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Summer in the City, Tanzen am Breitscheidplatz

© Photo Huber

Lebensfreude für Paradiesvögel: Wo man in Berlin unter freiem Himmel tanzen kann

Fast wie in Argentinien: Auch in der Hauptstadt gibt es Orte, an denen man spontan draußen tanzen kann. Die Saison beginnt jetzt. Eine Übersicht.

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Wer er ist? Ein Paradiesvogel, sagt Fernando Zapata. Jemand, der Menschen zusammenbringt, indem er irgendwo unter freiem Himmel eine Tanzfläche aufbaut und Musik laufen lässt. Salsa, Tango, Swing, Bachata, auch Standard-Latein-Tänze wie Cha-Cha-Cha, Walzer, Rumba, Quickstep, alles kann erklingen, und siehe da: Die Menschen werden locker. Lächeln sich an.

Diejenigen, die den jeweiligen Tanz beherrschen, strömen auf die improvisierte Tanzfläche, Vorübergehende bleiben stehen und schauen zu oder schießen Fotos für ihre Instagram-Accounts. Das ist die Magie der Musik und der Paradiesvögel.

Fröhlich im Monbijoupark: Fernando Zapata (Mitte) in seinem Element.

© Zapatissimo

Wo und wann genau das geschieht, hängt vom Wetter ab. Bei unter 18 Grad und bei Regen mag niemand tanzen, das weiß Fernando Zapata aus jahrelanger Erfahrung. Aber wenn der Sommer in Berlin Einzug hält, dann wagen sich auch die Tanzlustigen wieder dorthin, wo man, täglich oder auch zu bestimmten Terminen, draußen tanzen kann.

Die Berliner bräuchten etwas Unterstützung

Manche Termine und Orte sind leicht im Internet zu finden, andere werden sehr kurzfristig über Whatsapp- oder Facebook-Gruppen kommuniziert, gerade wenn das Wetter unsicher ist: „ein bisschen wie eine Guerilla-Aktion“, sagt Zapata.

Fernando Zapata ist in Kolumbien aufgewachsen und seit über 20 Jahren in Berlin. Manchmal hat er das Gefühl, dass hier „die Mauer immer noch in den Köpfen ist“, oder anders: dass die Menschen ein wenig Unterstützung dabei brauchen, um Freunde zu finden, ein soziales Netz aufzubauen.

Genau das geht beim Draußen-Tanzen besonders gut, findet der Tanzlehrer und Choreograf. Seine Tanzschule „Zapatissimo“ bespielt mehrere Draußen-Tanzstätten, darunter die besonders bekannte im Monbijoupark gegenüber vom Bode-Museum (ab Mitte Mai jeden Abend). „Es geht darum, sich zu bewegen. Unter freiem Himmel fühlt man sich frei, atmet frische Luft. Tanzen ist gesund, trainiert Muskeln und Koordination und wirkt gegen Depressionen und Einsamkeit. Es weckt die Lebensfreude, und das brauchen wir, gerade nach der Pandemie.“

Summer in the City heißt auch: Tanzen am Breitscheidplatz.

© Photo Huber

Die häufigsten Draußen-Tänze sind Tango, Swing und Salsa, sagt Judith Preuss, Gründerin der Tanzschule Mala Junta. Ihre Beobachtung ist, dass Standard-Latein-Tänzer eher in ihren Paarkonstellationen bleiben und feste Schrittkombinationen tanzen möchten, während Swing, Tango und Salsa leichter improvisiert und mit wechselnden Partnern getanzt werden können. „Deswegen kann man gut spontan vorbeikommen. Das passt zum Draußentanzen und der Partnerwechsel ist dann besonders leicht.“

Die Tanzschule Mala Junta gestaltet auch in diesem Jahr das Tanzprogramm am Breitscheidplatz, im Rahmen des Sommerfests der AG City, „Summer in the City“, voraussichtlich vom 16. August bis 1. September. „Das Tolle ist, dass wir dort Live-Musik haben“, sagt Judith Preuss. „Das macht eine ganz besondere Atmosphäre.“

Machen es vor: Judith Preuss und Constantin Rüger von der Tanzschule Malajunta.

© Photo Huber

Die größte Auswahl an Draußen-Tanzorten in Berlin haben Tangotänzerinnen und -tänzer. Das hat nicht zuletzt mit der Herkunft des Tanzes zu tun: „In Buenos Aires wird Tango auch viel draußen und improvisiert getanzt“, sagt Kerstin Buntenbach.

Spreeufer und Neue Nationalgalerie

Sie betreibt das Online-Magazin „Tango Society“, auf dem alle Tango-Termine, drinnen wie draußen, angekündigt werden. „An einem schönen Sommerabend draußen zu tanzen, ist von der Atmosphäre her nicht zu toppen“, findet sie. „Da nimmt man gern in Kauf, dass die Akustik vielleicht nicht so gut ist.“

Tango-Milonga am Paul-Löbe-Haus.

© Archiv "TANGO SOCIETY - Das Onlinemagazin“

Beliebt ist etwa die Open-Air-Milonga am Spreeufer vor der Glasfront des Paul-Löbe-Hauses, die zwischen Mai und September allabendlich stattfindet, zeitweise illuminiert von Licht-Installationen am gegenüberliegenden Marie-Elisabeth-Lüders-Haus. Weitere Standorte sind etwa die Späth’schen Baumschulen (Tanzschule tanzxclusive, ausgewählte Freitage, verschiedene Tänze), die Nordseite der Neuen Nationalgalerie (Donnerstags Tango).

Anders als in einem Club oder einer Diskothek ist an vielen Draußentanz-Orten niemand gezwungen Geld auszugeben, Eintritt zu bezahlen, etwas zu trinken. Die Tänzerinnen und Tänzer können sich mit einer Spende an den Kosten für die Beleuchtung und Technik beteiligen.

Für die Veranstalter ist das ein Problem: viel Aufwand, wenig Ertrag. Eigentlich, findet Fernando Zapata, müsste diese Art von Zusammenkünften ebenso finanziell gefördert werden wie Sport- oder Kulturvereine. Aber die Politik sei noch nicht so weit. „Die denken, das ist Party.“ Ist es ja auch, aber für Körper, Geist und Zusammenhalt ebenso wichtig wie ein Sportverein.

Im Monbijoupark werden je nach Wochentag unterschiedliche Tänze getanzt, auch mit (kostenpflichtiger) Einführungsstunde vorab: Salsa, Standard-Latein, argentinischer Tango, Swing und Bachata.

Eine Musikrichtung kommt nicht vor: Techno. „Wir lieben die Paartänze. Wenn sich Leute nicht berühren wollen, sondern lieber allein tanzen, sind sie hier falsch“, sagt Fernando Zapata. Auch Teilnehmer mit Drogen möchten die Draußentänzer nicht dabei haben. Sie brauchen ja keine. Denn Paradiesvögeln ist das Tanzen Droge genug.  

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