Von Peer Straube und Kay Grimmer: Feiern mit „angemessener Trauer“
Eine neue Gedenkstätte, ein neues Museum und viele mahnende Erinnerungen am Tag des Mauerfalls in Potsdam
- Peer Straube
- Kay Grimmer
Stand:
An zahlreichen Orten Potsdams wurde gestern der Fall der Berliner Mauer vor 20 Jahren gefeiert. Ein zentrales, von der Stadt selbst organisiertes Fest gab es dagegen nicht. So unterschiedlich die Veranstaltungen auch waren – eines einte alle – das Gedenken an die Opfer der deutschen Teilung.
MAUERGEDENKSTÄTTE GRIEBNITZSEE
Pünktlich zum Jubiläum des Mauerfalls wurde gestern Mittag die neue Mauergedenkstätte am Griebnitzsee eröffnet. Die unter Denkmalschutz stehenden sechs originalen Mauersegmente in der Stubenrauchstraße wurden bis zum Fundament freigelegt, zudem wurden die Fundamente eines Wachtturms der DDR-Grenztruppen ausgegraben. Eine Linie von zehn weiß gestrichenen Pfählen deutet den damaligen Mauerverlauf an der Grenze zu Westberlin an. 24 000 Euro hat die Verwaltung dafür ausgegeben – und damit einen Beschluss der Stadtverordneten umgesetzt.
Mehr als zehn Jahre hatte sich Manfred Kruczek vom Forum zur kritischen Auseinandersetzung mit DDR-Geschichte im Land Brandenburg e.V. für den Erhalt und die Sicherung der originalen Mauerreste eingesetzt. Umso mehr freute er sich gestern über das Ergebnis, leise Kritik an der Stadt gab es trotzdem. Es sei ein „Novum“ gewesen, dass das Forum „auf so konstruktive Weise“ in die Neugestaltung der Gedenkstätte eingebunden worden sei, sagte er. In der Vergangenheit habe man dies anders erlebt. Kruczek mahnte, auch am Tag des Mauerfalls die Opfer der Teilung nicht zu vergessen. „Am 9. November ist es wichtig, dass man feiert, aber dem Feiern sollte ein Gedenken vorausgehen.“ Auch die FDP-Landtagsabgeordnete Linda Teuteberg, die ebenfalls Mitglied im Forum ist, appellierte daran, die Freude über den Mauerfall mit „angemessener Trauer und Würdigung der Opfer“ zu verbinden. Zugleich übte sie Kritik an der Landesregierung. Im Geschichtsunterricht würde das DDR-Unrecht noch immer viel zu wenig vermittelt, sagte Teuteberg. Man werde darauf achten, dass der neue Stasi-Beauftragte des Landes auch mit genügend Mitteln ausgestattet werde, um Bildungsarbeit leisten zu können.
Herbert Claes, Bereichsleiter Grünflächen, beklagte, dass das Budget nicht mehr für eine Informationstafel gereicht habe, die die Geschichte des Ortes erklärt. Er hoffe, dass dies bald nachgeholt werden könne, so Claes.
EHEMALIGES STASI-GEFÄNGNIS
LINDENSTRASSE
Rund 200 Menschen trafen sich am Abend vor dem ehemaligen Stasi-Gefängnis in der Lindenstraße, um am Jahrestag des Mauerfalls gegen die neue rot-rote Landesregierung zu demonstrieren. Aufgerufen hatte die Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltsherrschaft (UOKG). Deren Chef Rainer Wagner, der 1967 wegen versuchter „Republikflucht“ in der DDR zu zwei Jahren politischer Haft verurteilt worden war, warnte davor, in Brandenburg „Extremisten wieder an die Schalthebel der Macht“ zu lassen. Die Linke sei „nichts weiter als die SED“.
Der UOKG-Ehrenvorsitzende Horst Schüler, 151 in Potsdam wegen Widerstands gegen die kommunistische Diktatur zu 25 Jahren Haft verurteilt, sprach vom 9. November als einem „Tag der Freude, aber auch der Empörung“. Die Linke habe 20 Jahre nach der Wende „keinen Finger gegen die Täter“ in ihren eigenen Reihen gerührt, sagte er. „Ohne Not“ habe Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) jenen zur Macht verholfen, die einst politisch Andersdenkende verfolgt haben. In Brandenburg sei zum ersten Mal in Deutschland eine Linke an der Regierung beteiligt, in deren Parteispitze Stasi-Mitarbeiter wirkten, kritisierte er. Versöhnung, mit der Platzeck Rot-Rot gerechtfertigt habe, könne man nicht „von oben anordnen“, so Schüler. Im Anschluss an die Veranstaltung legten die Teilnehmer zum Gedenken an die Maueropfer eine Schweigeminute ein.
VILLA SCHÖNINGEN
Am Sonntag wurde sie mit viel Prominenz eröffnet, seit gestern ist das Museum in der Villa Schöningen an der Glienicker Brücke für jedermann offen. Und die Erwartungen wurden übertroffen. Am Mittag hatte sich eine lange Schlange gebildet, bereits am Vormittag hätten die ersten Besucher geklingelt und geklopft, sagte Museumssprecherin Anna Redeker den PNN. Bis zum Abend hatten bereits knapp 1000 Neugierige die Schau zur deutsch-deutschen Teilungs- und Wiedervereinigungsgeschichte besucht. Das Echo fiel einhellig positiv aus. „Ganz vorzüglich“ fand etwa der Potsdamer Peter Ernst die Ausstellung. Er selbst kenne den Ort von klein auf. Als die kriegszerstörte Brücke noch im Wasser lag, sei er dort oft mit dem Boot entlang gefahren, erinnerte er sich.
Sandra und Gregor Wenda waren auf Empfehlung einer Bekannten extra aus Wien angereist. Beide fanden es „sehr beeindruckend, wie plastisch hier Geschichte begreiflich gemacht wird“. Spannend sei auch, dass die Villa zu DDR-Zeiten als Kita genutzt wurde. „Kinder spielen neben dem Todesstreifen“, wunderten sie sich. „Das ist sehr berührend.“
GLIENICKER BRÜCKE
„Wir sind wir“ schallt über die Havel. Mit dem Video zum kontroversen Einheitssong von Joachim Witt – uraufgeführt zum Tag der Deutschen Einheit 2005 in Potsdam – wurde gestern die 30 Quadratmeter große Videoleinwand auf der Glienicker Brücke auf ihre Funktionstüchtigkeit überprüft. Seit Sonntag werkeln dutzende Techniker und Handwerker, damit heute das sogenannte Brückenfest zum 20. Jahrestag der Öffnung der Glienicker Brücke stattfinden kann. Fünf Kilometer Kabel, über 350 Scheinwerfer und ein 130 Meter langer Laufsteg sind aufgebaut, zählte der technische Leiter Roland Pohl auf. Ab 18.30 Uhr beginnt das Vorprogramm. Die Geschichte des Bauwerks steht im Mittelpunkt der audiovisuellen Inszenierung, die ab 20 Uhr mit einer Kunstperformance ihren Höhepunkt erreicht. Kurz vor 21 Uhr wird ein Feuerwerk das offizielle Programm, zu dem sich Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit und Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs angekündigt haben (Matthias Platzeck hat wegen Krankheit abgesagt), beschließen. „Viele Besucher werden danach aber sicherlich noch Atmosphär genießen wollenund Erinnerungen austauschen“, hoffte Pohl.
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