
© imago/Xinhua/Kepseu
Deutschland kürzt Entwicklungshilfe: „Es droht ein Dominoeffekt, der für Millionen tödlich enden könnte“
Neue Prioritäten führen dazu, dass Mittel im Kampf gegen Malaria und Aids gekürzt werden. Dabei zeigt eine Analyse, dass deutsche Beiträge Aufträge für heimische Unternehmen schaffen.
Stand:
Deutsche Investitionen in die Verbesserung der globalen Gesundheitsversorgung lohnen sich, denn sie kommen zum Teil wieder der heimischen Wirtschaft zugute. Diese Argumentation vertritt die Entwicklungsorganisation ONE, die sich für die Bekämpfung extremer Armut und vermeidbarer Krankheiten einsetzt. Nun hat ONE eine Analyse vorgelegt, um dies mit Zahlen zu untermauern.
Ergebnis: Der Globale Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria erwarb zwischen 2010 und 2024 in Deutschland produzierte Diagnostika, Medikamente und Moskitonetze für rund 940 Millionen Euro. Der deutsche Beitrag an den Fonds in diesem Zeitraum betrug fast 4,5 Milliarden Euro. Folglich floss mehr als jeder fünfte Euro aus deutschen Beiträgen wieder ins Land zurück.
Sparzwänge und nationale Prioritäten
Deutschland ist mit kumulierten Beiträgen von 5,4 Milliarden Euro seit der Gründung des Fonds im Jahr 2002 noch der viertwichtigste öffentliche Geldgeber. Doch wie in vielen anderen Ländern fallen Investitionen in Entwicklungshilfe und globale Gesundheit auch hierzulande zunehmend Sparzwängen und neu geordneten nationalen Prioritäten zum Opfer.
So sehen die Haushaltspläne der Bundesregierung vor, den deutschen Beitrag bis 2028 für den Globalen Fonds von 1,3 Milliarden auf 850 Millionen Euro zu reduzieren – ein Minus von 35 Prozent, obwohl das Budget des Bundesentwicklungsministeriums (BMZ), aus dem der Globale Fonds finanziert wird, im Vergleichszeitraum nur um 14,6 Prozent schrumpfen soll.
Deutscher Exportschlager: Moskitonetze
Eine weitere ONE-Analyse hatte ergeben, dass die deutschen Kürzungen das Leben von bis zu 650.000 Menschen gefährden und hart erkämpfte Fortschritte im Kampf gegen Aids, Tuberkulose und Malaria zunichtemachen. Mit dieser Position ist die Entwicklungsorganisation nicht allein – etliche Organisationen und Fachleute hatten fehlendes Verständnis für die Kürzungen geäußert, gilt der Globale Fonds doch als eine der effektivsten und effizientesten Organisationen, die für Entwicklungshilfe und Ausrottung gefährlicher Infektionskrankheiten gegründet wurde.
Seit seiner Gründung will der in mehr als hundert Ländern aktive Fonds nach eigenen Angaben zusammen mit seinen Partnerorganisationen rund 70 Millionen Menschenleben gerettet und die Zahl der Todesfälle durch Aids, Tuberkulose und Malaria um 63 Prozent gesenkt haben – auch durch Produkte in Deutschland ansässiger Unternehmen.

© IMAGO/Middle East Images/IMAGO/Zubair Abbasi
Profitiert haben sollen von Großaufträgen des Globalen Fonds vor allem Unternehmen aus Rheinland-Pfalz, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern. Dazu gehörten etwa Bayer, Carl Zeiss, Siemens Healthineers oder BASF.
BASF stellt auch Moskitonetze her, die mit Insektiziden behandelt werden. Ein Netz ohne Insektizid reicht nicht aus, denn mit der Zeit entstehen Beschädigungen an den Netzen. In vielen Regionen sind Anopheles-Mücken gegen Netze mit dem üblichen Wirkstoff Pyrethroid zunehmend resistent. BASF stellt daher Netze mit einem zusätzlichen Wirkstoff her. „Wir sind besonders begeistert von den neuen Moskitonetzen, da Malaria die Krankheit ist, die uns am meisten Sorgen bereitet“, sagt Dianne Stewart, stellvertretende Direktorin für Außenbeziehungen und Leiterin der Abteilung für Geberbeziehungen beim Globalen Fonds.
Durch die neuen Netze habe sich die Schutzwirkung dieser Bettnetze um 50 Prozent erhöht. Der Globale Fonds will mehr als hundert Millionen Stück bei BASF in Auftrag geben und in Malaria-Kampagnen integrieren. „Dies ist ein gutes Beispiel dafür, wie diese neuen Innovationen schnell und in großem Umfang in den Ländern eingesetzt werden können, die sie am dringendsten benötigen“, sagt Stewart.
Heiße Phase bei Fonds-Wiederauffüllung
In einem gemeinsamen Aufruf haben sich acht Prominente, darunter Arzt und Fernsehpersönlichkeit Eckart von Hirschhausen, Beate Kampmann, Leiterin des Instituts für Internationale Gesundheit an der Charité, und die frühere SPD-Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul, an BMZ-Ressortchefin Alabali Radovan (SPD) gewandt und davor gewarnt, dass das deutsche Handeln internationale Signalwirkung habe. „Sollten die massiven Kürzungen wie geplant vonstattengehen, droht ein Dominoeffekt, der für Millionen von Menschen tödlich enden könnte“, heißt es in dem Schreiben an die Ministerin.
Die abschließenden Beratungen und Abstimmung des Haushalts 2026 sollen in der letzten November-Woche im Bundestag erfolgen. Nach Informationen von Tagesspiegel Background ist der Glaube daran, dass das Bundesentwicklungsministerium weitere Gelder erhält, weder in Ministerien noch Bundestags-Fraktionen besonders groß. Die aktuelle Finanzierungskampagne des Globalen Fonds läuft noch sechs Wochen – benötigt werden 18 Milliarden US-Dollar (15,5 Mrd. Euro), um zwischen 2027 und 2029 etwa 23 Millionen Menschenleben zu retten. Bislang wurden fast zwei Milliarden Dollar zugesichert.
Stewart sagte dem Tagesspiegel Background, das genannte Ziel sei unter den derzeitigen Umständen schwer zu erreichen. Sie sei aber optimistisch, „dass viele Geber, inklusive Deutschland, wirkungsvolle Investitionen priorisieren und viele Beiträge über die nächsten Wochen bekanntgegeben werden“. Angestrebt wird, mindestens die Finanzierungssumme der letzten Kampagne von 15,7 Milliarden Dollar (rund 13,5 Milliarden Euro) zu schaffen.
- Afrika
- Aids
- Armut
- Bundesregierung
- Deutscher Bundestag
- Eckart von Hirschhausen
- Gesundheit
- Hilfsorganisationen
- SPD
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid:
- false