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Benedict Hollerbach bleibt Unions gefährlichster Offensivspieler.

© imago/Michael Taeger

Der 1. FC Union vollbringt psychologischen Kraftakt: Mit Atemübungen zum Klassenerhalt

Mit dem Sieg gegen Wolfsburg macht der 1. FC Union Berlin den Klassenerhalt so gut wie sicher. Siegtorschütze Benedict Hollerbach spricht über psychologische Herausforderungen.

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Als er am Sonntag die unvermeidliche Frage nach der Tabelle gestellt bekam, blieb Benedict Hollerbach bei der Parteilinie. „Wir sind noch im Abstiegskampf“, betonte der Siegtorschütze des 1. FC Union Berlin nach dem 1:0 gegen VfL Wolfsburg.

Doch er musste dabei schmunzeln und seine Augen sagten etwas Anderes.

In Wahrheit ist Union jetzt so gut wie durch im Rennen um den Klassenerhalt. Nach dem dritten hart erkämpften Sieg innerhalb eines Monats haben die Berliner 33 Punkte auf dem Konto. Damit ist der direkte Abstieg inzwischen so weit entfernt wie die Champions-League-Plätze. Sechs Spieltage vor Saisonende hat sich Union wieder ins Mittelmaß hochgearbeitet. „Wir sind natürlich froh über die Ausgangslage“, sagte Hollerbach.

Doch es war ein Kampf. Das war auch am Sonntag erneut zu sehen, als Union in der Anfangsphase zwar deutlich überlegen war, danach aber über lange Strecken leiden musste. Wie schon bei den Siegen in Frankfurt und Freiburg stand auch dieser wichtige Schritt bis zum bitteren Ende auf der Kippe. Und wie Hollerbach zugab, verlangte das einen psychologischen Kraftakt.

„Natürlich zweifelt man. Das ist total menschlich. Ich habe auch noch mal mit unserer Psychologin gequatscht in der Halbzeit, weil man dieses Unterbewusstsein einfach ausschalten muss, um weiter im Flow zu bleiben“, erzählte Unions Stürmer. „Sie hat mir eine Atemübung mitgegeben, um die Gedanken ein bisschen auszuschalten. Und das hat ganz gut geklappt“.

Im Presseraum sorgte das für heiteres Interesse: Auch, weil Spieler in solchen Interviews sonst selten so offen über die Abläufe in der Kabine sprechen. Im tief eingespielten Theater der Mixed Zones rechnet man normalerweise eher mit telegrafierten Floskeln als mit Ängsten und Atemübungen.

Abstiegskampf als mentale Herausforderung

Dabei sagt das vielleicht mehr über die Axiome und Reflexe des ehrwürdigen Spieltagsjournalismus aus als über den Profifußball selbst. Denn genauer betrachtet waren die Aussagen gar nicht so ungewöhnlich. Psychologen gehören schon seit Jahren zum Alltag im Profifußball und Hollerbach ist längst nicht der einzige Profi, der das Thema offen anspricht.

Hollerbachs früherer Teamkollege Robin Gosens etwa sprach zuletzt in einem Interview bei Dazn darüber, dass er nach der Karriere selbst Psychologe werden möchte. Er sei während seiner Zeit in Berlin selbst in ein „mentales Loch“ gestürzt und kenne auch andere Spielerkollegen, die unter Angstzuständen und Panikattacken leiden.

Der Fußball ist eben nicht immer nur Floskel und Machismus. Auch Steffen Baumgart – vom Klischee her eher ein Ärmel-Hochkrempler der alten Schule – war von dem besonderen Interesse an Hollerbachs Konsultation der Psychologin verblüfft. „Deswegen haben wir sie ja. Damit sie hilft. Hat sie gemacht. Perfekt“, sagte der Trainer mit einem Schulterzucken.

Der Abstiegskampf ist ja auch in erster Linie eine mentale Herausforderung. Vor vier Wochen war Union nach der Niederlage gegen Holstein Kiel an einem Tiefpunkt angekommen, mit dem Aufschwung der letzten Wochen war damals gar nicht zu rechnen. Dass sich die Mannschaft trotzdem aus dem Loch gekämpft hat – und das gegen vermeintlich stärkere Gegner wie Frankfurt und Bayern – war vor allem ein psychologisches Verdienst.

Davon schwärmte am Sonntag auch Benedict Hollerbach: „Wir haben eine Weltklasse-Reaktion gezeigt nach Kiel. Das sagt viel über die Mannschaft, über den Staff und über die Mentalität aus, dass nicht irgendwie resigniert oder emotional reagiert wird, sondern dass man einfach weiter bei sich bleibt und kontinuierlich mit Selbstvertrauen in jedes Spiel geht. Da bin ich sehr stolz drauf und das zeichnet uns auch aus.“

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