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Die Cottbusser Medizin soll zum Vorbild mit Modellcharakter werden. 

© imago/Sebastian Willnow

Labor für die Zukunft der Medizin: Brandenburg plant milliardenschwere Medizinausbildung

Land stellt Innovationszentrum für Uni-Medizin in Cottbus vor. Dort soll unter anderem das Gesundheitssystem erforscht werden.

Potsdam. Die Brandenburger Landesregierung plant die Errichtung einer eigenen Medizin-Fakultät an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU). Sie soll zusammen mit dem Carl-Thiem-Klinikum in Cottbus entstehen.

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Am Dienstag stellten Ministerpräsident Dietmar Woidke und Wissenschaftsministerin Manja Schüle (beide SPD) mit dem ehemalige Chef der Berliner Charité, Karl Max Einhäupl, das Konzept vor. Der renommierte Neurologe Einhäupl hatte mit einer zehnköpfige Expertenkommission seit September 2020 Empfehlungen dazu erarbeitet.

Expertengremium rechnet mit 1,9 Milliarden Euro Startkosten

Vorgesehen ist demnach keine eigenständige Hochschule, sondern eine Fakultät an der BTU mit einem gemeinsamen Vorstand mit dem dortigen Klinikum. Die Experten um Einhäupl hoffen, dass 1,9 Milliarden Euro aus den Geldern des Strukturstärkungsgesetzes für Kohleregionen zur Errichtung der Fakultät investiert werden können. Dies geht weit über das hinaus, was bislang über die Pläne bekannt geworden war

Es sollen 29 000 Quadratmeter neue Flächen für rund 1600 neue Stellen entstehen. Im Umfeld werden weitere zusätzliche Jobs erwartet. „Das kann auch weit über Brandenburg hinaus ausstrahlen“, sagte Einhäupl. „Jetzt kommt es darauf an, wie es umgesetzt wird.“

Ziel sei es vor allem, eine Gesundheitssystemforschung in der Lausitz zu etablieren. Zusätzlich sollen mindestens drei weiter Studiengänge von Data Science bis zur Einbindung von Hebammen und Pflegenden in die akademische Ausbildung hinzukommen. 

Die ersten 200 Studierenden sollen zum Wintersemester 2026/27 in Cottbus beginnen, jährlich sollen rund 200 weitere hinzu kommen. Brandenburgs Wissenschaftsministerin Schüle sagte, man wolle die Lausitz zu einem Labor für neue evidenzbasierte Medizin machen: „In zehn Jahren werden Studierende eigens dafür nach Cottbus kommen.“

Gesundheitssystemforschung als ein Schwerpunkt

Als Alleinstellungsmerkmale des Konzepts für die Lausitz nannte Karl Max Einhäupl vor allem die Gesundheitssystemforschung und die Digitale Medizin, die dort Schwerpunkt werden sollen. Zudem könnte die Medizinerausbildung in der ländlich geprägten Region der Lausitz modellhaft für andere ähnliche Regionen in Europa werden. 

Wichtig sei, die Interdisziplinärität der Ausbildung und eine Analyse des Gesundheitssystems, etwa im Bereich Gesundheitsökonomie und -management. So könnte dann beispielsweise erforscht werden, warum Frankreich und England größere Probleme mit der Covid-Pandemie hatten als andere Länder.

Auch neue Methoden würden gebraucht. So habe sich in der Pandemie gezeigt, dass neben Virologie auch die Modellentwicklung sehr wichtige sei, ähnlich wie für das Wetter und Klima. Auch könne man in Zukunft in Simulationszentren Methoden am simulierten Patienten erproben. 

Zudem sei es ein Ziel, neue Berufe in der Medizin zu etablieren, vom Management bis hin zu wissenschaftlichem Personal, das sich um Einzelpersonen kümmern kann, etwa bei Krebserkrankungen. Gesundheitssysteme zu erforschen, könne schließlich beantworten helfen, warum Krankenhäuser gegenwärtig schließen müssen und die Kosten in Medizin so schnell wachsen.

Potsdamer Uni-Chef erwartet Einbindung bestehender Ausbildung

Der Präsident der Universität Potsdam, Oliver Günther, der im Vorfeld vor Doppelstrukturen angesichts der bereits bestehenden Fakultät für Gesundheitswissenschaften gewarnt hatte, sagte dem Tagesspiegel nun, dass die Ansiedlung einer Hochschulmedizin in der Lausitz ein „wichtiger und richtiger Schritt“ sei. 

Der Potsdamer Uni-Präsident Oliver Günther.
Der Potsdamer Uni-Präsident Oliver Günther.

© Sebastian Gabsch PNN

Mit einer „klugen digitalen Vernetzung“ könnten auch die Standorte der privaten Medizinischen Hochschule Brandenburg (MHB) sowie Potsdam in die zukünftige Entwicklung eingebunden werden: „Ganz im Sinne des bereits 2015 vom Landtag beschlossenen Großprojekts ,Gesundheitscampus Brandenburg’“.

Wichtig sei aber die Frage, wie die „erheblichen laufenden Kosten des Lausitzer Projekts“ bewältigt werden sollen: „Diese können ja weder vom Bund noch aus den laufenden Hochschulmitteln des Landes kommen“, so Günther.

Karl Max Einhäupl sprach von durchschnittlichen jährlichen Kosten zwischen jeweils 60 und 250 Millionen Euro an Landeszuschüssen für medizinische Fakultäten in Deutschland. Das müsse zusammen mit Fördergeldern vom Land getragen werden. Wie hoch die laufenden Kosten des Cottbusser Vorhabens ausfallen werden, lasse sich jetzt noch nicht sagen.

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