
© imago/Jan Huebner/IMAGO/Hendrik Gräfenkämper
„Man muss Liebe am Verteidigen finden“: Auf diese deutschen Spielerinnen kommt es im Halbfinale gegen Spanien an
Im Halbfinale gegen Spanien wird für die deutsche Mannschaft die Defensivarbeit wieder wichtig. Viele Optionen hat Bundestrainer Wück nicht.
Stand:
Manchmal ist es gut, einfach ins kalte Wasser geschmissen zu werden. In dieser Meinung sah sich zumindest Klara Bühl bestätigt, nachdem sie die Leistung von Franziska Kett im Viertelfinale gegen Frankreich gesehen hatte. „Gerade bei jungen Spielerinnen funktioniert das oft sehr gut“, sagte die deutsche Nationalspielerin über ihre 20-jährige Teamkollegin vom FC Bayern München.
Franziska Kett absolvierte erst ihr viertes Länderspiel gegen Frankreich. „Durch die Rote Karte von Carlotta Wamser habe ich ein wenig damit gerechnet, aber ich war trotzdem sehr aufgeregt“, sagte Kett. Die gelernte Offensivspielerin ist bei Bundestrainer Christian Wück auf der Position der linken Außenverteidigerin vorgesehen und zeigte trotz fehlender Spielpraxis eine herausragende Leistung.
„Ich bin mit dem Gedanken rein, dass ich nichts verlieren kann und habe einfach alles gegeben. Die Französinnen waren, glaube ich, genervt von uns.“ Gerade Delphine Cascarino dürfte Kett gemeint haben, immerhin gewann die Deutsche elf ihrer 17 Duelle am Boden, die meisten davon gegen die Starspielerin des französischen Nationalteams.
Doch nicht nur Kett funktionierte ohne viel Vorbereitung, sondern auch Sophia Kleinherne. Die Spielerin des VfL Wolfsburg kam unter Wück bislang kaum zum Einsatz, wurde dann aber nach der frühen Verletzung von Sarai Linder eingewechselt und überzeugte auf ganzer Linie. Gerade die Außenpositionen waren zuletzt eine Problemstelle im deutschen Team und dürften im Halbfinale gegen Spanien umso wichtiger sein. Kett und Kleinherne haben viel Werbung für sich betrieben, doch auch Carlotta Wamser drängt nach ihrer Strafe von einem Spiel aufgrund ihrer Roten Karte gegen Schweden wieder in die Startelf.
Ich erwarte eine deutsche Mannschaft, die Respekt vor uns hat.
Aitana Bonmatí gegenüber der Sportzeitung „Marca“
Klar ist, dass Christian Wück gegen Spanien erneut einen defensiven Ansatz verfolgen wird – selbst mit elf Spielerinnen. Die Herangehensweise, aus einer tief stehenden Abwehr heraus zu kontern oder von Standards zu profitieren, funktionierte bereits gegen Frankreich und kaschierte Tempodefizite der deutschen Innenverteidigerin Rebecca Knaak oder die allgemeine Anfälligkeit für Konter.
„Ich erwarte eine deutsche Mannschaft, die Respekt vor uns hat. Nur wenige Gegner setzen uns vorne unter Druck, sondern warten hinten auf uns, weil sie wissen, dass wir sie sonst auf dem falschen Fuß erwischen können“, sagte Spaniens Mittelfeldstar Aitana Bonmatí in der spanischen Sportzeitung „Marca“. „Sie werden kompakt spielen und wieder tief stehen, so wie sie es neulich gegen Frankreich gemacht haben. Dort hat es gut funktioniert.“
Die Frage ist nur, ob Wück auf das gewohnte 4-2-3-1-System vertraut oder erneut Janina Minge eine etwas freiere Positionierung einräumt. Vor dem Platzverweis von Kathrin Hendrich spielte die deutsche Kapitänin im Ballbesitz auf der Sechserposition, ließ sich gegen den Ball aber in die Abwehr fallen, sodass Deutschland dann mit einer Fünferkette verteidigte.
Ein besonderes Augenmerk gilt allerdings auch dem zentralen Mittelfeld, wo Sjoeke Nüsken gelbgesperrt fehlen wird. Sie könnte entweder von der erfahrenen und einzigen Europameisterin im Kader, Sara Däbritz, ersetzt werden oder von Sydney Lohmann. Die 25-Jährige ist mit etwas mehr Offensivdrang ausgestattet und verfügt zudem über ein starkes Zweikampfverhalten.
„Man muss Spaß und Liebe daran finden, zu verteidigen. Das ist ein ganz wichtiger Faktor, gerade im Turnier, dass jede Spielerin auf dem Platz bereit ist, Meter nach hinten zu machen, gegen den Ball zu kämpfen“, sagte Kleinherne am Montag. „Solange du hinten kein Gegentor kassierst, sind die Chancen sehr groß, dass du Spiele gewinnst, weil ich einfach so sehr auf unsere Offensive vertraue.“
Allein darauf zu hoffen, die Gegnerinnen erneut 120 Minuten vom eigenen Tor wegzuhalten und den Finaleinzug über das Elfmeterschießen zu schaffen, dürfte tatsächlich zu riskant sein. Immerhin verfügt Spanien im Angriff über Spielerinnen von Weltklasseformat und bewies bereits, dass es auch gegen tiefstehende Gegner in der Lage ist, zu Torchancen zu kommen.
Hinzu kommt, dass Deutschland mit Klara Bühl und Jule Brand seinerseits große Offensivqualität im Kader hat. Wichtig wird demnach sein, dass entweder Giovanna Hoffmann oder Lea Schüller auf der Stürmerinnenposition Bälle festmachen und so Bühl sowie Brand Zeit verschaffen, die Tiefe zu belaufen und in Eins-gegen-Eins-Duelle oder zu Flanken zu kommen.
Die Chancen auf einen Sieg gegen Spanien seien laut Kleinherne jedenfalls deutlich gewachsen nach dem Erfolg über Frankreich. „Spätestens seit dieser Leistung bei diesem Turnier sind wir in den Köpfen vieler Nationen, das gibt uns Auftrieb und beflügelt uns.“ Gerade die gute Bilanz gegen Spanien gebe dem deutschen Team großes Selbstvertrauen. Denn eine Niederlage musste Deutschland gegen die amtierenden Weltmeisterinnen noch nie einstecken.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: