zum Hauptinhalt
Wout Weghorst führte die Siegesfeier mit den holländischen Fans an.

© dpa/Sören Stache

„Es ist echt drin“: Wout Weghorst nährt die niederländischen Titelträume

„Er ist eine Plage im Strafraum“, sagen seine Mitspieler. Als Joker verändert Wout Weghorst das holländische Spiel entscheidend, im Halbfinale gegen England könnte er von Beginn an stürmen.

Stand:

Wout Weghorst wusste genau, wo er hinwollte. Der niederländische Stürmer startete an der Mittellinie, rannte mit langen Schritten über den Rasen und kam vor der orangefarbenen Ostkurve mit einem Freudensprung zum Stehen. Während seine Mitspieler im Moment des Abpfiffs 70 Meter entfernt zu Boden sanken oder sich umarmten, feierte Weghorst den Einzug ins Halbfinale dieser Fußball-Europameisterschaft umgehend vor dem Fanblock.

Es war eine Szene, die eine gewisse Symbolkraft besaß: Während seine Kollegen im Angriff oft noch einen Schlenker machen, nimmt der 31 Jahre alte Mittelstürmer den direkten Weg: gradlinig, unspektakulär, aber sehr wirkungsvoll.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Dass die Holländer am Samstagabend im Berliner Olympiastadion erneut ihren großen EM-Hit zelebrieren und mit den Fans „nach links, nach rechts“ hüpfen konnten, lag zu einem großen Teil auch an Weghorst. Er schoss beim glücklichen 2:1 gegen die Türkei zwar kein Tor, veränderte nach seiner Einwechslung zur Halbzeit aber sofort das Spiel.

„Es ist ein Albtraum, wenn man gegen ihn spielt. Er ist stark, er ist eine Plage im Strafraum und er kämpft um alles, er rennt allem hinterher. Er ist für uns eine große Bereicherung“, sagte Abwehrspieler Nathan Aké. „Mit den Jungs auf der Bank können wir richtig was rausholen.“

Es ist ein Albtraum, wenn man gegen ihn spielt. Er ist stark, er ist eine Plage im Strafraum.

Nathan Aké über Wout Weghorst

Die Einwechslungen waren bei dieser EM bisher ein Schlüssel für die Niederlande. Im ersten Spiel gegen Polen erzielte Weghorst kurz vor Schluss mit dem ersten Ballkontakt das Siegtor, gegen Österreich bereitete er den zwischenzeitlichen Ausgleich vor und im Achtelfinale gegen Rumänien sorgte Donyell Malen von Borussia Dortmund mit zwei Treffern für die Entscheidung.

Eine starke Bank kann bei solch einem Turnier ein wichtiger Faktor sein – die Bedeutung der Joker offenbart aber auch eine große Schwäche der Holländer. Denn in der Offensive hat Bondscoach Ronald Koeman mit seinen Startaufstellungen bisher wenig Erfolg gehabt.

Gegen die Türkei taten sich die Niederlande nach ordentlichem Beginn bis zur Pause sehr schwer. Mit Memphis Depay im Angriffszentrum und Xavi Simons dahinter steht zwar viel spielerische Klasse auf dem Feld, es fehlen aber Präsenz und Geradlinigkeit.

„Xavi und Memphis ergänzen einander nicht. Gegen Rumänien ist das möglich, gegen die Spitzenländer reicht es aber nicht“, sagte der frühere Oranje-Stürmer Pierre van Hooijdonk im niederländischen Fernsehen. Die gesamte Offensive profitiere davon, wenn mit Weghorst ein klassischer Neuner auf dem Platz stehe.

Memphis Depay (rechts) und Xavi Simons sind im Strafraum oft etwas zu verspielt.

© AFP/ODD ANDERSEN

Bisher kam Weghorst in allen fünf Spielen von der Bank und insgesamt gerade mal auf 89 Einsatzminuten. Der Stürmer vom FC Burnley, der in der vergangenen Saison an die TSG Hoffenheim ausgeliehen war, hatte es lange schwer in der Nationalmannschaft.

Weghorst macht zwar Tore, entspricht ansonsten aber nicht dem Idealtypus des holländischen Stürmers. Mit Patrick Kluivert, Dennis Bergkamp, Ruud van Nistelrooy oder Robin van Persie hatte die Elftal in den vergangenen Jahrzehnten stets Angreifer höchster Güteklasse, die auch technisch exzellent waren.

Im Halbfinale trifft die Niederlande auf England

Weghorst sieht mit seinen 1,97 Meter meist eher ungelenk aus, sein erster Kontakt ist nicht immer sauber, er hat seine Stärken fast ausschließlich im Abschluss. Auf dieses Profil kann die niederländische Nationalmannschaft, die qualitativ weit entfernt ist von vielen herausragenden Teams der Vergangenheit, aktuell aber nicht verzichten.

„Er ist groß, er ist gut in der Luft, er kämpft um jeden Ball, der in den Strafraum fliegt. Ich bin sehr glücklich, dass Wout heute Wout sein konnte“, sagte Cody Gakpo, der das entscheidende 2:1 durch ein Eigentor von Mert Müldür erzwang und bisher Hollands gefährlichster Offensivspieler bei diesem Turnier ist.

Es ist echt drin. Das Gefühl war immer da und es wächst, es wird immer größer und größer.

Wout Weghorst über Hollands Titelträume

Koeman wollte sich auf der Pressekonferenz nicht darauf festlegen, ob Weghorst im Halbfinale gegen England erstmals von Anfang an spielen wird. „Wenn Dinge nicht gut laufen, muss man etwas verändern“, sagte der Bondscoachs allerdings und mittlerweile deutet vieles darauf hin, dass es diese Veränderung am Mittwoch (21 Uhr) in Dortmund nicht erst in der zweiten Hälfte gibt. „Wout muss in die Spitze“, forderte auch Rafael van der Vaart im Fernsehen und sprach vielen Oranje-Fans damit aus dem Herzen.

Dass die Elftal zum ersten Mal seit 2004 im Halbfinale einer EM steht, sei „für die ganze Nation etwas Besonderes“, sagte Koeman. „Wir sind eine kleine Nation und spielen mit England, Spanien und Frankreich im Halbfinale.“ 1988 gewann der jetzige Bondscoach als Spieler bei der EM in Deutschland den einzigen großen Titel der niederländischen Nationalmannschaft.

Nachdem die Holländer mit viel Skepsis in die aktuelle Europameisterschaft gestartet waren und in der Vorrunde als Gruppendritter vom gewöhnungsbedürftigen Modus profitiert haben, will die Mannschaft ihre Chance nun ergreifen. „Es ist echt drin. Das Gefühl war immer da und es wächst, es wird immer größer und größer“, sagte Weghorst. (mit dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })