Landeshauptstadt: Dunkle Geschichte
Heute startet „V wie Vendetta“ in den Kinos – das Action-Drama ist ein Aushängeschild für die Filmstadt Potsdam
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Für Hollywood ist Berlin nur eine Notlösung. Denn wohnen wollen die internationalen Stars und Produzenten, die im Studio Babelsberg drehen, oftmals am liebsten in einer Potsdamer Villa. „Der Wunsch ist groß, aber es ist schwer, etwas zu finden“, sagt Henning Molfenter. Er ist Geschäftsführer von Studio Babelsberg Motion Pictures und fliegt alle paar Wochen nach Los Angeles, um US-Produktionen nach Potsdam zu holen. Dabei zählt nicht nur die durch zahlreiche US-Filmdrehs renommierte Leistung des Babelsberger Studios, sondern auch der Standort Potsdam. „Die Stadt kann leicht mithalten mit Berlin, kann sich eigenständig und selbstbewusst präsentieren“, sagt Molfenter.
Das vermittelt er den US-Produzenten so intensiv wie möglich: Schon Frank Marshall und Pat Crowley, die in Potsdam 2004 „Die Bourne Verschwörung“ mit Matt Damon drehten, wollten nach einer Stadtrundfahrt gern in eine Villa am Heiligen See ziehen – doch die sind fast alle in Privateigentum und bewohnt. Auch Schauspielerin Natalie Portman, die vor einem Jahr zehn Wochen lang in Babelsberg das politische Action-Drama „V wie Vendetta“ drehte, das heute in den Kinos startet, hätte wohl gern in Potsdam Residenz bezogen. Eine Villa – angelehnt an die Tradition der UFA-Gästehäuser – besitzt Studio Babelsberg aber (noch) nicht. So zog Portman in ein Dachgeschoss in Charlottenburg. Von dort aus erkundete sie Berlin und Potsdam: Ihre wenigen drehfreien Tage verbrachte sie unter anderem in Babelsberger Cafés und Potsdamer Biergärten, mit Einkaufsbummeln auf der Kreuzberger Bergmannstraße, wo sie dabei gesehen wurde, wie sie ein paar Bücher und eine Schachtel im Biedermeier-Stil in einem Kitschladen kaufte. Auch konnte man ihr beim Milchkaffee-Trinken in Prenzlauer Berg begegnen. Manch einer ging jedoch damals an dem Hollywood-Star vorbei, ohne ihn zu erkennen: Für ihre Rolle als Evey musste sich Natalie Portman die Harre raspelkurz scheren lassen. Sie spielt in „V wie Vendetta“, in dem eine faschistische Regierung Großbritannien unterjocht hat, eine Frau, die wider Willen zur Widerstandskämpferin wird. Die Geschichte basiert auf dem Comicroman der Briten Alan Moore und David Lloyd.
Dass sie sich in Berlin während jener zehn Wochen wohl fühlen wird, hatte Natalie Portman nicht erwartet, sagte sie später in einem Interview: „Ich war zuvor nie in Deutschland und bin mit Familiengeschichten aus dem Holocaust aufgewachsen.“ Sie kommt aus einer jüdischen Familie, von der mehrere Mitglieder von den Nazis umgebracht wurden. Deswegen hatte sie anfangs Angst vor Berlin und den Dreharbeiten. „Aber Berlin ist eine junge Stadt im Umbruch und voller Geschichte, die besonders für mich als Jüdin sehr spannend ist.“ Berlin und Potsdam gehörten zu den wenigen Orten, an die sie zum Arbeiten kam und die sie sich als Wohnort vorstellen könne. Einen Tag verbrachte sie im Jüdischen Museum.
Auch Studio-Chef und „V wie Vendetta“-Koproduzent Molfenter hat beobachtet, dass sich Portman mit dem Drehort Deutschland auseinander gesetzt hat. „Sie ist uns trotzdem unvoreingenommen und neugierig begegnet, das war schön“, sagt er. Aber wahrscheinlich nicht einfach. Denn neben den dunklen Kapiteln der deutschen Geschichte, die sich für Portman mit ihrer Familie verbinden, drehte sie auch noch einen dunklen Film. „Es war eine starke Intensität am Set“, beschreibt Molfenter. Die junge Frau namens Evey, die Portman spielt, sei für sie eine „tiefe Rolle“ gewesen. In einigen Szenen wird Evey gefoltert, liegt zusammengekauert auf dem Boden einer Gefängniszelle.
Gedreht wurden diese intensiven Bilder in der Marlene-Dietrich-Halle. Der erste Drehtag außerhalb der Babelsberger Studios, in denen Produktionsdesigner Owen Paterson 89 Sets bauen ließ, war so auch wegen der bedrückenden Atmosphäre des Films ein besonderer. Gefilmt wurde einen Tag lang im Schloss Babelsberg, dort wurden die Gemächer von Bischof Lilliman (John Standing) eingerichtet. Später habe man festgestellt, dass die Szenen wohl auch in Studiokulissen möglich gewesen wären, erzählt Molfenter – doch die Location mit Blick auf die Glienicker Brücke habe „zur Inspiration aller beigetragen“. Weitere Außendrehorte waren der Gendarmenmarkt in Berlin, auf dem eine Kundgebungsszene spielt, und die ehemalige Hühnermastanlage in Güterfelde, die als alptraumhaftes Straflager hergerichtet wurde. Für Legendenbildung hat die Einstellung gesorgt, die vor gut einem Jahr in der Halle Große Nord auf dem Studiogelände gedreht wurde: Noch heute wird von der Kampfszene im U-Bahnhof erzählt, die die Produzenten Andy und Larry Wachowski dort persönlich inszenierten. Mit ihrer speziellen Art der Darstellung haben die Brüder in der „Matrix“-Filmtrilogie schließlich Filmgeschichte geschrieben.
Die Babelsberger Kino-Historie könnte nach „V wie Vendetta“ schon bald ihre Fortsetzung finden. Produzent Joel Silver war so angetan von den Arbeitsbedingungen, dass er kürzlich auf der Berlinale ankündigte: „Wir werden wieder hier drehen.“ Die Vorbereitungen liefen bereits, nur um welchen Film es sich handelt, verriet er nicht. Dafür könnte Silver sich aber bereits ein Potsdamer Domizil ausgesucht haben: Einen Tag lang ist Henning Molfenter mit Silver und seinem Produzenten-Kollegen Grant Hill durch die Stadt gefahren, hat ihnen die Babelsberger Villen, den Heiligen See, das Holländische Viertel, aber auch die verfallene Speicherstadt, die DDR-Innenstadtarchitektur und den Brauhausberg gezeigt. „Man muss den Blick dafür öffnen, was in Potsdam möglich ist“, sagt Molfenter. Und das ist viel.
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