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Englands Finalfluch hält an: Spanien trifft spät und ist neuer Europameister
Im Berliner Olympiastadion dümpelt das Endspiel lange Zeit vor sich hin – das ändert sich in Halbzeit zwei schlagartig. Die Spanier siegen dank der Treffer von Nico Williams und Mikel Oyarzabal.
Stand:
Viele Stunden vor dem Finale sangen die englischen Fans schon davon, dass der Fußball an diesem Sonntagabend nach Hause kehren würde. „Football’s coming home“ schallte es durch die Straßen rund um das Berliner Olympiastadion.
Die große Hoffnung, mit der männlichen Nationalmannschaft den nächsten großen Titel nach der Weltmeisterschaft 1966 nach England zu holen, wurde aber enttäuscht. Durch die 1:2 (0:0)-Niederlage geht das Warten für die Three Lions weiter.
Spanien ist jetzt Rekord-Europameister
Das spanische Nationalteam hingegen ist dank der Tore von Nico Williams und Mikel Oyarzabal nach 1964, 2008, 2012 zum vierten Mal Fußball-Europameister. Aufgrund des Finalspiels, vor allem aber wegen der Gesamtleistung bei diesem Turnier, ist der Titel hochverdient.
Im Finale wartete Spaniens Trainer Luis de la Fuente mit zwei Änderungen in der ersten Elf auf. Im Vergleich zum Halbfinale kehrten Dani Carvajal und Robin Le Normand nach ihren Sperren zurück in die Startformation. Nacho und Jesus Navas nahmen dafür erstmal auf der Bank Platz.
Auf der anderen Seite bot Nationaltrainer Gareth Southgate Luke Shaw statt Kieran Trippier auf der linken Seite auf und behielt damit seine taktische Umstellung auf ein 3-4-2-1, die er erstmalig im Viertelfinale vorgenommen hatte, zumindest im eigenen Ballbesitz bei. Gegen dann Ball – und diese Situation ergab sich meistens – agierte die englische Mannschaft in einer Viererkette.
Vor 71.000 Zuschauenden, die es überwiegend mit England hielten, erwischte Spanien den besseren Start. Wie erwartet hatte es viel Ballbesitz und setzte sich zunehmend in der gegnerischen Hälfte fest. Trat einer der selteneren Fälle ein, dass die Spanier den Ball verloren, wurde er dank eines starken Gegenpressings innerhalb weniger Sekunden zurückgewonnen.
Erst nach einer Viertelstunde konnte England mal einen Umschaltmoment nutzen und kam über die rechte Seite nach vorne. Die Hereingabe des hinterlaufenen Kyle Walker blockte Aymeric Laporte gerade noch so zur Ecke. In der Folge zogen sich die Engländer aber wieder weit in die eigene Hälfte zurück.
So entwickelte sich das Finale dieser Europameisterschaft zu einem Geduldsspiel. Spanien dominierte, ohne zu sehr ins Risiko zu gehen, und England wartete ab. Die Spanier versuchten es immer wieder über ihre linke Seite mit Nico Williams oder Marc Cucurella. Der Außenverteidiger musste dabei, wie schon im Halbfinale gegen Frankreich, Pfiffe über sich ergehen lassen. Die spanische Kurve antwortete den englischen Fans mit „Cucurella“-Rufen.
Weder Williams noch Lamine Yamal auf der anderen Angriffsseite konnten sich aber entscheidend in Szene setzen, sodass nach der ersten Halbzeit nur zwei Torschüsse in der Statistik auftauchten. Der Versuch des Spaniers Fabián Ruiz nach einer knappen halben Stunde stellte für Jordan Pickford aber kein Problem dar und auch der Abschluss durch Englands Phil Foden kurz vor der Pause konnte Unai Simón im Tor der Spanier nicht wirklich in Bedrängnis bringen.
Yamal auf Williams – 1:0 kurz nach der Pause
In der zweiten Hälfte zeigte Spanien schließlich, was es bei dieser EM so stark gemacht hatte. Eine spielfreudige Offensive gepaart mit gutem Passspiel und einer herausragenden Positionierung. Nur zwei Minuten nach dem Wiederanpfiff erzielte Williams das 1:0, nachdem die spanische Mannschaft den Angriff geradlinig und präzise gespielt hatte.
Vorlagengeber des 22-Jährigen war natürlich sein kongenialer und fünf Jahre jüngere Partner Lamine Yamal, der den Laufweg von Shaw in die Mitte gekreuzt und schließlich zu Williams links im Strafraum gepasst hatte.

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Zwei Minuten später hatte Dani Olmo nach Vorarbeit von Williams das 2:0 auf dem Fuß. Erneut hatte sich Spanien sehenswert nach vorne kombiniert, Olmo zielte dann aber am rechten Pfosten vorbei. Die Engländer wirkten anschließend völlig überfordert und hatten Glück, dass erst Álvaro Morata und dann Williams weitere gute Tormöglichkeiten ausließen.
Spanien spielte es dabei derart flexibel in der vordersten Linie, dass der Gegner zuweilen nicht wusste, wo er mit verteidigen anfangen sollte. Mal lief ein Spielzug klassisch über die Flügel, ein anderes Mal rückten Yamal und Williams ein, sodass die spanischen Außenverteidiger, Dani Carvajal und Cucurella, aus der Breite heraus für Gefahr sorgten.
Nach und nach fanden die Engländer zurück ins Spiel, Torgefahr strahlten sie aber weiterhin nicht aus. Ein Indiz für die schwache Offensive der Three Lions war die Auswechslung von Harry Kane nach einer Stunde. Kane konnte zu diesem Zeitpunkt gerade mal 13 Ballkontakte und eine einzige Ballberührung im gegnerischen Strafraum verzeichnen.
Palmer kommt, trifft – und verliert doch
Kurz darauf hatte Jude Bellingham, der zuvor kaum in Erscheinung getreten war, eine gute Möglichkeit. Nach einer starken Körperdrehung kam der 21-Jährige zentral vor dem Tor zum Abschluss und vergab knapp links neben das Tor. Lamine Yamal fand umgehend eine Antwort. Nach einem Konter setzte ihn Olmo per Steckpass in Szene. Den Schuss Richtung langer Pfosten konnte Pickford aber gerade noch so parieren.
England war in der Folge bemüht und wurde in der 73. Minute für den Aufwand belohnt. Cole Palmer war drei Minuten zuvor erst eingewechselt worden und erzielte nach Vorarbeit von Bellingham das 1:1. Was auch die englischen Fans zurück auf den Plan brachte, die den Ausgleichstreffer ausgiebig feierten.
Doch die Spanier zeigten sich nur kurz geschockt von dem Gegentor und spielten weiter mutig nach vorne. In der 82. Minute kam es wieder zum Duell Yamal gegen Pickford, doch erneut blieb der englische Keeper der Gewinner.
In der 86. Minute war Pickford dann doch machtlos. Nach einem Diagonalpass von Cucurella vor das englische Tor grätschte der eingewechselte Mikel Oyarzabal den Ball vor der spanischen Kurve ins Tor und wurde anschließend von der gesamten spanischen Mannschaft inklusive der Auswechselspieler gefeiert.
Die Engländer steckten nicht auf und kamen zu einer Dreifachchance, die Kopfbälle von Declan Rice und Marc Guehi sollten dank Torwart Simón und Dani Olmo aber nicht mehr den Weg über die Linie finden. Am Ende durften die spanischen Spieler ihre Freude in den Berliner Nachthimmel hinausschreien.
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