
© dpa/Felix Heyder
Bestürzende Umbauten: Wie die Schwangerschaft den Körper verändert
Bauch, Brüste, na klar: Dass sich der Körper schwangerer Frauen etwas verformt, überrascht nicht. Allerdings sind auch Organe betroffen, die mit Fortpflanzung scheinbar nichts zu tun haben.

Stand:
Kurzurlaub auf Usedom, der treusorgende Autor bringt seiner geliebten Frau das übliche Frühstücksei vom Buffet mit. Doch plötzlich verzieht diese das blassgrüne Gesicht, stammelt „Bloß nicht“ und verschwindet wortlos Richtung Hotelzimmer. Das Rätsel klärt sich ein paar Tage später, als der Schwangerschaftstest anschlägt: Kind 1 hat sich auf den Weg gemacht.
Schon bevor die meisten Frauen merken, dass sie schwanger sind, beginnt sich der Körper bereits auf die bevorstehende Meisterleistung einzustellen. Offensichtlich sind natürlich die Veränderungen im Bauch- und Brustbereich.
Weniger bekannt ist hingegen, dass der schwangerschaftsbedingte Hormon-Tsunami im ganzen Körper Umbauten anstößt. So wird etwa das Immunsystem gedimmt, damit Zellen oder Moleküle des Embryos, die sich durch die Plazenta in den Körper der Mutter schummeln, keine Attacke gegen den „Fremdkörper“ in der Gebärmutter auslösen.
Auch das Gehirn wird umgebaut. Das Volumen der „Grauen Substanz“, bestehend aus Nervenzellkörpern, reduziert sich, während die „Weiße Substanz“ aus den verbindenden Fortsätzen der Nervenzellen, zunimmt. Ob sich das auch auf das Verhalten der Schwangeren auswirkt? Der Erbonkel verweigert an dieser Stelle besser die Aussage.
Doppel-Darm
Viel überraschender – und vor allem unverfänglicher – ist, dass auch der Darm von Schwangeren drastisch umgestaltet wird. Ein Wiener Forschungsteam fand jetzt heraus, dass sich die Oberfläche des Verdauungsorgans verdoppelt und dieser Zustand auch über die Geburt hinaus so lange bestehen bleibt, bis die Stillzeit endet.

© René Hägerling, BIH/Charité
Offenbar reagieren die Darmzotten auf die Schwangerschaftshormone. Diese millionenfachen winzigen Ausstülpungen der inneren Darmoberfläche sind ähnlich wie die Finger eines Gummihandschuhs geformt und sorgen dafür, dass sich die Aufnahmefläche für Nährstoffe erhöht: beim Menschen, grob geschätzt, etwa die Größe eines Tennisplatzes.
Josef Penningers Team vom Wiener Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) entdeckte nun, dass die Zotten im Laufe der Schwangerschaft noch weiter in den Darm hineinwachsen, sodass sich die Oberfläche für die Nahrungsaufnahme etwa verdoppelt. Das beobachtete das Forschungsteam nicht nur bei Mäusen, sondern auch bei menschlichen, aus Stammzellen gezüchteten Darmorganoiden.
Störten die Forschenden das Zottenwachstum, verringerte sich das Geburtsgewicht des Nachwuchses deutlich. Damit gäbe es „zum ersten Mal eine molekulare und strukturelle Erklärung dafür, wie und warum sich der Darm verändert, um sich an den erhöhten Nährstoffbedarf der Mütter anzupassen“, so Penninger. Das sei wahrscheinlich bei allen schwangeren und stillenden Säugetieren der Fall, auch bei Menschen.
Ob es die Veränderungen im Darm oder im Gehirn sind, die zu den manchmal merkwürdigen Essgewohnheiten von Schwangeren führen, ist noch nicht erforscht. Sicher ist jedoch, dass sich die Darmzotten nach dem Ende der Stillzeit wieder zurückbilden und sich die Nährstoffaufnahme von Zucker, Eiweiß und Fett wieder normalisiert.
Was wir zum Leben mitbekommen und was wir weitergeben – jedes Wochenende Geschichten rund um Gene und mehr in der „Erbonkel“-Kolumne.
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