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LNG-Frachter bringen auch derzeit Flüssiggas über den Atlantik, um Engpässe auszugleichen.

© Sergei Krasnoukhov/TASS/Imago

Knappe Gaslieferungen aus Russland: Braucht es Häfen für den Flüssiggas-Import?

Seit Jahren wird über den Bau von LNG-Terminals gestritten. Die verbleibenden Konsortien setzen auf den steigenden Gasbedarf – und hoffen auf politische Hilfe.

Als der Streit um Nord Stream 2 seinen Höhepunkt erreichte, eröffnete der damalige Finanzminister Olaf Scholz (SPD) seinem US-Kollegen: Deutschland sei bereit, die öffentliche Unterstützung des Baus von LNG-Terminals massiv durch die Bereitstellung von bis zu einer Milliarde Euro zu erhöhen, wenn im Gegenzug die ungehinderte Fertigstellung und der Betrieb von Nord Stream 2 erlaubt werde. Es war ein gewaltiges Angebot im Jahr 2020 – um das es zuletzt äußerst still geworden ist.

Wenn man auf Rückenwind für Flüssiggas-Terminals an Nord- und Ostsee wartete, wäre jetzt der geeignete Zeitpunkt: Da sind die Sorgen um die geringen russischen Gaslieferungen. Und da sind die Engpässe, die die Energiewende mit sich bringt. Deutschland steigt zeitgleich aus Atomkraft und Kohle aus, während der Ausbau erneuerbarer Energien lahmt. „Erdgas ist für eine Übergangszeit unverzichtbar“, schrieben sich SPD, FDP und Grüne in den Koalitionsvertrag. Sie wissen: Ohne den Ausbau der Gasinfrastruktur wird es nicht gehen. Laut Agora Energiewende braucht es bis 2030 Gaskraftwerkskapazitäten von zusätzlichen 20 Gigawatt. Geht es ohne die Einfuhr von flüssigem Erdgas?

German LNG erleidet einen Dämpfer

Vier Standorte bewarben sich jahrelang um ein Terminal für LNG, kurz für „liquified natural gas“. Konsortien formierten sich, sondierten den Marktbedarf, begannen teils sogar mit Genehmigungsverfahren. Die Bundesregierung wolle die Erdgasinfrastruktur weiterentwickeln, „um die diversifizierten Bezugsquellen und -routen für Pipelinegas und LNG erschließen zu können“, war in Papieren des Wirtschaftsministeriums zu lesen. Und im Koalitionsvertrag von Union und SPD hieß es, man wolle „Deutschland zum Standort für LNG-Infrastruktur machen“. Die Anlandestellen waren politisch gewollt. Nur gebaut wurde bislang keine.

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Nun hat die Stadt Brunsbüttel eine Änderung des Bebauungsplans gestoppt, welche die Ansiedlung eines weiteren Störfallbetriebs ermöglichen sollte, nämlich eines jener Terminals. Das erscheint als Dämpfer für German LNG, ein Konsortium aus Gasunie, Oiltanking und Vopak. Bereits im vergangenen Juni hatte es einen ersten Genehmigungsantrag eingereicht. Vor wenigen Monaten erst hatte Vopak seinen Rückzug als aktiver Investor angekündigt.

Dennoch hält das Konsortium noch an seinen Plänen fest. Der nächste Schritt im Verfahren sei die Öffentlichkeitsbeteiligung. In Zeiten der Corona-Pandemie sei es „schwieriger denn je, verlässliche Aussagen zum exakten zeitlichen Projektverlauf zu tätigen“, sagte eine Sprecherin. „Die Entwicklungen zeigen, dass fossile Investments nicht gebraucht werden und keine Zukunft haben“, sagt dagegen Constantin Zerger, Bereichsleiter Energie und Klimaschutz bei der Deutschen Umwelthilfe.

Flüssiggas-Tanker queren den Atlantik

Ausgeschlossen ist ein Terminal in Brunsbüttel indes nicht. Die Stadt teilt auf Anfrage mit: „Nach einer juristischen Prüfung haben wir festgestellt, dass der Ursprungsplan an einem materiellen Mangel leidet, der aber geheilt werden kann.“ Jene Änderung des Bebauungsplans sei also nicht das korrekte Verfahren gewesen. Ein ergänzendes Verfahren sei eingeleitet worden.

Der Bau des Terminals wird aber letztlich durch das Land genehmigt. Das Amt für Planfeststellung und Verkehr ist dem Wirtschaftsministerium zugeordnet, das dem LNG-Vorhaben als freundlich gesonnen gilt.  Zuletzt fand das Ziel von LNG-Terminals Eingang in den Landesentwicklungsplan. Dort steht nun: „Zur Errichtung einer leistungsfähigen Infrastruktur sollen Betankungs- und Bunkereinrichtungen sowie Terminals zur Anlandung und die erforderlichen Anbindungsleitungen realisiert werden.“ Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP) betont immer wieder, dass Brunsbüttel eine wichtige Rolle als Energieimport-Standort spielen werde.

LNG-Terminals sollten gerade angesichts der geringen Gaslieferungen aus Russland einen guten Stand haben. Erst Ende Dezember machten sich zehn US-Tanker mit LNG beladen auf nach Europa. Die Menge in den Schiffen, knapp fünf Millionen Kubikmeter LNG, würde Experten zufolge ausreichen, um den Bedarf von Deutschland, dem größten Gasverbraucher in Europa, in einem Wintermonat zu einem Drittel zu decken. Weitere 20 Schiffe sollen folgen, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg. Rufe nach deutschen Anlandestellen für das Flüssiggas wurden dennoch nicht laut. „Offensichtlich braucht es die deutschen Terminals nicht und es gelingt, die Tanker ohne Probleme anderweitig in Europa abzufertigen“, sagt DUH-Mann Zerger.

Stade und Brunsbüttel planen weiter

Das erste der vier Projekte wurde in seiner ursprünglichen Form bereits im November 2020 gestoppt. Es gebe zu wenig konkretes Interesse von Partnern, in Wilhelmshaven Kapazitäten für Importe des Rohstoffes fest zu reservieren, erklärte Energiekonzern Uniper und Planer des Terminals damals. Einen anderen Rückschlag erlitten Befürworter einer deutschen LNG-Terminal-Landschaft im Oktober. Da stoppte der russische Investor Novatek die Pläne für ein LNG-Terminal in Rostock, von dem vor allem Schiffe und Lkws direkt mit Flüssiggas betankt werden sollten. Dabei war der Rostock LNG GmbH bereits eine Genehmigung zur Lagerung und zum Umschlag von verflüssigtem Erdgas erteilt worden.

Zwei Konsortien halten weiter an ihren Plänen fest: das Hanseatic Energy Hub in Stade, aus dem belgischen Gasinfrastrukturbetreiber Fluxys, der schweizerischen Partners Group und der Buss-Gruppe, und eben German LNG. Beide Konsortien betonen längst, nicht nur diesen Rohstoff anlanden zu wollen. German LNG betont, ein Terminal wie das geplante könne mittelfristig „auch für die Anlieferung von flüssigem Wasserstoff und/oder flüssigem Ammoniak“ genutzt werden. „Mehr oder weniger aufwändige Anpassungen im Vergleich zu einem ‚klassischen‘ LNG-Terminal“ seien dann notwendig, zitiert das Konsortium den Autoren einer selbst in Auftrag gegebenen Studie. Die geplante Pipeline werde „wasserstoff-ready“ sein.  

Das Hanseatic Energy Hub betont, neben LNG sei das Terminal in einer ersten Phase auch für kohlenstoffarme Energieträger wie Bio-LNG und synthetisches Methan ausgelegt. Später soll der Hub später auch für den Import wasserstoffbasierter Energiequellen bereitstehen. „Mehr als 50 Prozent der geplanten Investitionen dienen dem Aufbau einer industriellen Basisinfrastruktur, die auch für wasserstoffbasierte Energieträger, wie Ammoniak, notwendig sein wird.“

„Geschickte Kommunikation, die nicht trägt“

Zerger beobachtet diese Argumentation bereits länger. „Geschickte Kommunikation, die nicht trägt“, sagt er. Ammoniak und Wasserstoff seien Verbindungen mit ganz anderen Eigenschaften als Erdgas, die andere Strahlstrukturen und Tanks bräuchten. „Wirtschaftlich wird die Umrüstung kaum tragbar sein, wenn sie technisch überhaupt machbar ist.“  

Das Hanseatic Energy Hub gibt sich selbstbewusst. Man erwarte von der Bundesregierung einen Plan für den beschleunigten Kohleausstieg, verbunden mit einem Plan zur Förderung von Investitionen in die Gaskraftwerke. Und man erwarte starke politische Signale, „dass die Diversifizierung der deutschen Gasversorgung willkommen ist“. Die Diversifizierung betont auch German LNG. Tatsächlich steht im Koalitionsvertrag: „Wir wollen die Energieversorgung für Deutschland und Europa diversifizieren.“ Diesen Satz ordnen Beobachter allerdings zum Teil einer Notwendigkeit von Flüssiggas zu. Womit der Aufbau einer eigenen Infrastruktur tatsächlich noch nicht vom Tisch wäre.

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