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Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy nach Herabstufung seines Landes durch die Ratingagentur Standard & Poor's unter Druck.

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Update

Ratingagentur: Sarkozy nach Herabstufung Frankreichs in der Kritik

Die US-Ratingagentur Standard & Poor's senkt die Bonitätsnote Frankreichs und stuft weitere Euro-Länder herab. Für Nicolas Sarkozy ist das im Wahlkampf eine schwere Bürde.

EU-Kommissar Michel Barnier hat sich nach der Herabstufung der Kreditwürdigkeit von neun EU-Ländern durch die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) vom Zeitpunkt der Bekanntgabe "überrascht" gezeigt. "Während alle Regierungen und europäischen Institutionen daran arbeiten", die Haushaltsdisziplin zu stärken und die Währungsunion zu verbessern, "bin ich überrascht von dem von der Ratingagentur Standard & Poor's gewählten Zeitpunkt", erklärte der EU-Binnenmarktkommissar am Samstag.

Barnier kritisierte auch die Bewertung selbst, die nicht „die aktuellen Fortschritte“ berücksichtige. Die Note der Ratingagentur sei jedoch nur "eine Meinung unter anderen", erklärte der EU-Kommissar. Wichtiger sei die „objektive ökonomische Bewertung der aktuellen Situation“. In allen Ländern würden „beispiellose Anstrengungen“ unternommen, um die Staatsdefizite zu reduzieren. Zudem würden „gemeinsame Regeln“ für eine Wirtschaftsunion erarbeitet. Schließlich gebe es auch ein „entschlossenes Engagement“ der Europäischen Zentralbank zur Unterstützung angeschlagener Staaten. In Frankreich machte der sozialistische Spitzenkandidat François Hollande den konservativen Präsidenten Nicolas Sarkozy für die Herabstufung des Landes verantwortlich. Er bedauere, dass Sarkozy die Schlacht um die Topnote AAA verloren haben, erklärte Hollande am Samstag in Paris. Die US-Ratingagentur habe nicht Frankreich, sondern „eine Politik herabgestuft“ und die von Sarkozy „seit 2007 praktizierte Politik in Frage gestellt“. Er fürchte, dass die Franzosen den Preis für die Herabstufung zahlen müssten.

S&P hatte am Freitag Frankreich und Österreich die Topbonität entzogen und zudem die Kreditwürdigkeit von sieben weiteren Eurostaaten herabgestuft. Deutschland, die Niederlande, Luxemburg und Finnland bewertet S&P weiter mit der Spitzennote AAA. Die Bewertung der langfristigen Kreditwürdigkeit Frankreichs und Österreichs senkte S&P von AAA auf AA+. Die Bonität Italiens stufte die Ratingagentur gleich um zwei Stufen von A auf BBB+ herab. Auch die Bewertung Spaniens, Portugals und Zyperns senkte S&P um zwei Stufen. Um eine Stufe sanken die Ratings für Malta, die Slowakei und Slowenien. Außer für Deutschland und die Slowakei sieht Standard & Poor's den Ausblick für die Bonität aller Eurostaaten zudem negativ.

Die SPD fordert die Bundesregierung auf, ihre Steuersenkungspläne wegen der neuen Ratingherabstufungen im Euro-Raum zu beerdigen. "Die Herabstufung ist ein nicht zu überhörender Warnschuss für Deutschland“, sagte der Parlamentarische Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann am Samstag in Berlin. "Damit drohen Deutschland zusätzliche Belastungen im Rahmen der europäischen Rettungsschirme", betonte Oppermann. "Die Koalition von Union und FDP sollte die Rating-Entscheidung daher zum Anlass nehmen, ihre Steuersenkungspläne zurückzunehmen". "Die steigende Neuverschuldung in 2012 ist ein schwerer Fehler", so Oppermann.

Dax verliert wegen der Diskussion um Herabstufung

Der Dax verlor angesichts der Diskussionen um Frankreich fast zwei Prozent, fing sich dann aber und notierte noch 0,6 Prozent im Minus. Der Euro-Dollar-Wechselkurs rutschte um zwei Cent auf ein 16-Monats-Tief auf bis zu 1,2624 Dollar. Anders als S&P hatte die Agentur Fitch kürzlich angekündigt, Frankreichs Rating bis 2013 nicht verändern zu wollen – jedenfalls dann, wenn sich die Schuldenkrise nun nicht weiter verschärft.

Die Herabstufung Frankreichs, der zweitgrößten Volkswirtschaft Europas, hat womöglich gravierende Folgen für die Rettung des Euro. Denn Frankreich ist eines der Länder, das mit seiner Top-Note den Rettungsfonds EFSF trägt, der seinerseits mit AAA bewertet ist. Er wurde im Mai 2010 geschaffen und nimmt Geld am Kapitalmarkt auf, um es Ländern wie Portugal oder Irland zur Verfügung zu stellen. Diese Staaten können sich damit wesentlich günstiger finanzieren.

Der Verlust der AAA-Note für Frankreich könnte nun dazu führen, dass der EFSF für Anleihen höhere Zinsen zahlen muss. „Zudem kann der EFSF weniger Garantien zur Verfügung stellen“, sagte Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka-Bank, dem Tagesspiegel. Dies ist auch deshalb problematisch, weil es noch immer keine Einigung darüber gibt, wie die Finanzkraft des EFSF per Hebel aufgestockt werden kann. Derzeit liegt sie bei 440 Milliarden Euro.

Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, hält die schlechtere Bewertung Frankreichs indes für kein großes Problem. „Die USA leben mit AA auch sehr gut, die Japaner schon lange. AAA ist ohnehin weltweit eine aussterbende Spezies“, befand er. Frankreich habe kaum Chancen, durch Sparmaßnahmen und Reformen binnen kurzer Zeit das Top-Rating zurückzubekommen.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sagte dem Fernsehsender RTL, es habe Andeutungen dieser Art von den Ratingagenturen schon gegeben. „Wir haben uns in den letzten Monaten darüber verständigt, dass man die Ratingagenturen in ihrer Beurteilung nicht überschätzen soll“, fügte Schäuble hinzu. Auf die Frage, ob die Abwertung auch Auswirkungen auf Deutschland haben könnte, sagte der CDU-Politiker am Rande der CDU-Vorstandsklausur in Kiel: „Ich glaube, dass wir insgesamt ja alle eng miteinander zusammenhängen. Und deswegen lässt uns das alles nicht gleichgültig. Aber wir sind miteinander auf einem guten Weg.“

Zuletzt war es für die Euro-Staaten einfacher geworden, sich Geld zu leihen. Deutsche Staatsanleihen waren so beliebt, dass Anleger sogar negative Zinsen in Kauf nahmen. Spanien und Italien besorgten sich gegen Ende der Woche zu deutlich günstigeren Konditionen Geld.

Die EZB warnte unterdessen vor einer Aufweichung des europäischen Fiskalpakts, der für mehr Haushaltsdisziplin sorgen soll. Die jüngste Vertragsversion sei eine „substanzielle Verwässerung gegenüber früheren Entwürfen“, schrieb EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen an die Unterhändler der 26 beteiligten Staaten. Er kritisierte Ausnahmeregeln beim Schuldenabbau in dem Plan. „Diese Änderungen laufen aus meiner Sicht klar dem Geist der ursprünglichen Vereinbarung für einen ambitionierten Fiskalpakt zuwider“, heißt es in dem Schreiben.

Ungeklärt sind weiterhin auch die Modalitäten zum Schuldenschnitt für Griechenland. Die Finanzbranche weigert sich offenbar, bis zu 100 Milliarden Euro durch einen Forderungsverzicht beizusteuern. Dies gefährdet das gesamte zweite, 130 Milliarden Euro schwere Hilfspaket für Athen. (mit dpa/rtr)

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