Kultur: Die Entdeckung Kunststudenten zeigen ihre Arbeiten in Heilstätten Beelitz
Farbreste, die wie Schneeflocken von der Decke herabrieseln, ein Dom aus Schokolade als süßere Versuchung, eine Geräusch-Animation mit acht Aufnahmegeräten, durch verschiedenformatige Flüstertüten verstärkt, ein merkwürdig anmutendes Ameisen-Projekt und andere wunderliche Dinge können Besucher des „Männerlungenheilgebäudes B 3“ nahe der A 9 ab morgen in kunstverständigen Augenschein nehmen. Nach „Vergangenheit - Gegenwart - Zukunft“ im letzten Jahr sind die jämmerlich verfallenen Heilstätten bei Beelitz nun wieder im Gespräch, diesmal mit der Pilotausgabe einer „Europäischen Austausch-Akademie“ für die studierende Jugend des Kontinents, am Gegenstand der Kunst.
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Farbreste, die wie Schneeflocken von der Decke herabrieseln, ein Dom aus Schokolade als süßere Versuchung, eine Geräusch-Animation mit acht Aufnahmegeräten, durch verschiedenformatige Flüstertüten verstärkt, ein merkwürdig anmutendes Ameisen-Projekt und andere wunderliche Dinge können Besucher des „Männerlungenheilgebäudes B 3“ nahe der A 9 ab morgen in kunstverständigen Augenschein nehmen. Nach „Vergangenheit - Gegenwart - Zukunft“ im letzten Jahr sind die jämmerlich verfallenen Heilstätten bei Beelitz nun wieder im Gespräch, diesmal mit der Pilotausgabe einer „Europäischen Austausch-Akademie“ für die studierende Jugend des Kontinents, am Gegenstand der Kunst. Beelitz tritt als Veranstalter auf, die Kampagne „Kulturland Brandenburg“ unterstützt die Idee von der „Verborgenen Stadt“ nach Kräften. Harry Heying, Amsterdam, neben dem Potsdamer Erik Bruinenberg zweiter Kurator des Unternehmens und noch immer vom Charme dieser natürlichen Kunstlandschaft angetan, stellte das Projekt der Presse in seinen Grundzügen vor. Seit August setzen sich hier, wie man sich Platons „Akademi“ im Grünen so vorstellt, über 40 Studenten aus fünf europäischen Kunsthochschulen mit diesem Thema auseinander. Amsterdam, Potsdam, Leeds, Gent, und die UdK Berlin stellten Dozenten und Betreuer, die Kinder der Kunst selbst repräsentieren das junge Europa: England und Belgien, Spanien und die Niederlande, Deutschland und Dänemark, Portugal und Irland findet sich in Beelitz wieder. Ihr Arbeitstag beginnt gegen 8 Uhr und endet um 17 Uhr, manche sind neugierig, andere, wie die Belgier (wegen ungewohnter Lehrmethoden), eher unzufrieden. Sie alle schaffen in der Holz- oder der Eisenwerkstatt, wo alles nach Metall riecht, sie malern und bauen, grübeln und schöpfen aus ihrem Vermögen, und aus dem ihrer Lehrer. Wie immer man das auch sieht, manches Stück dieses Gebäudes ist schöner geworden, schon im Eingangsbereich. Professionell, so Heyink, sei die Präsentation des zu eröffnenden Projektes, seinen Studenten aber räumt er, fair, noch suchende Wege ein. Er lobte das Interesse der Beelitzer (samt Umgebung): Firmen und Privatpersonen spendeten Holz und Stahl, Farbe und anderes Material für die Visualisierung dieser verborgenen Stadt, die Hitler genauso gesehen wie Honecker. Kaum ein Genre werde ausgelassen, sich Wald und Gebäude, Kunst und Natur, dem Neuen im Alten auszusetzen. Eine Studentin schuf sogar mehrere „Heilstätten-Lieder“, was Thomas Wardin als „Major of Beelitz“ erfreute. Man wird der noch immer favorisierten Installationen in Fülle ansichtig werden, Videoclips und Kurzfilme sehen, endlose Gänge des Heilgebäudes erobern – manche der umtriebigen Studenten bewältigten sie mit dem Skateboard – Einzelarbeiten und Gemeinschaftsprojekte, wie die geheimniskramige „Wunderkammer“ zu bestaunen haben. Man suchte auch Kontakt zu den beiden Kliniken nebenan, daraus ein Western-Video mit den Reha-Kindern entstand – alles „No budget“, Respekt. Die jungen Leute sind neugierig, nachdenklich. Einen beschäftigen wiederkehrende Muster, und kämen sie auch von der Wurst, der zweite lässt Moos aus den aufgeplatzten Farbblasen wachsen, den nächsten treibt die Frage, wie eine Maschine Menschen vereinigen könne – kopulativ, versteht sich. Alles sei für die Gegenwart geschaffen, so Heyink, nichts für die Ewigkeit. Das gilt wohl auch für die noch nicht vollendete Metallkonstruktion, woran morgen ein Schwein gespießt und gegrillt werden soll; keine Kunst, versteht sich, aber gediegen. Schade, dass man die traditionelle, von den Altmeistern herkommende Intension kaum fand – bei diesem poetischen Thema! Die verblüffendste und vielleicht produktivste Idee (vom Vorab-Geschauten) hatte wohl Tjimen Hauer, bei ihm kommen Vergangenheit und Gegenwart nach dem Musketier-Spruch „Einer für alle!“ direkt zusammen. Zwei Wochen lang schuftete er, um einen Raum auf Vordermann zu bringen, bis zum frisch geölten Parkett: Renovierung als exemplifizierte Tat – die Kunst, als Differenz, kommt im Kopf ganz allein dazu. Wo also wäre das alte Europa, wenn nicht „hier“, selbst wenn Brandenburg seinen Status als „Mark“ (Grenzland) 2004 abgeben sollte. Die erste „Austausch-Akademie“ gehört dazu, mit oder ohne Platon, ist sie am richtigen Ort. Strategisch denkende Investoren sollten das jetzt erkennen, in dieserSanatoriums-Landschaft liegt das Geld vor aller Füßen, in der Verborgenen Stadt, von den Studenten nur ansatzweise offengelegt: Da ist noch viel drin. Gerold Paul Vom 22. bis zum 28. September geöffnet, täglich von 16 bis 20 Uhr, Samstags und sonntags von 14 bis 20 Uhr.
Gerold Paul
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