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Gesetzesverschärfung. Gewalt gegen Polizisten soll härter bestraft werden.

© dpa

Regierung in Brandenburg: Umgang mit Gewalt gegen Polizei entzweit Rot-Rot

Der Bundesrat befasst sich am Freitag mit einer Strafverschärfung für Angriffe auf Polizisten. Wie Brandenburg dazu steht, will Rot-Rot in letzter Sekunde entscheiden. Nicht nur Justizminister Stefan Ludwig hat Bedenken.

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Potsdam - Wie sich Brandenburgs rot-rote Landesregierung am Freitag im Bundesrat zur Gesetzesverschärfung für Gewalttaten gegen Polizisten und Rettungskräfte verhält, soll im Zweifelsfall erst kurz vor der Abstimmung feststehen. Das sagte Regierungssprecher Florian Engels am Donnerstag den PNN. Es gibt jedoch Überlegungen, dass Brandenburg der Novelle auch zustimmen könnte – und dennoch einen Koalitionskrach umschifft. Denn in der Länderkammer könnte, so hieß es aus der Landesregierung, die vom Bundeskabinett von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) beschlossene und von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) erarbeitete Gesetzesnovelle des Strafgesetzbuches auch die Mehrheit verfehlen.

Innenminister Schröter attackierte die Linke

Wenn die Stimme Brandenburgs nicht ins Gewicht fällt, wäre also auch eine Zustimmung möglich. Zudem könnte sich die Debatte zunächst auf kleine Änderungen am Gesetzentwurf beschränken. Ebenfalls noch nicht klar war am Donnerstag, wie sich Brandenburg zur Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer von Asylbewerbern verhält. Sollte es in letzter Sekunde zu keiner Einigung zwischen Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und seinem Vize Christian Görke (Linke) kommen, müssten sie sich enthalten. Nach Artikel 51 des Grundgesetzes ist eine unterschiedliche Stimmabgabe von Vertretern eines Landes auch gar nicht zulässig.

Die SPD und CDU in Brandenburg setzen zwar wie in der großen Koalition im Bund auf die verschärften Gesetze. Die Linke in Brandenburg sieht jedoch keinen Bedarf. Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) hatte sich am Mittwoch vehement für die Strafverschärfung bei Gewalt gegen Polizisten ausgesprochen. Denn die Zahl der Angriffe auf Polizisten war im vergangenen Jahr in Brandenburg erstmals auf mehr als 1000 Fälle gestiegen.

„Wer sich dieser im Bundesrat eingebrachten Initiative verschließt, verschließt die Augen vor Straftaten gegen Beamte und will sie auch nicht besser schützen“, hatte Schröter gesagt. Er erwarte, „dass wir uns im Land Brandenburg“ klar positionieren. „Wir müssen deutlich machen: Wer Polizisten angreift, greift den Staat an, greift uns alle an“, hatte der Innenminister erklärt. „Da darf es keine falsche Toleranz geben.“ Polizistinnen seien in besonderer Weise Übergriffen ausgesetzt.

Gewerkschaft und CDU fordern von Rot-Rot klares Zeichen

Rückdeckung erhält Schröter dabei von der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Wenn Beamte angegriffen werden, müsse der Staat „ein klares Zeichen gegen die Verrohung in der Gesellschaft setzen“, sagte GdP-Landesvize Jörg Göhring. Er forderte, die Landesregierung müsse sich geschlossen hinter ihre Polizisten und Rettungsdienste stellen und im Bundesrat dem Gesetzentwurf zustimmen.

CDU-Fraktionschef Ingo Senftleben erklärte: „Ministerpräsident Woidke muss ein Machtwort sprechen und dem Innenminister den Rücken stärken.“ Die Zustimmung im Bundesrat wäre ein klares Signal des Respekts und der Wertschätzung „für die Menschen, die uns täglich schützen“, sagte Senftleben. „Das ist weit wichtiger als die taktische Rücksichtnahme auf den linken Koalitionspartner.“

Die Gesetzesnovelle sieht den neuen Paragrafen 114 „Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte“ vor. Demnach sollen Angriffe auf Polizisten bei einfachen Diensthandlungen wie Streifenfahrten und Unfallaufnahmen, aber auch aus Demonstrationen heraus mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden können, nicht nur bei Vollstreckungshandlungen wie Festnahmen. Strafverschärfend als „besonders schwerer Fall“ soll auch das Tragen einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs werden, unabhängig davon, ob dies eingesetzt werde oder ob überhaupt die Absicht besteht.

Strafrechtler und Justizminister sehen keinen Bedarf für Verschärfung

Die Linke sieht das ganz anders: Aus Sicht des kleineren Koalitionspartners würden schärfere Strafen nicht zu einem besseren Schutz der Beamten führen. Auch in der Fachwelt sind die Vorschläge umstritten. Strafrechtler von der Universität Potsdam hatten bereits gewarnt, die Novelle sei nur ein symbolhaftes politisches Signal. Es würden keine Taten zusätzlich aufgeklärt und es sei schädlich, wenn der Rechtsstaat so tun würde, als ob er etwas tut. Für diese Abschreckungswirkung des Strafrechts – so der Stand der kriminologischen Forschung – sei nicht die Höhe der angedrohten Strafe entscheidend, sondern der Grad der Entdeckungsgefahr. Und die hänge an der Personalausstattung von Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichten.

Auch Brandenburgs Justizminister Stefan Ludwig (Linke), der derlei Gesetzesnovellen rechtlich prüfen muss, sieht keinen Bedarf für schärfere Gesetzesregeln. Der vorliegende Entwurf „ist nach fachlicher Meinung nicht geeignet“, Polizeibeamte und Rettungskräfte vor gewaltsamen Angriffen besser zu schützen. „Da keine Strafbarkeitslücken ersichtlich sind, besteht zum einen keine Notwendigkeit für die geplanten Änderungen“, sagte Ludwig den PNN. Die „Umgestaltung der Widerstandsdelikte“, insbesondere der geplante neue Straftatbestand „Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte“ mit verschärften Strafen, führe zudem „zu erheblichen Auslegungsproblemen, die die Rechtspraxis vor kaum lösbare Herausforderungen stellt“. Auf den tätlichen Angriff auf Beamte - für den eine tatsächliche Verletzung des Beamten keine Voraussetzung ist - würde eine Mindestfreiheitsstrafe von drei Monaten stehen. Dabei beinhalte diese Straftat auch die versuchte Körperverletzung. Doch für eine einfache, vollendete Körperverletzung - die laut Ludwig schwerer wiegt - liegt das Minimum nur bei einer Geldstrafe. Dies sei, sagte der Minister, „wertungswidersprüchlich“.  

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