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Duell beim Rollstuhlrugby

© IMAGO/Beautiful Sports

Rollstuhlrugby bei den Paralympics: Gekommen, um zu ärgern

Taktik, Schnelligkeit, lautes Knallen – all das gehört beim Rollstuhlrugby dazu. In Paris auch endlich wieder mit deutscher Beteiligung.

Von Lilli Heim

Stand:

Es war nervenaufreibend. Erst mit der allerletzten Möglichkeit sicherte sich das deutsche Rollstuhlrugby-Team das Ticket für Paris. Im März feierten die Spielerinnen und Spieler beim Turnier in Neuseeland Platz drei und qualifizierten sich somit das erste Mal seit 16 Jahren wieder für die Paralympics. Christoph Werner war 2004 und 2008 noch als Spieler dabei – die Teilnahme als Bundestrainer sei für ihn nun aber wie ein wahr gewordener Traum. „Wenn man so eine ganze Mannschaft aufbaut, die es dann schafft“, sagt er, „dann ist das was ganz anderes.“

Das 12-köpfige Team, Frauen und Männern spielen zusammen, solle in Paris vor allem Erfahrungen sammeln und sich weiterentwickeln, es zählt zu den Außenseitern. An diesem Donnerstagabend geht es für Werners Mannschaft zum Gruppenauftakt gegen Japan (ab 19.20 Uhr im ARD-Livestream), weitere Begegnungen gegen die USA und Kanada folgen. In Kanada wurde die Sportart Ende der Siebzigerjahre erfunden, das US-Team gewann bei den vergangenen Paralympics die Silbermedaille und die Japaner belegten Platz drei. „Für uns geht es eigentlich nur darum, die zu ärgern“, sagt Werner.

Durch regelmäßige Trainingscamps ist die Nationalmannschaft, die über ganz Deutschland verteilt lebt, zusammengewachsen. Persönlich und auch sportlich. Das haben sie beim Qualifikationsturnier in Wellington bewiesen: „Das ist das Coole am Mannschaftssport, dass man immer mit seinen Teamkollegen die ganzen Erlebnisse zusammen hat“, sagt Mascha Mosel, die seit 2020 in der Nationalmannschaft spielt und eine von zwei Frauen ist.

Mascha Mosel will nicht mit Samthandschuhen angefasst werden.

© IMAGO/Beautiful Sports

Rollstuhlrugby ist nämlich nicht nur der einzige paralympische Kontaktteamsport, sondern auch der einzige – neben Para-Eishockey im Winter – mit gemischten Mannschaften. „Es ist auf jeden Fall was Besonderes“, sagt Mosel. Zuvor hatte sie schon Rollstuhlbasketball gespielt.

Die 21-Jährige ist aufgeregt, was bei den Paralympics auf sie zukommen wird: „Das sind einfach die besten acht Teams der Welt. Aber wir werden uns darauf vorbereiten.“ Seitdem die Gruppengegner feststehen, werden sie von Werner und seinem Team analysiert. Denn neben Schnelligkeit, Bewegung und lautem Knallen geht es beim Rollstuhlrugby sehr viel um Taktik. „Es ist eine Mischung aus Autoscooter und Schach“, sagt Nationalspieler Maximilian Stolz. Autoscooter wegen der Blocks, die schon ziemlich brutal aussehen können. Und Schach, weil die Sportart mit Köpfchen gespielt wird.

Die Blocks, vereinfacht gesagt ein rasantes Versperren des direkten Wegs in die eigene Hälfte, sind durch individuell angepasste Sportrollstühle weitestgehend ungefährlich. „Es ist cool, dass es so zur Sache geht und man nicht mit Samthandschuhen angefasst wird“, sagt Mosel. Durch Zeitbegrenzungen im Angriffsspiel muss schnell ein Weg aus der Blockade des gegnerischen Teams gefunden werden, um das Spielgerät, einen speziellen Volleyball, über die gegnerische Torlinie zu bringen.

Die taktischen Spielzüge sind für Außenstehende schwer nachzuvollziehen, das Spielgeschehen aber umso beeindruckender. Während Rollstuhlrugby für gewöhnlich das Schicksal – wenig Aufmerksamkeit – von vielen anderen Randsportarten teilt, erfreut sich die Sportart während der Paralympics großer Beliebtheit. Die Karten fürs Finale waren mit als erstes vergriffen.

Viele Spielerinnen werden in den anderen Teams aber nicht zu sehen sein. Das macht es für die Deutschen nicht gleich schwieriger mitzuhalten. Eine möglicherweise körperliche Unterlegenheit von Frauen wird durch das Klassifizierungssystem ausgeglichen, bei dem jedem Spieler und jeder Spielerin je nach Grad der Behinderung eine bestimmte Punktzahl zugewiesen wird. Zusammengerechnet dürfen die vier Spieler und Spielerinnen auf dem Feld höchstens acht Punkte aufweisen. Jeder Frau wird ein halber Punkt abgezogen, der sogenannte Frauenbonus.

Mascha Mosel, die von Geburt an mit einer Zerebralparese lebt, fühlt sich in ihrem Team als gleichberechtigtes Mitglied. Im Rugby hat sie ihre Leidenschaft gefunden, die neben ihrem Mediendesign-Studium in Hannover ihr Leben ausfüllt. „Aktuell hat der Sport die oberste Priorität. Ich möchte aber auch mein Studium nicht vernachlässigen, weil das ja auch wichtig für meine Zukunft ist“, sagt sie. Ihr Umfeld, ihre Dozenten und Dozentinnen eingeschlossen, unterstützen Mosel in ihrem Leistungssport.

In Paris wird Familie Mosel vor Ort sein, um sie anzufeuern. Die Freude ist groß und die Aufregung auch: „Die Rugbyarena ist direkt da beim Eiffelturm“, sagt Mascha Mosel und strahlt: „Das wird richtig cool mit der ganzen Atmosphäre. Einfach das größte Sportereignis.“

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