihn beruhigen. Auch Brandenburgs Polizei müsse sparen und deshalb seien nur schrottreife und längst ausgemusterte Autos verwendet worden. Das ganze Seminar, einschließlich der beiden Übungen, kostet 66 000 Euro – bezahlt von der Europäischen Union.

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