Landeshauptstadt: Kraft tanken
Asifa Jafari lebt seit sieben Monaten in Potsdam. Die Afghanin, die eine einjährige Flucht aus ihrem Heimatland hinter sich hat, ist in der neuen Wohnung für Flüchtlingsfrauen untergekommen. Dort soll sie lernen, auf eigenen Beinen zu stehen.
Stand:
Etwa ein Jahr lang war Asifa Jafari auf der Flucht. Warum sie ihre Heimatstadt Kandahar in Afghanistan verließ, darüber möchte die 29-Jährige nicht im Detail sprechen. Zu persönlich sei ihre Geschichte. „Es gab Probleme“, erklärt sie. Über den Iran, die Türkei, Griechenland und Frankreich gelangte sie schließlich ins zentrale Auffanglager in Eisenhüttenstadt – eine Odyssee, während der sie auch von ihrem Ehemann getrennt wurde. „Es war so anstrengend – besonders für mein Kind“, erzählt die junge Frau. Seit sieben Monaten lebt sie mit ihrer Tochter in Potsdam. Ihr Mann wartet noch gemeinsam mit dem Sohn in Griechenland auf die Genehmigung zur Einreise. „Sie wollen legal herkommen“, sagt Asifa Jafari.
Die Afghanin wohnt im Herzen der Stadt: Sie bekam einen Platz in der erst im Herbst 2012 eröffneten Wohnung für Flüchtlingsfrauen in der Hegelallee. Die 220 Quadratmeter große Wohnung mit sieben Zimmern, Küche und Gemeinschaftszimmer liegt in der ersten Etage eines der typischen Zweigeschosser der barocken Stadterweiterung. Hier hat Asifa Jafari in ihren neuen Alltag gefunden: Sie lernt in einem Sprachkurs Deutsch, bringt ihre Tochter jeden Morgen zur Kita, geht mit ihr zum Sportkurs oder zum Ballett, singt im Chor mit den anderen Flüchtlingsfrauen, geht spazieren im nahe gelegenen Park Sanssouci. „Ein bisschen ungewöhnlich“ komme ihr das alles aber schon noch vor, räumt sie mit einem Lächeln ein.
Dass Frauen wie Asifa Jafari nicht im Asylbewerberheim am Schlaatz, sondern vergleichsweise geschützt in der Flüchtlingswohnung unterkommen, hat einen Grund, wie Hala Kindelberger, die Leiterin der Einrichtung, die vom Verein Soziale Stadt betrieben wird, erklärt: „Das ist wichtig, weil viele Frauen aus autoritären und patriarchalischen Staaten kommen.“ Den Mut, ihr Leben selbst zu gestalten, müssten sie erst finden. „Die Frauen sollen in der Wohnung Kraft tanken, sodass sie sich trauen, sich normal im Alltag zu bewegen.“ Denn was für Deutsche völlig selbstverständlich ist – dass Frauen ihr Leben selbstständig organisieren und dabei auf einen Mann nicht unbedingt angewiesen sind – ,sei in den Ländern, aus denen Frauen kommen, oft nicht Normalität.
Auch Asifa Jafari hat das erst lernen müssen. Allein und ohne männliche Unterstützung habe sie sich zunächst unsicher gefühlt. „Als wir hergekommen sind, wussten wir nichts über die Regeln hier“, erzählt sie. Mittlerweile schmiedet sie Zukunftspläne, will einen Schulabschluss machen und danach einen Beruf lernen und arbeiten gehen: „Als Verkäuferin oder Krankenschwester“, sagt die 29-Jährige. Wichtig ist ihr auch, dass ihre Tochter ab dem kommenden Jahr in Potsdam in die Schule gehen wird.
Sechs Frauen leben derzeit in der Wohnung, vier sind seit der Eröffnung im Oktober 2012 bereits wieder ausgezogen. Die Frauen kommen aus dem Iran, aus Afghanistan, Somalia, Kamerun und Tschetschenien. Zur Betreuung teilen sich die Mitarbeiter zwei Stellen. Sie helfen bei Behördengängen, organisieren Auflüge und kulturelle Angebote – wie zum Beispiel einen Kochabend im Friedrich-Reinsch-Haus am Schlaatz. „Kontakte sind sehr wichtig für die Frauen“, sagt Kindelberger „Unser Ziel ist, das Selbstbewusstsein der Frauen zu stärken.“ Nach spätestens zwei Jahren sollen sie in eigene Wohnungen ziehen können.
Erfreut ist Kindelberger auch über die ehrenamtliche Unterstützung: So habe etwa die Nachbarin im Haus einen Chor mit den Frauen gegründet. Auch vom Förderverein des Frauenhauses komme ehrenamtliche Unterstützung, hinzu kommen Praktikanten von der Universität Potsdam oder der Fachhochschule. Mehr Hilfe sei aber immer gern gesehen, betont sie.
Asifa Jafari will in Potsdam bleiben: „Hier bin ich glücklich“, sagt sie, auch wenn sie ihre Heimat manchmal vermisse. Sorgen macht sie sich trotzdem: Darüber, wann sie ihren Mann wiedersehen wird – sie hat seit Monaten nur telefonischen Kontakt zu ihm – und ob sie als Asylbewerberin anerkannt wird. Hala Kindelberger ist optimistisch, dass es mit der Aufenthaltsgenehmigung und der Familienzusammenführung klappen wird: „Asifa hat Papiere – es sieht gut aus.“
Am heutigen Mittwoch findet im Rathaus von 8.30 Uhr bis 16 Uhr die 5. Integrationskonferenz statt. Eröffnet wird sie um 8.50 Uhr von Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) im Plenarsaal des Stadthauses, im Anschluss spricht die Integrationsbeauftragte Magdolna Grasnick. Ab 9.50 Uhr gibt es im Raum 3025 Diskussionsrunden unter anderem zur Arbeitsmarktintegration, Kita und Schule sowie Handlungsbedarf beim Thema Asylbewerber.
- Afghanistan
- Frankreich
- Griechenland
- Hochschulen
- Iran
- Potsdam: Brandenburger Vorstadt
- Schloss Sanssouci
- Schule
- Schule und Kita in Potsdam
- Türkei
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: