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„Ein Geschenk für uns alle“: Synagoge in Potsdam feierlich eröffnet
In Zeiten von Hass und Hetze gegen Juden gilt die Eröffnung der neuen Synagoge in Potsdam als besonders wichtiges Zeichen. Bundespräsident Steinmeier rief zur Solidarität mit Israel auf.
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Das neue Potsdamer Synagogenzentrum für die jüdischen Gemeinden der Landeshauptstadt ist am Donnerstag feierlich eröffnet worden. Der Präsident der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST), Abraham Lehrer, sprach bei dem Festakt von einem „geschichtsträchtigen Tag“. Die rituelle Zeremonie zur Einweihung der Synagoge leitete der Rabbiner Avichai Apel.
Die Synagoge sei ein „Ort der Verbindung zwischen Himmel und Erde“, zwischen Menschen und Gott, sagte er. Apel rief zugleich zum Zusammenhalt gegen Antisemitismus auf. „Unsere Feinde haben es nie geschafft, uns zu vernichten“, sagte er. Apel ist der Vorsitzende der Orthodoxen Rabbinerkonferenz in Deutschland.
Erstmals wurden die Thorarollen der jüdischen Gemeinden der Stadt Potsdam aus ihrem Schrein genommen, während Apel, Psalm 30 auf Hebräisch betete: „Du hast mir meine Klage verwandelt in einen Reigen, du hast mir den Sack der Trauer ausgezogen und mich mit Freude gegürtet...“

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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nannte das jüdische Gotteshaus in seiner Rede „ein Geschenk für uns alle“. „Ich freue mich sehr, dass es ein solches Haus nun wieder gibt in Potsdam, da, wo es hingehört: im Herzen der Stadt“, sagte er. Als letzte Landeshauptstadt in Deutschland hat Potsdam damit wieder eine Synagoge. Dort gab es bisher nur ein kleines jüdisches Gotteshaus in der Universität.

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Steinmeier rief zur Solidarität mit Israel auf. „Mich schmerzt es, wenn mir Jüdinnen und Juden erzählen oder schreiben, dass sie das Gefühl haben, gar keinen Ort mehr auf der Welt zu haben, wo sie in Sicherheit sind oder sich zu Hause fühlen können“, sagte er. „Mich schmerzt es, dass jüdische Studentinnen und Studenten es nicht mehr wagen, ihre Vorlesungen zu besuchen. Dass junge Männer lieber keine Kippa mehr in der Öffentlichkeit tragen und ihre Namen ändern.“
Sein Eindruck sei, dass allmählich in den Hintergrund gerate, dass der „brutale Terroranschlag der Hamas“ am 7. Oktober Israel tief im Innersten getroffen und verwundet habe, sagte Steinmeier am Donnerstag in Potsdam. „Es war dieser Terror, dieser Hass, der den neuen Krieg im Nahen Osten ausgelöst hat.“ Dagegen wehre sich Israel.
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Steinmeier betonte, dass man gleichzeitig aber nicht die Augen vor dem unermesslichen Leid verschließen dürfe, das der Krieg im Nahen Osten für die Menschen in Gaza bringe. „Und deshalb unterstützen wir die hungernden Menschen in Gaza und leisten humanitäre Hilfe“, sagte Steinmeier. „Wir alle hoffen auf ein Ende der Kämpfe.“ Man hoffe, dass es eine Verständigung über die Vorschläge des amerikanischen Präsidenten für eine Waffenruhe gebe.

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„Niemals dulden wir Antisemitismus!“
„Selbstverständlich muss es auch in unserem Land möglich sein, den Schmerz, die Trauer über die palästinensischen Opfer, die Angst um Angehörige und Freunde zu zeigen, auch im öffentlichen Raum“, sagte Steinmeier. Das garantiere das Grundgesetz, das garantiere die Demokratie. „Aber die Grenze ist dort überschritten, wo die Trauer, der Schmerz, die Verzweiflung zu Hetze wird, zu blankem Hass, im schlimmsten Fall zu Gewalt gegen Jüdinnen und Juden.“

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Wo Kritik an der israelischen Regierung umkippe in die Forderung, den Staat Israel auszulöschen, sei eine Grenze überschritten. „Niemals dulden wir Hass und Gewalt gegen Jüdinnen und Juden in unserem Land“, sagte der Bundespräsident. „Niemals dulden wir Antisemitismus!“
Neben Steinmeier waren unter anderem auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Ministerpräsident Dietmar Woidke sowie Oberbürgermeister Mike Schubert (beide SPD) bei dem Festakt dabei. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte aufgrund von Haushaltsberatungen seine Teilnahme kurzfristig abgesagt. „Es ist eine Schande für unser Land, dass wir jüdische Einrichtungen schützen müssen. Es ist eine Schande für unser Land, dass wir jüdisches Leben schützen müssen“, sagte Woidke. Die Eröffnung des Synagogenzentrums erfülle ihn mit großer Dankbarkeit, sagte Brandenburgs Regierungschef.

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Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sprach von einem „Tag der Freude und des Stolzes“. „Lange fehlte das Herzstück jüdischen Gemeindelebens in Potsdam – ab heute schlägt es wieder.“ Er mahnte eine fraktionsübergreifende Entschließung des Bundestags zum Schutz jüdischen Lebens an und forderte, dem „alten Hass im neuen mehrheitsfähigen Gewand“ des Antisemitismus entschieden entgegenzutreten.
Potsdams Rathauschef bezeichnete die Synagoge als „Bekenntnis“. „Hier ist und bleibt jüdisches Leben ein selbstverständlicher Teil unserer Gesellschaft“, sagte Mike Schubert.
Seit dem Hamas-Angriff auf Israel haben Feindseligkeiten gegen Juden in der Bundesrepublik eine neue Dimension erreicht. Viele Jüdinnen und Juden fühlen sich nicht mehr sicher. Gerade angesichts des wachsenden Antisemitismus gilt es als wichtiges Zeichen, dass in Potsdam heute die neue Synagoge eingeweiht wird. „Mit der lang erwarteten Fertigstellung der Synagoge in der Landeshauptstadt Potsdam sendet Brandenburg ein wichtiges Signal: Jüdisches Leben gehört zu unserem Land und bereichert unsere Gesellschaft“, teilte CDU-Landeschef Jan Redmann mit.
Schwieriges Projekt
Fast 80 Jahre nach der Zerstörung der alten Potsdamer Synagoge haben Jüdinnen und Juden wieder ein religiöses und kulturelles Zentrum in der Landeshauptstadt. Das Projekt war schwierig und von viel Streit unter den jüdischen Gemeinden begleitet, die unterschiedliche religiöse Strömungen vertreten. Die alte Potsdamer Synagoge war während der Novemberpogrome 1938 geschändet und im April 1945 bei einem Luftangriff zerstört worden.
Die Eröffnung der neuen Synagoge in Potsdam beendet laut Lehrer ein langjähriges Provisorium. Die Synagoge gebe der nicht-jüdischen Mehrheitsgesellschaft die Gelegenheit, auf einfache Art und Weise an jüdischem Leben teilzuhaben. Es gebe dort zwar sehr hohe Sicherheitsmaßnahmen, erklärte Lehrer: „Aber prinzipiell versuchen wir ein Haus der offenen Tür zu gestalten, in dem nicht-jüdische Menschen ohne größere Probleme an den Aktivitäten und Festivitäten der Gemeinde teilnehmen können.“

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Woidke: Zeichen gegen wieder aufkeimenden Hass und Hetze
Bauherr für das neue Synagogenzentrum ist das Land Brandenburg, das 17,5 Millionen Euro dafür aufbringt. Woidke sagte im Vorfeld: „Wir haben dies auch in Anerkennung unserer geschichtlichen Verantwortung getan, die uns verpflichtet, für gute Bedingungen zur Wiederentstehung und Aufrechterhaltung eines vielfältigen jüdischen Lebens beizutragen.“ Es sei auch ein wichtiges Zeichen gegen wieder aufkeimenden Hass und Hetze, denen Jüdinnen und Juden ausgesetzt seien.
Das Neue: Das Synagogenzentrum sollen vier jüdische Gemeinden mit um die 800 Mitgliedern gemeinsam nutzen. Träger ist die ZWST, die etwa auch über die Vergabe der Räume entscheidet. Neben den Gebetsräumen gibt es einen Veranstaltungsaal, ein Besuchercafé, eine Bibliothek, Büroräume sowie Musik - und Kunsträume. Auf einer Dachterrasse können religiöse Feste gefeiert werden.
Der Synagogenraum bietet nach Angaben des Trägers 199 Menschen gleichzeitig Platz. Dort ist auch der Schrein, in dem die Thorarollen aufbewahrt werden. Die Thora ist die hebräische Bibel und der geistige Mittelpunkt des Judentums. Im Untergeschoss des Gebäudes befindet sich zudem die Mikwe, ein Tauchbad für religiöse Zwecke.
Das Gebäude, das nach dem Entwurf des Architekten Jost Haberland gebaut wurde, ist auch angesichts der gestiegenen Bedrohung seit dem Angriff der Hamas auf Israel und dem Gaza-Krieg stark gesichert – etwa mit Panzerglas und einer Sicherheitsschleuse am Eingang. Es gibt Personen- und Taschenkontrollen. (dpa/epd/KNA/cmü)
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