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Dietmar Woidke, SPD, Ministerpräsident von Brandenburg

© Thilo Rückeis TSP

Brandenburg: „Was heißt cool?"

Seit bald drei Jahren ist Dietmar Woidke Ministerpräsident in Brandenburg. Im großen PNN-Sommer-Interview spricht er über die Kreisgebietsreform, das Verhältnis zu Linke und CDU, die Chance einer BER-Eröffnung noch 2017 und den Umgang mit Flüchtlingen und der AfD.

Stand:

Ein junger Afghane ist für das Axt-Massaker im Namen des IS in einem bayrischen Regionalzug verantwortlich. Lässt das die Stimmung gegenüber Flüchtlingen auch in Brandenburg weiter kippen? 

Ein so schrecklicher Anschlag beeinflusst Stimmungen, schürt zusätzlich Vorurteile und Ängste. Das ist vollkommen klar. 

Was tun? 

Die Konsequenz kann trotzdem nur sein: Wir werden noch mehr Arbeit in die Integration stecken müssen, auch mit dem Bündnis für Brandenburg. Es hilft ja nichts, jetzt zu verzweifeln oder damit aufzuhören. Man darf nie vergessen: Der größte Teil der Menschen, die bei uns Zuflucht suchen, ist vor Krieg und Terror geflohen. 

Nach einer aktuellen Umfrage sind für die Brandenburger die Flüchtlinge mittlerweile das drängendste Problem. 

Das war zu erwarten. Wir haben im Land die Pflicht, die Flüchtlinge unterzubringen, zu versorgen, wieder geordnete Verhältnisse herzustellen, schnell und gut bewältigt. Die Kür, eine Integration in die Gesellschaft, wird länger dauern. 

Wo steht das Land dabei jetzt? 

Dank der Unterstützung aus der Wirtschaft, von Kammern, Gewerkschaften, Kirchen und Verbänden sind wir auf einem guten Weg. Trotzdem ist es hierzulande immer noch eine neue Erfahrung, dass so viele Menschen gleichzeitig zu uns kommen und integriert werden. In der jüngeren Geschichte Brandenburgs gab es das ja nie. Manche fragen sich, ob und wie das gelingen kann. Manche lehnen dies auch ab. Da gibt es für uns noch viel zu tun. 

Die AfD hat auch in Brandenburg zugelegt, lag zuletzt bei 20 Prozent, noch vor den Linken. Was ist Ihr Rezept dagegen? 

Die AfD setzt auf Ängste, auf Vorurteile, die in Teilen der Bevölkerung verbreitet sind. Am wirksamsten dagegen halten kann man nur, wenn man Begegnungen organisiert, man sich kennenlernt, am Arbeitsplatz, im Sportverein, bei der Feuerwehr, aber auch schon in Kita, Schule und während der Ausbildung. 

Dann tauchen im Alltag bis dato unbekannte Konflikte auf, etwa wenn Frauen von Muslimen der Händedruck verweigert wird. Muss man offensiver mit diesen Problemen umgehen? 

Ja. Die Integration der Flüchtlinge bleibt für die gesamte Bundesrepublik eine riesige Herausforderung. Ich wünsche mir, dass die Kanzlerin das deutlicher ausspricht. Durchhalteparolen helfen nicht weiter. Und denen, die zu uns kommen, müssen wir eben auch klar sagen: Deutschland ist ein Land, in dem Regeln gelten. Dazu gehört, dass Frau und Mann gleichberechtigt sind. Das ist ein unerschütterlicher Grundwert. Wir erwarten von jedem, ob Einheimischer oder Gast, dass er diese Regeln achtet. 

Brandenburg hat, wie Bundeschefin Frauke Petry in Kremmen sagte, neben Thüringen eine strategische Rolle für die AfD. Hier soll es nach 2019 erste AfD-Regierungsbeteiligungen geben. Spinnerei? 

Ich würde mich ja freuen, wenn die AfD mal Verantwortung übernimmt. Das tut sie ja schon in der Opposition nicht. In Brandenburg hat sie kein Konzept für Wirtschaft, keins für Soziales, kein nachvollziehbares Parteiprogramm. Ich sehe da außer populistischen Thesen relativ wenig an Strategie, dafür umso mehr Stimmgewirr. 

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Sie regieren Brandenburg seit 2013. Damals haben Sie gesagt, dass Sie Ihre „eigene Furche“ ziehen wollen. Welche Note würden Sie sich und Ihrer Regierung aktuell selbst geben? 

Es ist schwierig, sich selbst zu bewerten oder gar zu benoten. Nach den Parametern, die für die Menschen im Land wichtig sind, ist Brandenburg gut vorangekommen. So ist die Arbeitslosigkeit deutlich unter acht Prozent gesunken. Wir dürfen uns trotzdem nicht zurücklehnen. Denn auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten wird uns nichts geschenkt, zumal wir inzwischen eine Zeit haben, in der verschiedene Politikbereiche fließend ineinander übergehen müssen. 

Was meinen Sie damit? 

Als ich in den 90er-Jahren als Abgeordneter im Landtag angefangen habe, gab es die Bildungspolitik. Es gab eine Wirtschaftspolitik. Beides hatte wenig miteinander zu tun, bis auf den Streit um das wenige Geld. Heute ist die Bildungspolitik die wichtigste Basis für die Wirtschaftspolitik. Und alles zusammen ist auch Sozialpolitik. Die Anforderungen an die Politik, an die Regierung und an die Verwaltung sind mit dieser Komplexität deutlich gestiegen.

Zugleich sind Sie abhängig von nicht beeinflussbaren weltweiten und europäischen Trends, von Zinsen, vom Bund. 

Das will ich auch gar nicht verhehlen. Aber mit diesen Rahmenbedingungen müssen alle umgehen. Und es gehört auch zur Wahrheit, dass sich nicht alle Bundesländer so gut entwickelt haben wie Brandenburg. Dieser Erfolg basiert auf der Durchsetzungskraft, dem Willen und der Ausdauer der Brandenburger.

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Gemessen am von Ihnen eben formulierten Anspruch: Was hätte in der Regierungspolitik in jüngster Zeit besser laufen müssen? 

Ganz klar: Bei der Verwaltungsstrukturreform hätten wir stärker mit der Gesellschaft insgesamt kommunizieren müssen, und zwar in der Breite. 

Aber es gab ein Jahr lang bundesweit ein einmaliges Dialog- und Beteiligungsverfahren. 

Sicher, wir hatten eine intensive Kommunikation, auch viele Veranstaltungen von Ministern, von mir selbst, aber: Dort artikulierten sich vor allem Hauptverwaltungsbeamte und ihre Mitarbeiter. Und dass die verunsichert sind, ist nachvollziehbar, selbst wenn niemand fürchten muss, seinen Job zu verlieren. Die Leute bewegen ganz persönliche Fragen wie: Wo wird mein Arbeitsplatz sein? Mit wem werde ich arbeiten? Kriege ich vielleicht einen neuen Chef? Klar, dass da die Begeisterung gebremst ist. 

Bislang wird die Reform zu technokratisch, zu eng diskutiert? 

Ja. Dabei stellt sich doch eine grundsätzliche Frage: Was ist nötig, damit sich Brandenburg auch in den nächsten Jahrzehnten weiter gut entwickeln kann? Nehmen wir nur einmal die Lausitz: Ist die heutige Verwaltungskarte, mit Cottbus, Spree-Neiße, Oberspreewald-Lausitz und einem Stückchen Dahme-Spreewald, also eine Region mit vier Verwaltungen, tatsächlich geeignet, den anstehenden tiefgreifenden Strukturwandel zu meistern? Nein! Diese Strukturen sind schon vor zehn, fünfzehn Jahren an ihre Grenzen gestoßen. Diese Reform ist gerade für die Lausitz eine riesige Chance, endlich eine starke Region zu werden, gemeinsam nach Außen aufzutreten und Projekte zu entwickeln, die hier zusätzliche Industriearbeitsplätze für die kommenden Jahrzehnte schaffen. Für Brandenburg an der Havel, für Frankfurt an der Oder gilt das ähnlich. 

„Ganz klar: Bei der Verwaltungsstrukturreform hätten wir stärker mit der Gesellschaft insgesamt kommunizieren müssen, und zwar in der Breite“

Sie legen sich ja plötzlich für die Reform richtig ins Zeug. Das war letzte Woche im Landtag, ja in den letzten Monaten nicht so. Haben Sie die Zügel bei der Reform zu locker gelassen? 

Nein! Wir standen ja permanent miteinander in Kontakt. Ich selbst habe eine ganze Reihe von Veranstaltungen gemacht. 

Die SPD hat das Selbstverständnis, die „Brandenburg-Partei“ zu sein. Wie kann es da passieren, dass diese Reform selbst von der SPD-Kommunalebene, von den Landräten, Oberbürgermeistern, Kommunalvertretern und kommunalen Spitzenverbänden geschlossen abgelehnt wird, zu zwei Dritteln von der Bevölkerung sowieso? 

Und trotzdem erwarten die Leute, dass eine Regierung das tut, was sie tun muss, auch wenn es auf den ersten Blick unbequem ist. Nämlich, dass sie dieses Land auf die kommenden Jahre und Jahrzehnte vorbereitet. Ich bin da wirklich nicht besorgt. 

Das nehmen wir Ihnen nicht ab! 

Ich hüte mich vor Stimmungsmache und setze auf Fakten und Gespräche. Die Brandenburger sind größtenteils zufrieden mit der Arbeit der Landesregierung, das zeigen die letzten Umfragen deutlich.

Was lässt Sie so cool bleiben? 

Was heißt cool? Brandenburg weiß mit dem Leitbild, wo es hingehen soll, der Rahmen ist gesetzt. Das Wie wird jetzt intensiv erarbeitet. Bisher hatten es die Gegner doch auch relativ leicht, weil alles noch vage war. Die eine Verteidigungslinie war doch: Egal, was Du uns heute erzählst, es ist ja längst nicht beschlossen! Und die zweite lautete, wenn man klare Zusagen gegeben hatte: Ihr habt ja schon alles beschlossen! Ihr tut nur noch so, als ob Ihr mit uns diskutiert! 

Warum soll sich das jetzt ändern? 

Mit der Basis des Leitbildes, mit dem Geld, das wir bereitstellen, werden die finanziellen Auswirkungen auf die Landkreise und die kreisfreien Städte klar sein. Auch die neuen Verwaltungsstrukturen werden Gestalt annehmen und die Unsicherheiten bei vielen Beschäftigten werden verschwinden. Ich bin überzeugt davon, dass wir auch künftig das Niveau und die Qualität der Dienstleistungen, der Behördenverfahren sichern müssen. Das ist ein wesentliches Ziel der Reform. Sie können ja mal fragen, wie viele Bewerbungen kommen, wenn heute in Wittstock, Mühlberg oder Elbe-Elster ein Bauamtsleiter ausgeschrieben wird. Manchmal keine. Als ich in den 90er-Jahren in der Kreisverwaltung Forst anfing, haben sich auf jede Stelle 30, 40, 50 Ingenieure beworben. 

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Gerade eine Gebietsreform erfordert höchste Präzision in der Vorbereitung. Sind Sie als Regierungschef mit der handwerklichen Leistung des Innenministeriums zufrieden? 

Der Innenminister macht auch in diesem Bereich eine sehr gute Arbeit. Es ist ein gemeinsames Vorhaben dieser Landesregierung, dieser Koalition. Für das Innenministerium ist die Reform weiß Gott nicht die einzige Herausforderung. 

Dass ein 83-Seiten-Gutachten des Innenministeriums die eigene Reform zerpflückt, halten Sie für normal? 

Nein.

Die Linken äußern den Verdacht, dass es Sabotage von CDU-Leuten im früheren Ministerium von Jörg Schönbohm war. 

Nächste Frage bitte! 

Die Regierung hat mit dem Gutachten den Gegnern die Munition für die angekündigte Verfassungsklage frei Haus geliefert. Deren Chancen dürften damit steigen.. 

Das glaube ich nicht. Denn wir haben die verfassungsrechtlichen Fragen schon bei der Planung der Reform sehr genau im Blick gehabt. Die Stellungnahme stammt im Übrigen schon aus dem Januar. Und ein Großteil der Hinweise wurde eingearbeitet. Ich bin zuversichtlich, dass wir auch juristisch auf einem sicheren Weg sind. Ich erinnere nur an die Klage gegen die BTU-Fusion, die vor Landes- und Bundesverfassungsgericht erfolglos blieb. Es war richtig, diese Reform auch gegen viele Kritiker umzusetzen. Nur so wird die BTU eine wichtige Rolle im weiteren Strukturwandel in der Lausitz spielen können.

Wie schätzen Sie die Chancen einer Volksinitiative gegen die Reform ein? 

Ich kenne nur die Ankündigung der CDU, keinen Text und schon gar keinen Alternativvorschlag. Ich lass mich davon nicht ins Bockshorn jagen. Das gilt übrigens für die gesamte Landesregierung. 

Sie verordneten der Kommunalebene die größte Reform der Kreise seit 1993, eine Gemeindereform soll folgen. Aber das Land selbst geht nicht mit gutem Beispiel voran. Ahnen Sie, was jetzt alles kommt? 

Nö! (lacht) 

Fangen wir mit der Kommunalisierung von Landesaufgaben an, mit der sogenannten Funktionalreform. Die ist ja schon sehr dünn geworden … 

Moment mal, da ist überhaupt nichts dünn geworden! 

Aber die Liste war am Anfang viel länger. 

Im Leitbild stehen 26 Landesaufgaben, die künftig von den Kreisen erledigt werden sollen. Allein bei der hoheitlichen Forstverwaltung sind mehrere Hundert Mitarbeiter betroffen. Es ist eine Liste, die sich sehen lassen kann. 

Und bei den 26 wird es bleiben? 

Wir sind nach wie vor in der Diskussion. Wir werden ein Funktionalreformgesetz vorlegen, und ein Kreisneugliederungsgesetz. Beide Gesetze werden parallel im Landtag diskutiert werden. Bis dahin kann es Änderungen geben. Es können 25 werden, vielleicht auch 28. Das ist ganz normal. Als Regierung machen wir dem Parlament einen Vorschlag. Es wäre nicht das erste Mal, dass das Parlament etwa nach Anhörungen zu anderen Meinungen kommen kann. 

Nächstes Beispiel: Das ist der gerade beschlossene Doppelhaushalt für 2017 und 2018. Das Land hat so hohe Einnahmen wie nie seit 1990. Warum greifen Sie trotzdem in die Notreserve? 

Weil es notwendig ist. Wir konnten in einer schwierigen Haushaltssituation des Landes keine Abstriche an wichtigen Zielen machen. Wir müssen mehr Lehrer und Polizisten einstellen und wir wollen den Kita-Schlüssel verbessern. 

Die SPD wirbt im Landtag ja schon auf Servietten: „Nicht kleckern, sondern klotzen!“ Ist der Zeitpunkt für ein beitragsfreies Kita-Jahr auch in Brandenburg gekommen? 

Wir haben dazu eine intensive Debatte im Land, auch innerhalb der SPD. Aber ich bleibe dabei, ein beitragsfreies Kita-Jahr zu Lasten der Qualität der Kinderbetreuung darf es nicht geben. Wir müssen erst in die Kitas investieren, zuerst den Betreuungsschlüssel weiter verbessern. 

Dort gehört Brandenburg weiter bundesweit zu den Schlusslichtern. 

Bei vielen anderen Kita-Parametern sind wir Spitze, beispielsweise bei der hohen Anzahl von Kita-Plätzen überhaupt. Beim Betreuungsschlüssel und bei der Qualität der Kitas müssen wir tatsächlich noch zulegen. Dieser Prozess wird auch über die kommenden Jahre noch nicht abgeschlossen sein.

Selbst innerhalb der Hauptstadtregion, mit zwei SPD-regierten Ländern, klafft ein Kita-Gefälle. Der Betreuungsschlüssel in Berlin ist deutlich besser als hier. Wären nicht wenigstens Berliner Verhältnisse angebracht? 

Brandenburg hat ein sehr gut ausgebautes Kita-System. Und wir werden es weiter ausbauen und in Qualität investieren. Trotzdem müssen wir in jedem Haushalt Maß und Mitte finden. Denn es geht auch um Schule, Innere Sicherheit, Infrastruktur. Kurz: darum, das Land insgesamt voranzubringen.

Ihr Finanzminister Christian Görke (Linke) befürchtet infolge des Brexit gravierende Einbrüche bei EU-Mitteln für Brandenburg. Teilen Sie die Sorge? 

Wir konzentrieren uns auf unsere eigene Kraft. Wir tun alles dafür, wirtschaftlich stärker und unabhängiger zu werden. Damit werden wir weniger abhängig von Geldern aus Brüssel oder Berlin. 

Das wird erschwert, wenn Sie jetzt den Personalabbau im Landesdienst faktisch stoppen, da Sie die Zielzahl für 2020 auf 46 000 Stellen nach oben korrigiert haben. Gilt für die Landesverwaltung etwa nicht das gleiche Demografie-Argument, mit dem Sie die Kreisreform begründen? 

Die Menschen erwarten zu Recht, dass der Staat seine Aufgaben in Bildung, Hochschulen, Innere Sicherheit und Justiz erfüllt. Wir müssen sparsam sein, dürfen aber auch die Qualität nicht aufs Spiel setzen. 

Es ist nicht nur Linke-Profilierungsdruck in der rot-roten Koalition? 

Nein. 

In Brandenburg hat es seit 1990 nie drei Wahlperioden einer Koalition gegeben. Halten Sie persönlich Rot-Rot III ab 2019 noch für eine ernsthafte Option?

Ja. Die Entscheidung über eine zukünftige Regierung trifft im Übrigen immer der Wähler. 

Einspruch!

Abgelehnt.

Die Linke scheint sich ja schon auf die Opposition ab 2019 vorzubereiten, wie die umstrittene Besetzung des Abteilungsleiterpostens im Sozialministerium zeigt. 

Ich habe keinen Zweifel, dass die Mitarbeiterin die Arbeit als Abteilungsleiterin hervorragend machen wird. 

Zur Abwechslung mal ein paar kurze Stakkato-Fragen. Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu Herrn Görke beschreiben? 

Freundschaftlich. 

Und wie nehmen Sie die CDU-Opposition unter dem Partei- und Fraktionschef Ingo Senftleben wahr? 

Ich habe nicht den Eindruck, dass er die CDU führt. 

Erklären Sie das bitte! 

Wir haben den Eindruck, dass in der CDU einige Hauptverwaltungsbeamte das Sagen haben.

In Brandenburg kommt es ja immer darauf an, wie man sich untereinander versteht. Ein Test: Sind Sie in Bezug auf Herrn Senftleben schon in der Stufe von Vier-Augen-Gesprächen? 

Nein. 

Glauben Sie immer noch daran, dass der BER im Herbst 2017 eröffnet? 

Momentan sieht alles danach aus. Es ist wichtig, dass wir als Gesellschafter gegenüber der Geschäftsführung weiterhin Druck machen. Und dass die Geschäftsführung weiter Druck auf alle beteiligten Unternehmen macht. Jeder Tag, der vergeht, bringt uns der Eröffnung näher. Und jeder Tag, der vergeht, verringert auch das Risiko, dass weitere Dinge auftauchen, die diese Eröffnung gefährden könnten. Im Herbst werden wir es genauer wissen. 

Die Probleme werden auch nach einer Eröffnung nicht geringer, etwa wegen der zu geringen Kapazität. Was halten Sie davon, wenigstens den Regierungsflughafen in Tegel zu lassen, um den BER zu entlasten? 

Der Regierungsflughafen ist ein Randthema. Wichtig ist, dass der BER so schnell wie möglich eröffnet. 

Bei einem Terroranschlag wie in Brüssel wäre Deutschlands Hauptstadt komplett vom Flugverkehr abgeschnitten. Wäre es da nicht geboten, Tegel wenigstens als Regierungsflughafen offen zu halten, um eine Ausweichlandebahn zu haben? 

Nein. Es gibt in erreichbarer Entfernung andere Flughäfen, zum Beispiel Leipzig. 

In Berlin wird demnächst gewählt. Helfen Sie Ihrem Amtskollegen Michael Müller, der gehörig unter Druck steht, im Wahlkampf? 

Wir arbeiten gut zusammen. Wenn ich ihm helfen kann, werde ich das tun. Er ist ein guter Regierender Bürgermeister von Berlin.

In Berlin läuft viel schief, Lageso, Bürgerämter, marode Schulen, jetzt die Rigaer Straße. Haben Sie eine Erklärung dafür? 

Ich halte die Berichterstattungen für ein Stück weit überzogen. Im Vergleich zu den Neunzigerjahren hat sich in Berlin unglaublich viel getan. Ich bin überzeugt davon, dass Berlin im Großen und Ganzen seine Probleme selbst lösen und auch in Zukunft auf unsere Ratschläge verzichten kann. 

Die letzte Vereinbarung zwischen Ihnen und Berlins Regierendem Michael Müller betraf die Aufnahme von Berliner Flüchtlingen. Die sollten im Juli nach Brandenburg kommen. Bleibt es dabei? 

Wir sind dazu nach wie vor in Verhandlungen. Und die drehen sich um die Kosten. Ob und wie schnell es da zu einer Einigung kommt, kann ich im Moment nicht sagen. Wir sind weiter zur Hilfe bereit. Brandenburg wird aber eins nicht tun: Wir werden kein Geld drauflegen, damit Berlin zugewiesene Flüchtlinge in Brandenburg untergebracht werden.

Die Sommerpause hat begonnen, auch im Parlament. Sind Sie urlaubsreif? 

Ich freue mich auf den Urlaub. Ein paar freie Tage sind nicht schlecht. Zwischendurch gibt es aber noch ein paar Termine. So treffe ich mich kommenden Dienstag mit Staatssekretär Jakub Skiba, meinem Amtskollegen in Warschau, dem Koordinator für polnisch-deutsche Beziehungen. Wir beraten über die weitere Zusammenarbeit von Polizei- und Staatsanwaltschaften, über gemeinsame Ermittlungsgruppen und Polizeidienststellen. Auch darauf freue ich mich schon. 

Wohin geht’s zum Erholen? 

An die Ostsee. 

Das Interview führten Alexander Fröhlich und Thorsten Metzner 

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