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Hans Joachim Schellnhuber, Gründungsdirektor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) auf dem Telegrafenberg.

© Andreas Klaer

Nach geplatzter Ehrenbürger-Verleihung: Rathaus will erneut über Schellnhuber-Ehrung abstimmen lassen

Nach der gescheiterten Wahl zur Ehrenbürgerschaft für den renommierten Klimaforscher wollen Rathaus, SPD und Grüne noch einmal votieren. Bei der CDU sorgt das für Unverständnis.

Stand:

Das Rathaus will über die vorerst geplatzte Verleihung der Ehrenbürgerschaft an den renommierten Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber voraussichtlich erneut abstimmen lassen. Das kündigte Stadtsprecherin Juliane Grimm am Donnerstag an. Die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit war bei der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am Mittwochabend verfehlt worden.

Grimm erklärte auf Anfrage: „Gestern waren viele Stadtverordnete – zum Beispiel durch Krankheit – abwesend, sodass die nach der Satzung benötigte Mehrheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Zahl der Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung nicht zustande kam.“ Ein neuer Termin stehe noch nicht fest, die Vorlage solle aber erneut eingebracht werden.

Der Vorschlag zur Ehrung war auf Initiative des inzwischen abgewählten Oberbürgermeisters Mike Schubert (SPD) eingebracht worden. Am Mittwoch stimmten 32 von 56 Stadtverordneten für die Auszeichnung – erforderlich wären mindestens 38 Ja-Stimmen gewesen.

32
Ja-Voten erhielt Schellnhuber – nötig wären 38 gewesen.

Der 75-jährige Schellnhuber ist Gründungsdirektor des seit 1992 tätigen Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), das sich mit den Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels befasst und regelmäßig zu den meistzitierten wissenschaftlichen Einrichtungen weltweit gehört.

Schellnhuber war außerdem langjähriges Mitglied des Weltklimarats, beriet Alt-Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und den verstorbenen Papst Franziskus. Er arbeitet derzeit auch als Generaldirektor des Internationalen Instituts für Angewandte Systemanalyse in Österreich, eines Think-Tanks zur Lösung globaler Probleme. In Potsdam ist er Mitgründer der Initiative „Bauhaus der Erde“. Der Professor lebt seit Jahren im Stadtteil Sacrow und hatte sich wiederholt in stadtpolitische Debatten eingebracht, zum Beispiel sich für den Erhalt des inzwischen abgerissenen Wohnblocks Staudenhof und des Rechenzentrums ausgesprochen.

Blick in die Stadtverordnetenversammlung: Links im Bild ist SPD-Fraktionschef Nico Marquardt, in der Mitte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Silke Reimer.

© Andreas Klaer

Ablehnung gegenüber einer Ehrung kam laut Teilnehmern von AfD und Freien Wählern sowie einmal vom Wagenknecht-Ableger BfW. Auch in der CDU gab es Gegenstimmen oder Enthaltungen. Drei Unions-Mitglieder sollen sich aber auch für Schellnhuber ausgesprochen haben.

Zugleich fehlten Stadtverordnete der Linken, von Grünen-Volt-DiePartei und aus der SPD. Insofern kommentierte Lutz Boede von der Fraktion Die Andere via Facebook, es zeige sich, dass es zu wenige Fraktionen wie Die Andere gebe, „die – wenn es darauf ankommt – vollständig anwesend ist und auf deren Stimmen man sich verlassen kann“.

SPD will noch eine Abstimmung

Die SPD-Fraktion kündigte bald nach der Sitzung an, eine Wiederholung der Abstimmung noch vor der Sommerpause anstreben zu wollen. SPD-Fraktionschef Nico Marquardt sagte, Schellnhuber habe sich um das Ansehen Potsdams verdient gemacht: „Wer wie er weltweit Auszeichnungen erhält, mit internationalen Würdenträgern über die Zukunft unseres Planeten spricht und dennoch tief mit seiner Stadt verbunden bleibt, verdient unsere höchste Anerkennung.“ Und: Dass dieser Vorschlag „an fehlender Unterstützung einiger Fraktionen, insbesondere der CDU, gescheitert ist, ist ein politisches Armutszeugnis“.

Überrascht zeigte sich die Fraktionsspitze von Grünen-Volt-DiePartei über das Ergebnis: „Dazu mag beigetragen haben, dass einige Stadtverordnete aus triftigen Gründen verhindert waren, von anderen Positionen sind wir enttäuscht.“ Man sei auch für eine erneute Abstimmung, hieß es. Und: „Wir gehen davon aus, dass die Befürworter der Ehrenbürgerschaft dann vollständig anwesend sein werden und die Ernennung erfolgen wird.“

Kritik aus der CDU

Dagegen teilte CDU-Co-Fraktionschef Willo Göpel mit: „Die höchste Ehre der Stadt verdient nur, wer unumstritten ist.“ Das sei bei Schellnhuber nicht der Fall. „Der Alarmismus in seiner Kritik der deutschen Klimapolitik hat das berechtigte Anliegen nicht immer befördert.“ Aus guten Gründen stehe Schellnhuber im Goldenen Buch der Stadt. „Eine Ehrenbürgerwürde sollte Persönlichkeiten vorbehalten sein, die eine breitere gesellschaftliche Unterstützung genießen.“ Göpel weiter: „Abstimmungswiederholungen sind kein Zeichen von Demokratie.“

Die Potsdamer CDU-Stadtverordneten Willo Göpel (l.) und Lars Eichert (r.).

© Andreas Klaer/Andreas Klaer

Bedeutsam ist das CDU-Votum auch mit Blick auf einen möglichen, von mehreren Parteien getragenen Kandidaten – oder Kandidatin – für die anstehende Oberbürgermeisterwahl in Potsdam. Denn mit solchen Entscheidungen, einem so renommierten Wissenschaftler die Ehrenbürgerwürde zu versagen, werde eine Zusammenarbeit nicht einfacher, hieß es zum Beispiel von Grünen-Vertretern hinter vorgehaltener Hand.

Schellnhuber selbst hat sich auf Anfrage bisher nicht zu dem gescheiterten Ehrenbürgervotum geäußert. Auch das PIK sowie die von ihm mitgegründete Initiative „Bauhaus der Erde“ reagierten bislang nicht öffentlich.

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