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Das frühere Clubhaus der Hells Angels am Spandauer Damm in Charlottenburg 2008.

© Kai-Uwe Heinrich

„Alte Schule – im besten Sinne“: Hells Angels aus aller Welt trauern um Berliner Rockergröße

Ein Gründer der Berliner Hells Angels wird am Sonnabend beerdigt. Auf Motorrädern und in Lederkutten trauern auch Rocker aus Übersee. Die Traditionalisten stehen unter Druck.

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Fast wie früher, als Tattoos noch Rebellion signalisierten und Muckibuden nicht mit Studenten überfüllt waren. An diesem Sonnabend rollt eine internationale Rockerkolonne durch Berlin, fette Lederkutten, schwarze Motorräder: Die Hells Angels trauern um Frank Weber.

Der mit Mitte 60 nach einer Erkrankung verstorbene Weber ist einer der Männer, die 1990 den Berliner Ableger der Hells Angels gegründet hatten. Ein Traditionalist. Das ist wesentlich, weil sich mit dem Image der Hells Angels zuletzt auch Männer schmückten, die sich weniger mit Motorrädern und Bierabenden und umso mehr mit Drogendeals und Schutzgeld befassten.

Aufgewachsen im Vorwende-Kreuzberg

„Ganz alte Schule – im besten Sinne“, wie ein Berliner Hells Angels nach dem „Rockerkrieg“ von 2010 über Weber sagte. Die „FAZ“ schrieb einst: „Micha, Wanne und Weber, die Männer, die den Club gegründet haben, die unheilige Dreifaltigkeit der Hells Angels Berlin.“ Und mit „Erz-Kreuzberger“ überschrieb 2016 das englischsprachige Journal „Berliner“ einen Text über Weber, der in der Waldemarstraße groß wurde.

„Meinen ersten Bikerclub habe ich 1977 gegründet“, wird Frank Weber damals zitiert. „In den 1960er- und 1970er-Jahren war das Kottbusser Tor eine arme und schmutzige Gegend, überall lag Hundescheiße – wie in der Bronx in New York. Aber es war auch freier. Es war wie eine kleine Insel mit Bikern und Hippies, jeder kannte jeden.“

Kolonne von Neukölln nach Schöneberg

Weber, der in Kreuzberg ein Tattoostudio betrieb, war als Veranstalter der „Berliner Tattoo Convention“ nicht nur unter Bikern bekannt. Für diesen Sonnabend sind Rocker aus halb Europa und Amerika angereist. Nach der Trauerfeier im Neuköllner Richardkiez fahren sie zum Friedhof an der Schöneberger Großgörschenstraße. Dort befinden sich auch Gräber anderer Hells Angels.

Berliner Hells Angels vor dem früheren Clubhaus in Charlottenburg.

© Thilo Rückeis

An diesem Sonnabend immer dabei, auch wenn sie keine Schlachten erwarten: Polizisten. In Zivil beobachten die Beamten die Rockergrößen, in Uniform regeln sie den Verkehr.

Wer sich den alten Hells Angels anschließen wollte, musste sich über Jahre bewähren. Diese traditionelle Szene geriet unter Globalisierungsdruck. In den Kiezen der Rocker verdrängten Investoren die Kneipen und Werkstätten. Das Rotlichtgewerbe und die Türsteherszene mischten arabische Großfamilien auf.

Konflikt um Hells-Angels-Symbole?

Die Altrocker waren gemächlicher als diejenigen, die von Ermittlern „junge Wilde“ genannt wurden. Ab 2010 tobte ein Machtkampf zwischen den überwiegend aus Einwandererfamilien stammenden Jungen, von denen viele kein Motorrad besaßen, und den Alten, die oft noch eine Facharbeiterausbildung hatten.

2012
In jenem Jahr verbot Berlins Senat zwei Hells-Angels-Charter.

Neben den Hells Angels erfasste der Strudel der Zeit auch die Bandidos, die zweitgrößte, ebenfalls aus den USA stammende Biker-Bruderschaft. In einem bundesweiten „Rockerkrieg“ zwischen Hells Angels und Bandidos gab es Tote. Heute sind die Bandidos deutlich schwächer. Erst vor einigen Wochen wechselten an Rhein und Ruhr erneut viele Bandidos zu den Hells Angels. Wohlgemerkt dominieren auch in NRW die jungen Wilden.

An diesem Sonnabend in Berlin zeigen sich die Traditionalisten. Sozusagen eher Kneipe als Shisha-Bar. Heikel wäre nur, sollte die Polizei an diesem Wochenende das Verbot bestimmter Sektionen – im Szenejargon: Charter – allzu eng auslegen. Der geflügelte Totenkopf ist das in den USA geschützte Hells-Angel-Logo, es darf in Berlin streng formal nicht gezeigt werden. Je nach Rechtsauslegung auch dann nicht, wenn es von jemandem getragen wird, der einer legalen Sektion der Hells Angels angehört.

Der damalige Innensenator Frank Henkel (CDU) hatte 2012 zwei Charter in Berlin verbieten lassen. Europaweit bekannt wurde eine der zwei Truppen, als deren Männer 2014 in ein Wettcafé in Reinickendorf marschierten und einen Kontrahenten erschossen. Acht Männer wurden wegen Mordes verurteilt. Die damals inhaftierten Hells Angels erhalten inzwischen sporadisch Freigang. Allerdings nicht dieses Wochenende. Die Traditionalisten können in Ruhe trauern.

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