Von Heidi Jäger: Die Unbequeme
Jutta Hoffmann feiert heute ihren 70. / Das Filmmuseum ehrt sie ab 10. März mit einer Foyerausstellung
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Auf dreizehn Metern liegt es ausgebreitet, ihr prallgefülltes Schauspielerleben: geliebt, beargwöhnt, umjubelt. Jutta Hoffmann geht an Hunderten von Fotos vorbei, nimmt sozusagen ihre eigene Parade ab. Und sie lacht dabei immer wieder in ihrer so jung wirkenden Frische und Natürlichkeit. „Nein, ich fasse es nicht. Was spiele ich denn hier? Wieso flirte ich mit Herrn Gräf? Und hier wird ja schon wieder geflirtet. Mit Egon. Das glaubt einem keiner, dass man nichts miteinander hatte“, kommentiert sie munter die aufgereihten Schnappschüsse. Ihr Mann, der österreichische Schauspieler und Regisseur Niko Haenel, begleitet Jutta Hoffmann in liebevoll-charmanter Zurückhaltung durch die entstehende Ausstellung im Archiv des Filmmuseums. Auch er ist auf den Fotos zu sehen, wie er mit Jutta Hoffmann gemeinsam 1978 in Tschechows „Platonow“ an der Freien Volksbühne West-Berlin auf der Bühne stand und es zwischen ihnen funkte. Es sollte nicht mehr lange dauern, bis Jutta Hoffmann das Land, „die Pappschachtel“, wie sie sagt, verlässt. Sie kommt zu Kollegen nach München und Hamburg, die erstaunt sind, dass auch jemand aus dem Osten spielen kann. Und wie!
Die akribisch vorbereitete Ausstellung zum heutigen 70. Geburtstag der vielgesichtigen Mimin, die am 10. März im Foyer des Filmmuseums eröffnet wird, erzählt von allen Phasen des erfüllten Schauspielerlebens. Eine Porträtwand mit 20 großformatigen Fotos wird es geben und darunter viele kleine Fotos aus ihren Kino- und Fernsehfilmen und von den zahllosen Theateraufführungen. Ein wandelbares Gesicht, forsch und entschlossen, zart und verletzlich, in erregender stiller Konzentration. Die Ausstellung ist eine Wanderung durch Gesichter- und Seelenlandschaften. Nie gemütlich. Jutta Hoffmann ist eine, die sich reibt und andere aufgerieben hat. „Es ist bequemer, auszuweichen und so zu sein wie alle. Das ist sehr anstrengend, sich nicht abbringen zu lassen“, ist auf Notizen zwischen den Fotos zu lesen.
Jutta Hoffmann hat das Film- und Theaterleben inzwischen weitgehend hinter sich gelassen, auch das Dozieren als Professorin an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg. Heute spaziert sie mit ihrem geliebten Österreicher, dem Vater von Sohn Valentin, den sie bekam, als die Tochter Katharina fast erwachsen war, durch die neue Heimatstadt Potsdam, dort, wo sie einst studierte, und wo sie sich heute über die Hundescheiße und die lauten Lkw in der Innenstadt ärgert.
Für die von 1959 bis 2002 einen Bogen schlagende Ausstellung haben die Kuratoren Birgit Scholz und Peter Warnecke auch ein Foto ihres ersten Auftritts aufgestöbert: Strahlend glücklich beim Überreichen eines Blumenstraußes. Eigentlich war Jutta Hoffmann damals nur Zaungast beim Drehen von Günter Reischs „Maibowle“ vor den Buna-Werken ihrer Stadt Schkopau. Als der Aufnahmeleiter rief: „Wer würde hier ...?“, fiel sie ihm spontan ins Wort, noch bevor er die Frage ganz ausgesprochen hatte: „Ich, Ich, Ich“. Und die strahlend junge Abiturientin wurde tatsächlich von der Straße weg „engagiert“: Für die ersten 30 Filmsekunden ihres Lebens. „Kurz, aber sehr eindrücklich“, scherzt sie und streicht sich über die locker im Nacken gehaltenen rotblonden Haare. Sie hatte damals sofort Schauspielblut geleckt und bewarb sich in Leipzig an der Theaterhochschule. Vergebens, sie war kein Arbeiter- und Bauernkind. Der Vater, ein Angestellter, fuhr mit ihr an die Schule und intervenierte. Und so bekam die Tochter doch noch einen Studienplatz: allerdings an der Filmhochschule Babelsberg. Ein Katzensprung zu ihrem ersten Arbeitsplatz, der Defa. Jutta Hoffmann schaute immer genau, mit wem sie arbeitete und war in ihren Kritiken nicht fein. Bei Egon Günther spielte sie das erste Mal 1970 in „Junge Frau von 1914“, nachdem sie seinen Film „Abschied“ gesehen hatte. „Ich dachte: Das könnte es vielleicht sein. Der ist kein Volltrottel.“ Auf einem der Fotos sieht man beide vertraut am Fuße vom Schloss Sanssouci sitzen. „Dort hat mir Egon erklärt, dass man schon morgens um 5 Uhr aufstehen muss, weil dann das schönste Licht zum Drehen ist“, erzählt sie. Auch Egon Günther wird in der Ausstellung zitiert. Er sagte über sein „Medium“: „Jutta ist nicht unterdrückbar. Sie steht da und kann nicht anders.“ Und genau diese Haltung war es wohl, die ihn in ihren gemeinsamen Filmen wie „Der Dritte“, „Die Schlüssel“ oder „Lotte in Weimar“ faszinierte.
Und andere auf die Palme brachte. Als unvergessenes „Lämmchen“ in „Kleiner Mann – was nun“ wurde die gebürtige Hallenserin während der Dreharbeiten zum damaligen Chef des DDR-Fernsehens zitiert. Der forderte sie auf, eine Proletarierin zu spielen und keine Kleinbürgerin. Sie sah ihre Rolle anders und intervenierte: „Wenn Ihnen das nicht passt, dann müssen sie mich umbesetzen.“ Sie behielt die Rolle: An der Seite von Arno Wyzniewski und Wolf Kaiser. „Viele Tote“, sagt Jutta Hoffmann und schaut nachdenklich auf die Fotos mit ehemaligen Kollegen.
Sie hat mit allen Größen der Schauspielkunst gearbeitet, mit Lilli Palmer, Manfred Krug, Armin Mueller-Stahl, Inge Keller. Und sie unterschrieb 1976 die Petition gegen die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermanns. Die ersten, die bald darauf in den Westen gingen, waren Katharina Thalbach und ihr Mann Thomas Brasch. Brasch holte Jutta Hoffmann nach West-Berlin an die Freie Volksbühne, wo Luc Bondy seine Platonow-Bearbeitung inszenierte. Die DDR, in der sie mit ihren Filmen immer wieder aneckte und es zu Aufführungsverboten kam, gab dazu grünes Licht. Eines Tages erhielt sie, längst wieder zurück im Osten, das Angebot, in Salzburg „Torquato Tasso“ zu spielen. Einen Entschluss, die DDR zu verlassen, gab es nicht, sagt sie. Ganz allmählich wurden München und Hamburg die Orte, an denen sie arbeitete.
Einer der wichtigsten Regisseure war für sie neben Peter Zadek der Ostdeutsche Einar Schleef. Ihr „Fräulein Julie“ 1975 am Berliner Ensemble war der Theaterskandal des Jahres, die Brecht-Erben liefen Sturm gegen diese Strindberg-„Vergewaltigung“. Nach der Wende erneuerte sie die Zusammenarbeit mit Schleef, die fünfstündige Aufführung von „Verratenes Volk“, in der sie Rosa Luxemburg als Jeanne d’Arc interpretierte, sorgte für Entsetzen und Begeisterung zugleich. „Wo Schleef ist, waltet Tragödie, und Jutta Hoffmann ist zwischen Empfindsamkeit und Unbotmäßigkeit Schleefs ideale Interpretin“, hieß es, als sie den Kritikerpreis der „Berliner Zeitung“ erhielt und als Neuerin großen Zeittheaters gefeiert wurde.
Mit Fotos von dieser Inszenierung, in der sie im Jahr 2000 noch einmal als großer Star brillierte, schließt die Ausstellung und fast auch ihr reiches Arbeitsleben. „Wenn Menschen wie Einar Schleef gehen, bleibt nicht so viel Auswahl an Regisseuren, die einem gefallen. Und ich finde, was die Jugend macht, nicht immer spannend“, ist sie bis heute die strenge Urteilerin geblieben. Sie spielte noch in vier Folgen die „Polizeiruf“-Kommissarin, zog sich dann aber weitgehend aus ihrem Beruf zurück.
Es geht ihr wie den meisten Schauspielerkolleginnen in ihrem Alter. „Es gibt keine Geschichten mehr für uns, nur Girlanden. Wenn Bücher kommen, sind die über eine krebskranke Oma oder dass die Russen schuld sind.“ Jutta Hoffmann zitiert Heiner Müller: „Das Alter kommt mit heimlichem Tritt und zeigt dir die Faust“. „Das ist doch wirklich gut“, sagt sie begeistert, auch wenn sicher etwas Wehmut dabei mitschwingt. Noch ist von dieser Faust bei der vitalen schlanken Frau nichts zu spüren. Es bleibt die Hoffnung, dass noch nicht der letzte Punkt unter die Arbeitsbiografie von Jutta Hoffmann gesetzt ist.
Die Ausstellung wird am 10. März um 19. 30 Uhr im Beisein von Jutta Hoffmann und Egon Günther eröffnet. Zu sehen ist ihr Film „Die Schlüssel“. In einer Filmreihe laufen außerdem „Karla“, „Junge Frau von 1914“, „Das Versteck“ und ein „Polizeiruf“
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