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Ein Fahrzeug des Gesundheitsamts vor der Grundschule am Telegrafenberg nahe der Heinrich-Mann-Allee.

© Andreas Klaer/Andreas Klaer

Update

Nach Tod eines Schülers: Weitere Meningokokken-Verdachtsfälle in Potsdam

Nach dem Tod eines siebenjährigen Kindes aus der Grundschule am Telegrafenberg untersucht das Gesundheitsamt zwei weitere Verdachtsfälle. Vor Ort wird um den Mitschüler getrauert.

Stand:

Nach dem Tod eines siebenjährigen Schülers nach einer Meningokokken-Infektion will das Gesundheitsamt eine Ausbreitung verhindern. „Zwei weitere Verdachtsfälle bedürfen einer abschließenden Klärung“, teilte die Stadtverwaltung am Donnerstag mit. „Bisher konnten keine Meningokokken nachgewiesen werden.“ Es seien bei den Verdachtsfällen vorsorglich Antibiotika verabreicht worden.

Die Betroffenen befinden sich laut Stadt in gutem Zustand. Die Eltern sollten sich melden, falls sich das ändert, sagte eine Stadtsprecherin. Wie sich der Siebenjährige infizieren konnte, blieb laut Rathaus unklar.

Um eine Ausbreitung zu verhindern, werden auch Menschen, die Kontakt mit dem Jungen gehabt haben oder als Kontaktperson infrage kommen, vorsorglich behandelt oder es wird ihnen das Angebot dazu gemacht. „Insgesamt betrifft dies rund 380 Personen, bei denen ein Prophylaxebedarf besteht oder noch geprüft werden muss“, teilte die Stadt auf Anfrage mit.

Behandelt wurden demnach die Schüler in der Klasse des Siebenjährigen sowie mögliche Kontaktpersonen im Hort und im Sportverein des Jungen. Auch Lehrkräfte und Menschen aus dem Wohnumfeld werden laut Stadt einbezogen.

Nach dem Tod eines Grundschülers in Potsdam an einer Meningokokken-Infektion behandelt das Gesundheitsamt Menschen in seinem Umfeld vorsorglich mit Antibiotika.

© Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa

Nun sollen gerade Eltern aufmerksam ihre Kinder beobachten. „Bei Auftreten von Beschwerden wie Fieber, starken Kopfschmerzen, Nackensteifigkeit, Hautausschlag mit kleinen punktförmigen Blutungen oder einem allgemeinen schweren Krankheitsgefühl muss sofort ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden“, so das Rathaus.

Der Junge besuchte die Grundschule am Telegrafenberg. Dort waren am Donnerstag auch Mitarbeiter des Gesundheitsamts zu sehen, die Schüler und Eltern beim Verlassen der Schule beaufsichtigten. Die Schule hat Hilfe bei der Bewältigung bekommen. Brandenburgs Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) sagte, er habe mit Entsetzen vom Tod des Schülers erfahren. Sein Mitgefühl gelte der Familie in dieser schweren Zeit.

Unterricht ausgesetzt

Laut Ministerium hat die Schule den Unterricht am Donnerstag ausgesetzt, um Raum für eine altersangemessene Verarbeitung zu schaffen. „Die Lehrkräfte haben den Kindern nach Bedarf auch individuelle Möglichkeiten der Trauer und Verarbeitung gegeben“, so ein Ministeriumssprecher. Insbesondere die Mitschülerinnen und Mitschüler in der Klasse des verstorbenen Schülers und die Klassenlehrkraft seien von Schulpsychologen betreut worden. „Der Sitzplatz des verstorbenen Schülers wurde besonders gestaltet und Erinnerungen der Mitschülerinnen und Mitschüler in einem Heft für die Familie zusammengestellt. So geben sie auch ihr Mitgefühl an die Familie weiter“, teilte das Ministerium mit.

Das Angebot der schulpsychologischen Betreuung stehe auch in den kommenden Tagen zur Verfügung. Die Schule wird laut Ministerium einen Raum für Trauer und Verarbeitung einrichten. Allerdings sei auch wieder Unterricht vorgesehen, aber an den Bedürfnissen der Kinder ausgerichtet.

Erkrankungen selten, aber hochgefährlich

Der Siebenjährige starb nach Angaben der Stadt am Dienstag an einer Meningokokken-Infektion. Solche Erkrankungen sind in Deutschland selten, aber gefährlich. Meningokokken sind Bakterien. Sie können eine lebensgefährliche Hirnhautentzündung oder Blutvergiftung auslösen. Da die Erreger, die sich im Nasen-Rachen-Raum von Menschen ansiedeln, gewöhnlich außerhalb des Körpers rasch absterben, ist laut Robert-Koch-Institut (RKI) für eine Ansteckung ein enger Kontakt erforderlich. 

Auch die Kinderärztin Liane Albrecht, Oberärztin in der Pädiatrischen Notfall- und Intensivmedizin am Ernst-von-Bergmann-Klinikum, sagte den PNN, die Übertragung erfolge über eine Tröpfcheninfektion, „wobei tatsächlich ein Speichelkontakt stattfinden muss“. Das sei auch ohne eine vorangegangene Infektion im Umfeld des Kindes möglich.

Es werde davon ausgegangen, dass rund zehn Prozent der Bevölkerung den Krankheitserreger in sich tragen, aber nicht daran erkranken. „Nicht jeder Körper reagiert gleich“, so die Ärztin. Beunruhigende Symptome seien auch, wenn Betroffene nicht mehr aufstehen oder sprechen können.

Bei Verdacht auf eine Meningokokken-Infektion empfiehlt auch sie: „Sofort den Krankenwagen rufen!“ Es sei verständlich, dass Panik auftreten könne, so Albrecht. „Es ist aber wichtig, ruhig zu bleiben und die Symptome zu beobachten.“

Für Meningokokken C gibt es seit rund 20 Jahren eine Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko). Rund 90 Prozent der Kinder seien bei der Einschulung dagegen immunisiert, so die Ärztin. Bei Kindern habe es in den vergangenen Jahren gar keine Fälle mit Meningokokken C mehr gegeben. Gegen den B-Stamm sei die Empfehlung erst im vergangenen Jahr von der Stiko aufgenommen worden. „Die Hürde war hoch, man musste die Impfung selbst zahlen, das können sich nicht alle Familien leisten.“ Das heiße jedoch nicht, dass es sich im aktuellen Fall um einen Meningokokken-B-Fall handeln müsse, da es auch noch andere Stämme gebe, betonte Albrecht.

Die Inkubationszeit zwischen der Ansteckung und dem Ausbruch der Symptome beträgt laut Albrecht meist drei bis vier Tage, kann aber auch bis zu zehn Tage dauern. Eine Prophylaxe mit Antibiotika bei Verdacht in diesem Zeitraum „hilft auf jeden Fall“, so die Ärztin. Ob ein Verdachtsfall tatsächlich ein Infektionsfall ist, zeige sich in Blutproben zumeist ziemlich schnell, normalerweise innerhalb von 24 Stunden, so Albrecht. Im anderen Fall gibt es aber erst Entwarnung, wenn die Proben fünf Tage lang „sauber“ bleiben, also in dieser Zeit keine infektiösen Bakterien nachgewiesen werden. Hier ist bei Verdachtsfällen keine Nachricht die bessere Nachricht.

Zuletzt gab es so eine Erkrankung in Potsdam vor sieben Jahren

Nach Angaben des RKI gab es im vergangenen Jahr 344 schwere Meningokokken-Erkrankungen in Deutschland, in diesem Jahr bislang 227. In Brandenburg gab es 2024 insgesamt sechs Fälle, 2025 bisher fünf. In Potsdam hatte es im Jahr 2018 zuletzt einen Meningokokken-Fall gegeben.

Laut RKI liegt die bundesweite jährliche Meningokokken-Inzidenz – die Zahl neu aufgetretener Erkrankungen – bei unter vier Erkrankungen pro einer Million Einwohner. Es erkranken vor allem Kinder im ersten und zweiten Lebensjahr. Die Ständige Impfkommission empfiehlt eine Impfung von Säuglingen und Kleinkindern gegen Meningokokken unterschiedlicher Serotypen. Die Erkrankung ist meldepflichtig. (mit dpa)

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