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Überzeugungsspieler. Deniz Naki, hier im Trikot des FC St. Pauli, hat sich nie den Mund verbieten lassen. In der Türkei wird ihm nun „terroristische Propaganda“ vorgeworfen.

© dpa

Ex-Jugendnationalspieler vor Gericht: Deniz Naki droht Haftstrafe in der Türkei

Fußballer Deniz Naki hat in mehreren Posts das Vorgehen des türkischen Militärs gegen die Kurden kritisiert. Dafür droht ihm jetzt das Gefängnis.

Jan van Aken befürchtet das Schlimmste. „Es kann gut sein, dass er ins Gefängnis kommt“, sagt der Bundestagsabgeordnete der Linken. „Das wäre absurd. Nur weil jemand für die Kurden ist, ist er nicht gleich für den Terrorismus.“ Das Mitglied des Auswärtigen Ausschusses ist an diesem Dienstag in der südosttürkischen Stadt Diyarbakir. Dort findet der Prozess gegen den ehemaligen deutschen U-21-Nationalspieler Deniz Naki statt. Dem 27-Jährigen wird von der türkischen Staatsanwaltschaft vorgeworfen, terroristische Propaganda über die sozialen Medienkanäle Twitter und Facebook verbreitet zu haben. Deniz Naki, Sohn türkisch-kurdischer Eltern, drohen bis zu fünf Jahre Haft.

Es ist noch nicht lange her, da galt Naki als einer der talentiertesten Fußballer des Landes. Der Offensivspieler durchlief von der U 17 bis zur U 21 sämtliche deutsche Jugendnationalmannschaften. Dass er sich am Ende nicht mal in der Zweiten Liga dauerhaft durchsetzen konnte, lag wohl auch daran, „dass das Eingliedern in die Ordnung nicht sein Ding war“, wie sein ehemaliger Trainer André Schubert in dem Dokumentarfilm „Trainer!“ erzählte.

Deniz Naki hat sich immer gerne als Rebell gesehen, als jemand, der sich nicht den Mund verbieten lässt. Deswegen haben ihn die Fans des FC. St. Pauli, wo er von 2009 bis 2012 spielte, geliebt. Und deswegen passt es auch, dass er sich das Konterfei des einstigen Guerillaführers Che Guevara auf die linke Hand tätowieren ließ. Doch während Naki in Deutschland für seine Unangepasstheit höchstens Spielsperren bekam, könnte er dafür in der Türkei mit dem Gefängnis bestraft werden.

Nachdem er sich auch beim türkischen Erstligisten Genclerbirligi Ankara nicht durchsetzen konnte, wechselte er 2015 zum Drittligisten Ahmed SK, dem bekanntesten Verein aus Diyarbakir. Und es schien fast so, dass Naki nicht nur den Verein, sondern auch seine Bestimmung wechselte. Deniz Naki, das gescheiterte Talent, trat ab in die Niederungen des Fußballs, um sich der politischen Situation in seinem Land zuzuwenden. Dabei kannte er das Heimatland seiner Eltern lange Zeit nur aus dem Fernsehen, aufgewachsen ist er im Rheinland.

Ahmed SK gilt in der Türkei als inoffizielle kurdische Nationalmannschaft. Kaum war der Wechsel vollzogen, nutzte Naki die sozialen Medienkanäle, um seine Botschaften loszuwerden. Er kritisierte darin immer wieder die türkische Armee und Regierung. Einmal postete er ein Bild von toten palästinensischen Kindern und schrieb – aus Irrglauben, wie er später sagte – darunter, dass es sich hierbei um von der türkischen Armee getötete kurdische Kinder handele.

Naki muss einen hohen Preis für seine veröffentlichte Kritik zahlen: Nachdem er einen Sieg seines Vereins den Opfern des türkisch-kurdischen Konflikts gewidmet hatte, wurde er vom Verband für zwölf Spiele gesperrt. Naki aber postete weiter, bis die türkische Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen ihn eröffnete. Präsident Recep Tayyip Erdogan nutzt den Ausnahmezustand seit dem Putschversuch im Juli dieses Jahres, um die türkische Opposition mundtot zu machen. Und genau das könnte Naki nun zum Verhängnis werden. Dabei hat er einen deutschen Pass und könnte jederzeit die Türkei verlassen. Naki aber will bleiben, will sich nicht den Mund verbieten lassen. So hat er das immer gehalten.

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