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Sport: Krieg auf dem Rugby-Rasen

Iren und Briten erwarten ein historisches Duell

Berlin - Manchmal vermengen sich Mythen, Geschichte und Gegenwart zu einem so explosiven Gemisch, das die Spannung vor einem Match unerträglich werden lässt. Heute, am Samstagabend (18.30 Uhr), werden England und Irland in Dublin im Rahmen des Six-Nations-Turnier, in dem zudem Italien, Schottland, Wales und Frankreich um die Rugby-Krone kämpfen, aufeinandertreffen. Die Straßen in beiden Ländern werden wie leer gefegt sein, gebannt werden die Menschen vorm Fernseher sitzen. Allein die leidenschaftlich ausgetragene Feindschaft zwischen beiden Rugby-Nationen würde schon für einen unterhaltsamen Schlagabtausch reichen.

Die Hoffnung von rund 50 Millionen Engländern lastet auf Jonny Wilkinson, besser gesagt auf dessen linkem Fuß. „Der Mann mit Gold in den Stiefeln" (Daily Mail) hatte die Schotten fast im Alleingang besiegt und setzte sich an die Spitze in der Ewigen-Liste der erfolgreichsten Spieler des Turniers. Danach überschlug sich die englische Presse, die den Rugby-Coach Brian Ashton vor dem Spiel für Wilkinsons Nominierung noch scharf kritisiert hatte. Denn der Flyhalf – eine Position, auf der der Spieler als Verbindungsglied zwischen Stürmern und Verteidigern fungiert – hatte seit 1167 Tagen kein Spiel mehr bestritten. Die letzte Partie im englischen Trikot hatte ihn allerdings zur Legende gemacht. Im WM-Finale 2003 gegen Australien versenkte er den entscheidenden Dropkick. „Der neue David Beckham“ (Daily Telegraph) wurde zum Welt-Rugby-Spieler gewählt und mit einem Jahresgehalt zwischen fünf und zehn Millionen Euro zum bestbezahlten Spieler aller Zeiten. Wegen Verletzungen und Krankheiten musste er danach für 30 Test-Spiele pausieren.

Die Iren hoffen auf einen anderen Fuß, nämlich den rechten des 30-jährigen Ronan O’Gara. Erst gegen ihn werden „die Kräfte von Wilkinson nach der Genesung erst wirklich getestet“, behauptet Eddie Buttler. Zudem setzt Irland auf seinen Heimvorteil im „Croke Park“. Das Stadion fasst 82 500 Zuschauer und wurde auf den Trümmern der englisch-irischen Geschichte gebaut, nämlich auf dem Schutt, der vom Osteraufstand 1916 übrig blieb. Außerdem ereignete sich hier am 21. November 1920 der „Blutsonntag von Dublin“. Während eines Gaelic Football-Spiels (einer Mischung aus Fußball und Rugby) stürmten englische Truppen das Stadion und richteten ein Blutbad an. 14 Menschen starben. Wie sensibel so etwas den Sport tangiert, sieht man daran, dass der englische Trainer seinem Team eine Geschichtsstunde verordnete. In der dürften die Spieler spätestens erfahren haben, dass es erst das zweite Rugby-Spiel ist, das hier stattfinden darf. Zuvor war der Rasen für „englische Garnisonssportarten“ – wie irische Nationalisten Rugby, Fußball oder Cricket bezeichnen – tabu. Croke Park sind die „heiligen Hallen“ des gälischen Sports, also für die Mannschaftssportarten Hurling, Gaelic Football und Camogie. Der Gälische Sportverband (GAA), dem das Stadion gehört, öffnete es erst nach langen Diskussionen, weil das eigentliche Rugby-Stadion renoviert wird und man die zusätzlichen Einnahmen gut gebrauchen kann.

Ingo Petz

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