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Soll eine Hochschule schließen?: Berliner Senat kassiert Vorschlag von CDU-Wissenschaftspolitiker ein
Der Senat weist den Vorschlag des CDU-Experten Adrian Grasse ab, eine Berliner Hochschule zu schließen. Grasse hält an seiner Idee fest, lässt aber zentrale Fragen offen.
Stand:
Der Berliner Senat lehnt den Vorschlag des CDU-Wissenschaftspolitikers Adrian Grasse ab, aus Finanzgründen auf eine Hochschule der Stadt zu verzichten. „In Zeiten großer finanzieller Herausforderungen darf es keine Denkverbote geben. Aber die Frage, eine Hochschule in Berlin zu schließen, stellt sich nicht“, teilte Senatssprecherin Christine Richter dem Tagesspiegel am Montagnachmittag mit.
Zuvor war das Thema bereits im Bundestagswahlkampf angekommen, zumindest auf der Berliner Ebene. Für seinen Vorschlag war Grasse, der wissenschaftspolitische Sprecher der CDU im Abgeordnetenhaus, heftig vom früheren Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) kritisiert worden. Eine „Bankrotterklärung“ sei das, sagte Müller. Grasse teilte daraufhin seinerseits gegen Müller aus.
„Was die Aussagen von Herrn Müller betrifft, möchte ich gern daran erinnern, dass sich die demokratischen Parteien auf einen fairen Wahlkampf verständigt haben“, erklärte Grasse gegenüber dem Tagesspiegel. „Zumindest für mich bedeutet dies, dass man über Positionen streitet und von derart persönlichen Angriffen absieht, zumal unter SPD-Regierungen mehrere Hochschulen und Fachbereiche durch Zusammenlegung erloschen sind.“
Grasse tritt für die CDU im Bundestagswahlkampf als Direktkandidat im Bezirk Steglitz-Zehlendorf an, Müller für die SPD in Charlottenburg-Wilmersdorf. Grasse hatte den Vorschlag am vergangenen Donnerstag auf einer Veranstaltung des RCDS gemacht.
Er nannte dabei Werksschließungen bei Volkswagen als gutes Beispiel: „Würde es nicht Sinn machen, eine Hochschule zu schließen, anstatt alle kaputtzusparen?“ Müller, der in seiner Amtszeit als Regierender Bürgermeister in Personalunion Wissenschaftssenator war, hatte darauf am Wochenende reagiert. Auch Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) wies den Vorschlag Grasses zurück.
In der Sache blieb dabei unklar, an welche Hochschule Grasse denkt und welche Summe er damit einsparen möchte. Beiden Fragen wich Grasse auch auf wiederholte Nachfrage des Tagesspiegels aus.
Grasse: Diskussion über Wissenschaftslandschaft „dringend notwendig“
Er halte eine fachliche Diskussion über die zukünftige Ausrichtung und Struktur der Berliner Wissenschaftslandschaft für „dringend notwendig“, erklärte Grasse stattdessen: „Genau das habe ich mit meinem Statement deutlich gemacht.“ Er würde sich sehr freuen, „wenn wir ohne die typischen Reflexe, die dem gegenwärtigen Wahlkampf geschuldet sind, in eine ernsthafte Strukturdebatte einsteigen“.
Grasse führte weiter aus, dass bei der Wissenschafts- und Forschungsfinanzierung wieder stärker auf Nachfrage und Bedarf geschaut werden müsse. Es sei nicht vermittelbar, dass dauerhaft Studiengänge angeboten und finanziert werden, für die keine oder nur eine geringe Nachfrage bestehe oder die nur mit Studierenden ausgelastet seien, die Deutschland wieder verlassen.
„Eine Neustrukturierung der Hochschullandschaft – sei es durch den Verzicht auf einzelne Studiengänge oder Fachbereiche, durch Fusionen oder ggf. auch die Schließung eines Standortes – würde die Leistungsfähigkeit unseres Wissenschaftssystems insgesamt steigern“, erklärte Grasse. „Wir haben zahlreiche redundante Studienangebote. Aus mehreren schwächeren Angeboten ein starkes zu machen, hat sogar Vorteile.“
Auch hier ließ Grasse die Frage offen, an welche Fächer er dabei denkt. Er nannte lediglich Beispiele aus der Vergangenheit, die teils bis in die Zeit vor dem Mauerfall zurückreichen. So seien die Universität der Künste, die Charité und die Hochschule für Wirtschaft und Recht die Ergebnisse von Fusionen. Alle seien heute „Top-Adressen“. Auch sei die Pädagogische Hochschule Berlin auf FU, TU und UdK aufgeteilt worden (die PH Berlin wurde im Jahr 1980 aufgelöst).
Grasse erinnerte zudem daran, dass München, Köln und Hamburg bei den Hochschulen größere Institutionen als Berlin hätten. „Größere Einheiten können Interdisziplinarität fördern und internationale Sichtbarkeit erhöhen.“
Tatsächlich forschen und lernen an den genannten Unis deutlich mehr Professoren und Studierende als an der HU und FU – wobei sie auch deutlich mehr Landesmittel erhalten. Allerdings ist der Vergleich schwierig, da zu den Unis in München, Köln und Hamburg große medizinische Fachbereiche gehören, während in Berlin die Charité diese Aufgabe übernimmt.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels hatten wir das Zitat im ersten Absatz dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner zugeschrieben. Tatsächlich hatte sich die Senatssprecherin geäußert. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.
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