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Abschlussjahrgang Berlin Cosmopolitan School

© BCS

International Baccalaureate in Berlin: „Unsere Schüler sollen keine Lernroboter sein“

Ursprünglich für Diplomatenkinder entwickelt, ist das International Baccalaureate heute für viele Schüler eine Alternative zum Abitur. Eindrücke aus der Berlin Cosmopolitan School.

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Welchen Weg zum Hochschulstudium soll ich wählen: das Abitur oder das International Baccalaureate? Diese Frage können sich in Berlin und Brandenburg nicht viele Schüler stellen. Nur sieben Schulen, darunter eine einzige öffentliche, bieten die Möglichkeit, innerhalb eines zweijährigen Programms den Abschluss „International Baccalaureate“ (IB) zu erwerben – weltweit sind es mehr als 3000.

Mit dem IB in der Tasche kann sich eine Absolventin, ein Absolvent problemlos an vielen internationalen Hochschulen bewerben. Der Abschluss wurde 1968 von einer Schweizer Stiftung als eine Mischung der englischen und französischen Abschlüsse entwickelt. Ursprünglich für Kinder von Diplomaten gedacht, ist er heute weltweit anerkannt.

Valentina von Bismarck, Timofey Germanowitsch, Kayleigh Walter (v. l. n. r.) haben sich für das IB entschieden.

© Dorothee Nolte

Doch wer die Wahl hat, hat eben auch die Qual, muss Vor- und Nachteile abwägen. Für Timofey Germanowitsch, Schüler an der Berlin Cosmopolitan School (BCS) in Berlin-Mitte, war die Sache klar: Er lebt erst seit zwei Jahren in Deutschland, besuchte zuvor eine internationale Schule in Moskau und hat sich für das englischsprachige IB-Programm entschieden. „Mein Deutsch ist nicht gut genug für ein Abitur“, sagt der 17-Jährige.

Das wäre für seine Mitschülerin Valentina von Bismarck nicht das Problem gewesen, sie ist zweisprachig, in England aufgewachsen. „Mir gefällt am IB, dass man nicht so viele Fächer belegen muss wie im Abitur und sich stärker auf seine Interessen konzentrieren kann“, sagt sie.

Kayleigh Walter, 16, ist im ersten Jahr des Programms und berichtet, dass sie im Moment weniger Notendruck hat als ihre Freunde, die sich für das Abitur entschieden haben: „Beim IB kommt alles auf die Abschlussprüfungen an, wir bekommen vorher nur Noten, die nicht in das Endergebnis einfließen.“ Dafür sei der Druck am Ende erheblich.

Die Berlin Cosmopolitan School, in einem ehemaligen Verwaltungsgebäude im Berliner Scheunenviertel ansässig, bietet das IB seit 2013 an und wird dafür von der Schweizer Trägerorganisation regelmäßig evaluiert. Die Schüler wählen drei „High Level“- und drei „Standard Level“-Fächer aus sechs Fächergruppen: „Muttersprache“, „Zweitsprache“, „Gesellschaftswissenschaften“, „Naturwissenschaften“, „Mathematik und Informatik“ und „Kunst und Wahlfächer“.

Im Scheunenviertel: das Schulgebäude der Berlin Cosmopolitan School

© Dorothee Nolte

Zusätzlich müssen alle einen zweistündigen Kurs „Theory of Knowledge“ belegen, der allgemein das kritische und fächerübergreifende Denken fördern soll. Bei fünf Wochenstunden pro „High Level“ und drei Wochenstunden pro „Standard Level“ kommen sie so auf 26 Wochenstunden und haben mehr Zeit für selbstständige Arbeit als ihre Schulkameraden aus dem Abiturzug.

Selbstständiges Arbeiten ist gefragt: Klassenraum der Berlin Cosmopolitan School

© Dorothee Nolte

Selbstständige Arbeit ist im IB-Zug allerdings auch dringend erforderlich, sagt Fatima Camara, die an der BCS für die Koordination des IB-Programms zuständig und stellvertretende Schulleitung des Gymnasiums ist. Dazu gehört, einen „extended essay“ mit 4000 Wörtern über ein wissenschaftliches Thema zu schreiben, was einer Universitätshausarbeit nahekommt.

IB-Schüler seien auf das selbst organisierte Lernen an der Universität besser vorbereitet, meint Fatima Camara. „Aber die Abiturschüler holen das an den Unis auf.“ Das selbst organisierte Arbeiten ist jedenfalls auch eine Herausforderung. „Manchmal wäre mir lieber, wir hätten mehr Kurszeit und müssten uns nicht so viel selbst erarbeiten“, sagt Valentina.

Oberstufenlehrer Marcel Thach und IB-Koordinatorin Fatima Camara von der Berlin Cosmopolitan School

© Dorothee Nolte

Oberstufenlehrer Marcel Thach unterrichtet sowohl im Abiturzug als auch im IB-Programm. Ihm gefällt die größere Freiheit, die er im IB-Zug hat, und besonders das Fach Theory of Knowledge: „Hier lernen die Schüler, international, vernetzt und kritisch zu denken; wie die Wissensbereiche zusammenhängen.“ Er fühle sich im IB-Programm „eher wie ein Coach, der die Schüler unterstützt“, im Abiturzug eher wie ein klassischer Lehrer, der Schüler beurteilt.

Sein Kollege Robin Williams, Lehrer für Geschichte und Theory of Knowledge, lobt den zusätzlichen Pflichtbereich „CAS – Creativity, Activity, Service“: Um den IB-Abschluss zu erreichen, müssen die Schüler nachweisen, dass sie sich kreativ oder sozial engagieren, indem sie etwa bei der Berliner Tafel helfen oder Konzerte organisieren. „Unsere Schüler sollen keine Lernroboter sein, sondern sich positiv in die Gesellschaft einbringen“, sagt er.

Wer mit einem IB-Abschluss in Deutschland studieren möchte, muss hinreichende Deutschkenntnisse nachweisen. Bei Valentina, Kayleigh und Timofey ist das der Fall. Sie haben also bald erneut: die Qual der Wahl.  
 

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