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Heimspiel: Die französischen Fans machten im Finale des Blindenfußballs Stimmung.

© IMAGO/SOPA Images

Frankreichs Blindenfußballer triumphieren: Rendez-vous avec l’histoire

Im Blindenfußball bei den Paralympics in Paris geht das Finale zwischen Frankreich und Argentinien ins Sechsmeterschießen. Frederic Villeroux wird zum gefeierten Helden.

Von Tim Rosenberger

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Die Stimmung im restlos ausverkauften Stadion am Eiffelturm war grandios. Auf jedem Sitz wurden vor Anpfiff französischen Flaggen verteilt. Bei der Nationalhymne und dem Verlesen der Aufstellung sang das ganze Stadion mit. Es sollte kein Zweifel am Status eines Heimspiels aufkommen.

Sogar eine Choreo hatten die Fans für das Finale im Blindenfußball am Samstagabend vorbereitet, eine Flagge mit blau-weißem olympischen Feuer spannte über der Gegentribüne. Am Geländer hing ein Spruchband mit der Aufschrift „Rendez-vous avec l’histoire“, auf Deutsch „Ein Wiedersehen mit der Geschichte“. Möglicherweise eine Anspielung auf das WM-Finale im sehenden Fußball 2022. Damals hatte Argentinien in einem hoch spannenden Match Frankreich im Elfmeterschießen besiegt.

Argentinien mit schneller Antwort

„Les Bleus“ begannen die Partie im Stadion direkt vor dem Eiffelturm direkt mit einem Rückschlag. Stürmer Khalifa Youme konnte verletzungsbedingt nicht mehr weitermachen, für ihn kam Martin Baron. In der Anfangsphase hatte die argentinische „Albiceleste“ etwas mehr vom Spiel. Die erste Chance gehörte Argentiniens Osvaldo Fernandez, sein Schuss rauschte aber rechts am Tor vorbei. Immer wieder zeigten sie vielversprechende Dribblings, verpassten aber in Person von Maximiliano Espinillo und Fernandez den richtigen Moment des Abschlusses.

Frankreich war über Konter gefährlich – und kam so zum ersten Treffer. Kapitän Frederic Villeroux startete in der eigenen Hälfte und schloss nach einem Dribbling von links ab. Der Ball schlug im kurzen Eck ein.

Die Antwort Argentiniens? Sie ließ nicht lange auf sich warten. Direkt nach dem Anstoß stocherte Espinillo den Ball unter Torwart Alessandro Bartolomucci hindurch ins Netz: 1:1.

Es war ein sehr körperbetontes Spiel. Torschütze Villeroux wurde verwarnt, nachdem er seinen Gegenspieler in die Bande geschubst hatte. Das Publikum ließ sich von der hektischen Atmosphäre anstecken, immer wieder musste es aufgefordert werden, leise zu sein. Beim Blindenfußball muss es leise sein, damit die Spieler den mit Rasseln bestückten Ball sowie ihre Mitspieler hören können. Zur Pause war unter dem glitzernden Eiffelturm noch alles offen.

In der zweiten Halbzeit wurde das Spiel zerfahrener. Beide Mannschaften hatten einige Ecken und Standards, Gefahr entfachte dadurch nicht. Zweimal musste der französische Torwart Bartolomucci noch eingreifen, entschärfte aber jedoch die Schüsse von Espinillo. Vor den Toren passierte sonst nichts mehr. 27 Sekunden vor Ende verletzte sich noch Frankreichs Tidiane Diakite nahe der Bande bei einem Foul. Für ihn ging es nicht weiter, gestützt von medizinischem Personal humpelte er an die Bank. Nach zweimal 15 Minuten stand es also 1:1. Das Spiel musste im Sechsmeterschießen entschieden werden.

Bei Argentinien gaben sich die ersten beiden Schützen keine Blöße, Espinillo und Rios trafen souverän. Die Franzosen zogen unbeirrt nach, auch Arezki und Baron verwandelten. Als Dritter Schütze Argentiniens trat Nahuel Hereida an – und verschießt! Bartolomucci taucht nach links ab und hält den Schuss. Jetzt kommt es auf Villeroux an. Er schießt – und versetzt das Stadion in Ekstase. Beim Schuss in die linke Ecke hat der argentinische Torwart keine Chance. Villeroux bricht direkt in Tränen aus. Frankreich gewinnt völlig überraschend Gold im Blindenfußball.

2022 konnte Argentinien das Finale der Weltmeisterschaft im sehenden Fußball für sich entscheiden. Beim Blindenfußball war Frankreich an der Reihe.

© IMAGO/SOPA Images

Bereits am Samstagnachmittag hatte Brasilien im kleinen Finale mit 1:0 gegen Kolumbien gewonnen. Für Brasilien bedeutete das Erreichen des Spiels um Platz Drei eine große Enttäuschung. Im Halbfinale waren sie im Sechsmeterschießen an Argentinien gescheitert – ihre erste Niederlage jemals in einem paralympischen Turnier. Mit der Bronzemedaille erreichten sie zumindest eine kleine Wiedergutmachung.

Brasilien begann dominant, hatte in der ersten Halbzeit 61 Prozent Ballbesitz. Vor allem Nonato war umtriebig, alle vier brasilianischen Abschlüsse gingen auf sein Konto. Weil aber die Präzision fehlte, ging es mit einem 0:0 in die Kabinen. Von Kolumbien kam sehr wenig, die einzigen beiden Abschlüsse verzog Juan Perez klar.

Die zweite Halbzeit war umkämpfter, keine der Mannschaften war klar überlegen. Es war eine Einzelaktion, die die Führung für Brasilien brachte. Bei noch 6:39 Minuten auf der Uhr dribbelte Jefinho von der rechten Ecke los. Auf Höhe des Sechsmeterpunkts schloss er mit der Picke ab und brachte den Ball im linken Eck unter. Die restlichen Minuten spielte Brasilien kontrolliert runter, Unglücksrabe Nonato hatte gleich zweimal die Chance, den Sack zuzumachen.

Mit den beiden Finals geht ein denkwürdiges Blindenfußballturnier zu Ende. Für Frankreich war das Finale ein Wiedersehen mit der Geschichte, diesmal allerdings mit gutem Ausgang.

Sicher ist: Es wird schwierig werden, in Los Angeles 2028 eine ähnlich fesselnde Kulisse zu gestalten.

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