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Landeshauptstadt: Klassenfahrt nach Arabien

Mehr Austausch mit muslimischen Ländern fordern Politiker, etwa durch Schülerpartnerschaften. Solche Programme sind die Ausnahmen. Wie halten es Potsdamer Schulen mit dem interreligiösen Dialog?

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Würde man auf einer Weltkarte diejenigen Länder mit Fähnchen bestücken, mit denen Potsdamer Schulen Partnerschaften pflegen, wäre die südliche Halbkugel so gut wie leer. Sogar mit China und den USA ist etwa das Humboldt-Gymnasium im Austausch. Der Großteil der Gymnasien und Gesamtschulen würde allerdings nur in Europa Fähnchen setzen. In Länder wie Frankreich, Spanien, Großbritannien, Polen oder Tschechien. Programme mit Schulen in muslimischen Ländern, wie sie jüngst Landtagsvizepräsident Dieter Dombrowski forderte, gibt es bislang kaum.

Es müsse ein verstärkter Dialog zwischen den Religionen auch durch Schüleraustausche und Städtepartnerschaften stattfinden, sagte am Wochenende Dombrowski. Das war kurz nach dem Attentat auf die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ in Paris. Als Zeichen der Solidarität mit den Muslimen der Stadt besuchte Dombrowski die Moschee in der Breiten Straße. Interkulturelles Lernen fördere die Akzeptanz, so begründete der Landtagsvizepräsident seine Forderung. „Warum fahren unsere Schulklassen nicht in muslimische Länder?“, fragte Dombrowski.

„Wir würden gerne, aber er stellt sich das so einfach vor“, sagt Karen Pölk, Schulleiterin der Voltaire-Gesamtschule. Die Schule mit rund 900 Schülern in der Innenstadt ist die einzige der Stadt, die neben den traditionell gepflegten Partnerschulen in Frankreich und England auch ein Austauschprogramm für Schüler und Lehrer mit der Türkei und mit Israel unterhält. In beiden Ländern kämen die Schüler auch in Kontakt mit Menschen muslimischen Glaubens, so etwa in Israel durch Begegnungen mit Palästinensern. Den Zugang über ein europanahes Land wie die Türkei sei günstig, damit die Jugendlichen in Berührung mit anderen Traditionen kämen. Den Austausch, wie ihn Dombrowski fordert, hält Pölk für unabdingbar: „Man muss sich unbedingt Kenntnisse erwerben, um sich eine Meinung bilden zu können.“ An ihrer Schule laufe dies über Projekte, bei denen Angehörige des Islam, etwa Neu-Potsdamer, eingeladen werden, um von ihrem Glauben zu erzählen oder gemeinsam mit ihnen gekocht oder getanzt werde.

Versuche der Voltaire-Schule, in Kontakt mit Schulen im arabischen Raum zu treten, seien bisher ins Leere gelaufen, sagt Pölk. Über den pädagogischen Austauschdienst (PAD) habe es Anfragen von Schulen aus Südafrika oder China gegeben, aus dem arabischen Raum jedoch keine. Pölk vermutet, dass es bei dortigen Schulen Berührungsängste gebe und auf beiden Seiten viel Unwissenheit herrsche über Strukturen und Vorgaben für einen möglichen Austausch. So ist ihr unklar, ob Schüler dieser Länder überhaupt auf Klassenfahrt gehen dürfen.

Bedenken hat auch Grit Steinbuch, Schulleiterin am Helmholtz-Gymnasium in der Kurfürstenstraße. Die Schule ist in Kontakt mit Schulen in Polen, Frankreich und England. Wer solle Reisen außerhalb Europas finanzieren, wenn das Land schon Zuschüsse zu innerdeutschen Klassenfahrten stark reglementiert?, fragt Steinbuch. Außerdem bräuchte es keine Klassenfahrt in eine kosmopolitische Stadt wie Istanbul, um Muslimen näherzukommen. Dann müsste es schon nach Anatolien gehen. Doch: Wie sähe es aus mit der Unterkunft, mit der Verpflegung der Schüler? Für zielführender hält es Steinbuch deshalb, wenn es Programme zum Austausch mit Schulen mit hohem Migrantenanteil gebe, in Westdeutschland etwa. „Wie gehen die Schulen damit um?“, will Steinbuch wissen. Generell aber: „Eine Schule in einem muslimischen Land, warum nicht?“ Sich aktiv um einen Austausch kümmern, steht jedoch nicht auf der Prioritätenliste der Schule.

Dabei müsste genau das geschehen, sagt Andrea Lümmert, Referentin beim PAD in Bonn. Bei der Vermittlung von Schulen könne ihr Dienst durchaus helfen. Eine solche Auslandsreise ließe sich auch durch Mittel des Auswärtigen Amts fördern. „Wenn es nicht nur dem touristischen Austausch dient, sondern es ein interkulturelles Projekt ist, sind die Chancen sehr gut, dass es eine Förderung gibt.“ Bereits jetzt könnten Schulen über sogenanntes e-twinning, also Projektarbeit mit digitalen Medien, in Austausch mit Schulen etwa in Tunesien treten und das sei schließlich kostenlos.

Die Voltaire-Gesamtschule hat derzeit ein ganz anderes Problem des interkulturellen Austauschs. In einer Woche wollen die Acht- und Neuntklässler der Schule nach Saint-Germaine-en-Laye, rund 20 Kilometer nordwestlich von Paris, fahren. Nur das französische Partnergymnasium, ein privates katholisches Lycée, wird das Treffen womöglich absagen. Grund: In Paris dürften aus Sicherheitsbedenken Schulklassen derzeit keine Besichtigungstouren unternehmen, sagt Pölk. Wenn die Reise ausfalle, so die Direktorin „dann haben wir ein Problem“. „Was wir mit den Kosten dann machen, wissen wir nicht.“ Am Donnerstag will Pölk die Eltern informieren. Ihnen wird sie die Entscheidung überlassen, ob sie ihre Kinder nach dem Attentat in Paris auf die Reise, wenn sie denn überhaupt stattfindet, schicken. Allerdings, so ist Pölk überzeugt: „Man sollte sich nicht von der Angst einholen lassen.“

Grit Weirauch

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