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Brandenburg: Woidke leitet Entlassung gegen Kripo-Chef ein
Spremberger Beamter soll bei Übernahme in den Landesdienst Spitzeldienste verschwiegen haben / Unterlagenbehörde lehnt Woidkes Stasi-Check für Führungsbeamte ab
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Potsdam - Weil er das Ausmaß seiner Tätigkeit für den DDR-Staatssicherheitsdienst verschwiegen hat, droht dem Spremberger Chef der Kriminalpolizei jetzt die Entlassung aus dem Landesdienst. Das Innenministerium teilte am Dienstag mit, dass es ein Verfahren mit dem Ziel der Entfernung aus dem Landesdienst eingeleitet hat. „Es besteht der begründete Verdacht, dass der Beamte bei seiner Übernahme in den Landesdienst Anfang der 90er Jahre keine vollständig wahrheitsgemäßen Angaben zu seiner Tätigkeit für die DDR-Staatssicherheit gemacht und seinen Dienstherrn damit arglistig getäuscht hat“, sagte Sprecher Ingo Decker. Der Beamte hatte bei der Übernahme in den Landesdienst 1990 angegeben, ein Jahr hauptamtlicher Mitarbeiter der Staatssicherheit gewesen zu sein. Doch nach einem Bericht der „Lausitzer Rundschau“ steht er seit Sommer 2009 – Innenminister war damals der CDU-Politiker Jörg Schönbohm – im Verdacht, darüber hinaus entgegen bisherigen Erklärungen sechs Jahre inoffizieller Stasi-Mitarbeiter gewesen zu sein. Der neue Innenminister Dietmar Woidke hatte ihn am 3. März 2011 nach einem Hinweis suspendiert. Das Innenministerium reagierte nun auf Nachfragen der „Lausitzer Rundschau“ und einen Bericht des RBB, dass zu dem betreffenden Vorgang bei der Stasi-Unterlagen-Behörde jetzt sowohl eine Personal- als auch eine Berichtsakte aufgefunden worden seien. Insgesamt sind mehr als 200-Seiten-Material, darunter die handschriftliche IM-Verpflichtungserklärung des betreffenden Beamten mit dem gewählten Decknamen „Andreas Rosenau“. Dem Beamten werde vorgeworfen, die Unwahrheit gesagt zu haben, was sich das Land von einem „Beamten nicht bieten lassen“ könne.
Alle aktuellen Stasi-Fälle, die jetzt die Wogen hochschlagen lassen, spielen in der Lausitz. Der Bezirk Cottbus hatte nach Untersuchungen von Stasi-Experten die höchste IM-Dichte in der früheren DDR. Zahlreiche Stasi-Unterlagen waren dort in den Wendemonaten vernichtet worden und lagen Anfang der 1990er Jahre nicht vor. Woidke hatte bereits den Chef der Cottbuser Polizeiwache Uwe Skalske suspendiert, der als Stasi-Vernehmer daran beteiligt war, Ausreisewillige ins Gefängnis zu bringen.
Die Kette der Stasi-Fälle löst neuen Streit um die frühere Überprüfungspraxis in Brandenburg aus. CDU-Oppositionsführerin Saskia Ludwig wies Vorwürfe zurück, dass CDU-Innenminister Jörg Schönbohm – im Amt von 1999 bis Herbst 2009 – nichts unternommen habe. Die Fehler seien Anfang der 90er Jahre gemacht worden, sagte sie. Schönbohm habe nach Bekanntwerden der „Rosenholz“-Dateien einen Vorstoß gemacht, sei aber von Platzeck abgeblockt worden. Das allerdings trifft so nicht zu: Das Brandenburger Kabinett hatte im April 2004 beschlossen, dass leitende Beamte Brandenburgs, herausgehobene Funktionsträger, erneut auf Stasi-Mitarbeit überprüft werden. Das war damals noch möglich, das entsprechende Bundesgesetz, das dies einschränkte, wurde erst später geändert. In der damaligen Erklärung von Vize-Regierungssprecher Manfred Füger heißt es zum Kabinetssbeschluss: „Den einzelnen Ministerien wird freigestellt, über diesen Personenkreis bei Bedarf weitere Beschäftigte in eine erneute Anfrage einzubeziehen.“ Dies könne „für bestimmte Funktionen im Justiz- oder Polizeibereich“ zutreffen. Warum dies in beiden damals CDU-geführten Ressorts nicht geschah, ist unklar.
SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher kritisierte die Stasi-Unterlagenbehörde, die zu seit Wochen vorliegende Anfragen des Innenministeriums zu den aktuellen Fällen keine Auskünfte erteilt hatte. Dies habe mit rechtsstaatlichen Verfahren nichts zu tun, sagte er. CDU und Grüne wiesen die Kritik an der Behörde zurück. Tatsächlich wird die Stasi-Unterlagenbehörde dem Innenministerium keine Auskunft über mögliche Stasi-Tätigkeiten von Wachen- oder Schutzbereichsleitern der Polizei erteilen, wie gestern bekannt wurde. Damit ist Woidke mit seinem Prüfvorstoß für 68 Führungsbeamte an den Gesetzesregeln gescheitert.
In Kürze bekommt Woidke von der Stasi-Unterlagenbehörde einen ablehnenden Bescheid. Wie die Behörde am Dienstag mitteilte, könne nach derzeitiger Rechtslage über die Wachen- und Schutzbereichsleiter keine Auskunft mehr erteilt werden. Woidke will sich erst im Laufe des heutigen Mittwoch dazu äußern. „Wir prüfen das“, sagte ein Ministeriumssprecher. Seit der Novelle des Stasi-Unterlagengesetzes im Jahr 2006 ist aus Sicht der von Roland Jahn geleiteten Unterlagenbehörde eine allgemeine Überprüfung von leitenden Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes nicht mehr möglich. Zulässig seien nur noch Auskünfte für Behördenleiter oder Personen in vergleichbarer Position, hieß es. Nach Ansicht der Stasi-Unterlagenbehörde gilt das aber nicht für Leiter von Wachen oder Schutzbereichen. Woidke dagegen hatte nach einer rechtlichen Neubewertung dieses Personal als Behördenleiter eingestuft und eine erneute Überprüfung für möglich erachtet. Anlass waren mehrere Enthüllungen über leitenden Polizisten, die bei der Übernahme in den Landesdienst zu Beginn der 1990er Jahre eine Tätigkeit für die Staatssicherheit verheimlicht haben.
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