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Sport: Einwerfen für den Ernstfall

Für die deutschen Handballer beginnt die WM mit Außenseitern

Viseu. Keine Frage, dieser deutsche 34:27-Sieg in Dortmund gegen den WM-Mitfavoriten Russland, der letzte Test vor der am heutigen Montag startenden Weltmeisterschaft, war eine starke Demonstration modernen Handballs. Bundestrainer Heiner Brand blieb jedoch cool. „Wie flüssig wir wirklich spielen können, das zeigt sich erst im Ernstfall.“ Ob der Sieg überhaupt irgendeinen Stellenwert besitzt, werden indes auch die anfänglichen Vorrundenspiele der Deutschen bei der Weltmeisterschaft kaum zeigen. Verfügen die ersten drei Gruppengegner Katar (heute, 15.15 Uhr, ARD), Australien (Dienstag) und Grönland (Donnerstag) doch allenfalls über Regionalliga-Format.

Zwar hat sich Asienvertreter Katar bei der Qualifikation immerhin mit 38:23 gegen Südkorea durchgesetzt, doch werden sich die Handball-Exoten aus dem Scheichtum nur in den ersten Minuten gegen die deutsche Kraft und Athletik zur Wehr setzen können. Australien darf man nur geringfügig stärker als Grönland einstufen, gegen das Deutschland bei der WM 2001 in Frankreich 39:8 gewonnen hatte. Man mag darüber nachdenken, wie viel Sinn darin besteht, drei Gegner derartiger Qualität in eine WM-Vorrunde zu losen, während sich parallel dazu in anderen Gruppen vier starke Europäer zu messen haben.

Es entbehrte jedenfalls nicht einer gewissen Ironie, als der Magdeburger Star Stefan Kretzschmar neulich, nach seinen Erwartungen für die WM befragt, mit unfassbar ernstem Gesichtsausdruck „drei Siege aus den ersten drei Gruppenspielen“ einforderte. Ist doch allen klar, dass das Turnier für die deutsche Mannschaft so richtig erst mit den Spielen gegen Gastgeber Portugal (Samstag) und vor allem gegen die individuell starken Isländer (Sonntag) beginnt. Diese Partien haben bereits richtungsweisenden Charakter, weil die Punkte gegen einen der beiden Gegner mit in die Hauptrunde genommen werden. So lange aber ist Sparring angesagt, ein ziemlich langes Einwerfen.

Bundestrainer Brand wird viele Wechsel vornehmen in diesen Spielen, deren einziger Reiz in der Höhe der deutschen Siege besteht. Volker Zerbe, der im Duell mit den Russen ein Comeback feierte, wird die leichte Gegnerschaft ganz recht sein, kann er sich doch so ohne großen Stress in die Mannschaft integrieren. Der 2,11 Meter große Linkshänder vom TBV Lemgo kommt bisher auf 259 Länderspiele für Deutschland und ist mit 34 Jahren der älteste Akteur im Kader. Allzu gern würde er am Abend seiner Karriere noch einmal den WM-Titel holen. „Aber wir sind nicht arrogant. Wir wissen, dass wir viele kleine Schritte auf dem langen Weg dahin gehen müssen. Deswegen ist die Qualifikation für die Olympische Spiele 2004 zunächst das Ziel, also mindestens ein siebenter Platz. Wenn wir das geschafft haben, dann wollen wir ins Halbfinale.“ Zu den größten Konkurrenten zählt er Schweden, Russland und Frankreich. „Gegen Gegner dieser Qualität kommt es auf die Tagesform an.“

Nach den Ausfällen von Daniel Stephan und Frank von Behren setzt Bundestrainer Brand nun vor allem auf Zerbe als Schützen aus dem Rückraum. Eine zu große Belastung für den als sensibel geltenden Zerbe? „Damit kann ich umgehen. Außerdem: Handball ist nun mal ein Mannschaftsspiel. Da kommt es nicht auf ein oder zwei Leute an. Insofern werden wir auch die Ausfälle zweier Spitzenspieler verkraften.“ Ob für Zerbe, der schon mehrmals zurückgetreten und dann immer wieder angetreten war, wie für Stefan Kretzschmar nach Olympia 2004 in Athen endgültig Schluss ist, lässt er offen. „In meinem Alter sollte man als Leistungssportler demütig sein und nicht so weit vorausplanen. Die Frage nach dem Aufhören stellt sich also vor jedem Turnier neu.“ Viel wird natürlich auch davon abhängen, ob die Weltmeisterschaft in Portugal für die Deutschen eine Enttäuschung wird wie viele andere große Turniere.

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