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Fridays for Future-Demonstrierende mit einem Banner für den Volksentscheid „Berlin 2030 Klimaneutral“.

© imago/IPON

„Berlin 2030 Klimaneutral“: Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Volksentscheid

Am 26. März stimmt Berlin darüber ab, ob die Stadt 2030 klimaneutral werden soll. Was steht im Gesetzentwurf? Wie funktioniert die Wahl? Ein FAQ.

| Update:

Am 26. März stimmt Berlin über den Volksentscheid „Berlin 2030 Klimaneutral“ ab. Was steht im Gesetzentwurf? Wie viele Stimmen braucht der Entscheid, um erfolgreich zu sein – und wie funktioniert das nochmal mit der Briefwahl? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Worüber wird eigentlich abgestimmt?

Anders als bei vergangenen Volksentscheiden, bei denen beispielsweise die Bebauung des Tempelhofer Feldes verhindert oder die Enteignung von Immobilienkonzernen vorangetrieben werden sollte, wird beim Klima-Volksentscheid über eine konkrete Gesetzesänderung abgestimmt. Die Bürgerinitiative „Klimaneustart Berlin“ will das Berliner Klimaschutz- und Energiewendegesetz, das der Senat im September 2021 kurz vor der Berlin-Wahl verabschiedet hat, verändern.

Bislang sieht dieses vor, dass Berlin bis zum Jahr 2045 klimaneutral wird, also dass Berlin bis dahin genau so viele Treibhausgase abbaut, wie es auch verursacht. Nach dem Willen der Initiatoren soll dieses Datum auf 2030 nach vorn verschoben werden. Dafür schlagen sie einige Änderungen in dem 36-seitigen Gesetzestext vor. Auf dem Wahlzettel werden jedoch nur die sechs zentralen Veränderungen genannt.

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Was fordert die Initiative?

Neben dem früheren Datum für die Klimaneutralität wollen die Initiatoren vor allem den Charakter des bisherigen Gesetzes verändern. Statt Absichtserklärungen sollen die Formulierungen verpflichtend werden. Zudem sollen in das Gesetz zwei konkrete Zielvorgaben aufgenommen werden. Schon bis 2025 soll der CO₂-Ausstoß um 70 Prozent gegenüber 1990 gesenkt werden, bis 2030 dann um 95 Prozent.

Um das zu erreichen, sollen bis 2030 alle öffentlichen Gebäude klimafreundlich renoviert werden. Da auch private Häuser saniert werden sollen, rechnet die Initiative mit steigenden Kosten für Mieter. Deshalb will sie auch Entlastungen gesetzlich festschreiben. „Soweit Maßnahmen oder Anordnungen nach diesem Gesetz zu einer Erhöhung der Nettowarmmiete für Wohnraum führen, ist der Erhöhungsbetrag dem Zahlungspflichtigen als monatlicher Zuschuss aus dem Landeshaushalt zu erstatten“, heißt es im Vorschlag für das neue Gesetz. Die solle bis 2050 gelten.

Welche Kosten würden dadurch entstehen?

Bei ihren Berechnungen über die Kosten für die Umsetzung des Gesetzesvorschlags gehen die Schätzungen von Senat und Initiatoren auseinander. Dass es teuer wird, darin sind sich beide Seiten jedoch einig. Eine seriöse Kosteneinschätzung hält der Senat für nicht möglich. Nach konservativer Schätzung müsse für die Erreichung der Klimaneutralität bis 2030 mit gesamtwirtschaftlichen Investitionskosten mindestens in hoher zweistelliger Milliardenhöhe gerechnet werden.

113
Milliarden Euro könnten die Kosten für die Umsetzung des Volksentscheids sein, sagen die Initiatoren.

Damit liegt der Senat sogar unter der Schätzung der Initiatoren, die selbst von rund 113 Milliarden Euro ausgehen. Das Gros der Kosten verteilt sich vor allem auf drei Sektoren: den Energiesektor, den Verkehrssektor und den Bausektor. Viel Geld. Doch nicht zu handeln – so argumentieren die Initiatoren – werde die Stadt auf Dauer wegen der Klimaschäden deutlich mehr kosten.

Wer sind die Initiatoren?

Die Bürgerinitiative „Klimaneustart Berlin“ gibt es bereits seit 2019. Sie versteht sich als zivilgesellschaftliche Bewegung, um den Austausch zwischen Bürgern, Wissenschaft und Politik voranzutreiben. Damals rief die Initiative den Klimanotstand aus, 2021 schloss sich der Senat mit einer Klimanotlage an.

Eine Demonstrantin im Oktober 2022.
Eine Demonstrantin im Oktober 2022.

© imago/IPON

Mehr als 260.000 Unterschriften haben die Unterstützer gesammelt und damit den Volksentscheid möglich gemacht. Unterstützt wird die Initiative inzwischen von einem breiten Bündnis von Bewegungen, Organisationen und auch Parteien wie der Klimaliste, Volt oder der ÖDP. Auch der Radclub ADFC, die Naturfreunde Berlin oder die Jugendorganisationen von SPD und Grünen unterstützen den Klimavolksentscheid. Durch Spenden hat die Initiative insgesamt rund 1,2 Millionen Euro eingesammelt.

Worauf muss ich mich einstellen, wenn der Volksentscheid erfolgreich ist?

Diese Frage kann noch nicht beantwortet werden. Der Gesetzesentwurf der Initiatoren gibt der Politik nur verbindliche Ziele vor, aber explizit keine konkreten Maßnahmen. Diese müsste der Senat erarbeiten und festlegen.

Wie finanziert sich die Initiative?

Die Initiative finanziert sich über Spenden – insgesamt hat der Volksentscheid rund 1,2 Mio. Euro gesammelt. Die Mehrheit der Spenden geht auf Großspender zurück: Mit 475.000 Euro stammt der größte Betrag von den Stiftungen des deutsch-amerikanischen Investoren-Ehepaars Albert Wenger und Susan Danziger. Auch der Solar-Unternehmer Paul Grunow und seine Frau Frauke Eysell (200.000 Euro) sowie der Cleantech-Investor Jochen Wermuth (100.000 Euro) finden sich auf der Großspender-Liste. 120.000 Euro hat die Initiative zudem durch Crowdfunding eingeworben.

Was sagen Experten zum Volksentscheid?

Ein Gutachten des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und mehrerer Partnerinstitutionen, das im Auftrag des Senats erstellt wurde, hält die Erreichung Ziele des Volksentscheids bis 2030 für unwahrscheinlich. Bis zu diesem Zeitpunkt seien statt 95 Prozent nur 60 Prozent Minderung im Vergleich zu 1990 erreichbar.

Lizzi Sieck, Expertin für kommunalen Klimaschutz beim Umweltbundesamt, sagt dem Tagesspiegel: „Hohe Ambitionen zu haben, ist absolut richtig und wichtig. Aber die Zielstellung sollte so gewählt werden, dass sie vom jeweiligen Akteur auch erreichbar ist.“ Sie weist auf die lange Dauer von Sanierungen, den Fachkräftemangel und explodierende Baukosten hin. Zudem kollidierten manche nötigen Maßnahmen mit dem EU- und Bundesrecht.

Auch Felix Creutzig, Klimaforscher an der TU Berlin, hält die Ziele der Initiative bis 2030 für unerreichbar. Er gibt zudem zu bedenken, dass auch der dringend benötigte Wohnungsbau CO₂-Emissionen produziert. Am 26. März will er trotzdem mit Ja stimmen, sagt Creutzig dem Tagesspiegel Checkpoint: „Mit Bauchschmerzen. Ich halte es aber für richtig, dass Klimaschutzpolitik in Berlin endlich in Gang kommt.“

Wie steht der Senat zum Gesetzentwurf?

Der noch amtierende rot-grün-rote Senat empfiehlt, am 26. März mit Nein abzustimmen. Das geht aus der amtlichen Mitteilung zum Volksentscheid hervor: Zwar begrüßt der Senat die generelle Absicht der Initiative, den Klimaschutz in Berlin zu stärken, kritisiert jedoch die schwierige Umsetzbarkeit der Klimaziele des Gesetzentwurfs.

Nach der Berlin-Wahl ist vor der Klima-Wahl.
Nach der Berlin-Wahl ist vor der Klima-Wahl.

© IMAGO/A. Friedrichs

Mit Bezugnahme auf das IÖW-Gutachten hält der Senat die Verringerung der CO₂-Emissionen um mindestens 95 Prozent im Vergleich zu 1990 erst in den 2040er Jahren erreichbar. Konkrete Hindernisse der Klimaneutralität bis 2030 seien unter anderem die langen Planungs- und Umsetzungszeiten für Energie- und Verkehrsprojekte, der Fachkräftemangel in Klimaschutzberufen und die begrenzte Verfügbarkeit grünen Wasserstoffs.

Außerdem weist auch der Senat auf die abweichenden Ziele zum Erreichen der Klimaneutralität in Bund (2045) und EU (2050) hin. Diese Unterschiede könnten zu Schwierigkeiten führen: So sei Berlin beispielsweise auf klimaneutralen Strom aus anderen Bundesländern angewiesen, der jedoch maßgeblich vom bundesweiten Ausbau erneuerbarer Energien abhängig sei.

Welche Parteien unterstützen den Volksentscheid?

Noch im Sommer 2022 hat das Berliner Abgeordnetenhaus das Volksbegehren einstimmig abgelehnt. Aus den Koalitionsfraktionen der SPD, Grünen und Linken hieß es damals, die Ziele des Gesetzentwurfs seien wünschenswert, aber praktisch nicht umsetzbar.

Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch war erst gegen, dann für den Klimavolksentscheid.
Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch war erst gegen, dann für den Klimavolksentscheid.

© imago/photothek / IMAGO/Felix Zahn/photothek.net

Im Frühjahr 2023 sieht es etwas anders aus: Die Berliner Grünen helfen dem Volksentscheid offiziell bei der Mobilisierung, die Vorsitzende Bettina Jarasch hat ihre Ja-Stimme bereits angekündigt. Außerdem wird der Volksentscheid von der Jugendorganisation der SPD, den Jusos, unterstützt, ebenso wie von den Kleinparteien Volt, ÖDP, der Tierschutzpartei, der Piratenpartei und der Klimaliste.

Wer darf am Volksentscheid teilnehmen?

Knapp 2,5 Millionen Menschen sind am 26. März wahlberechtigt. Abstimmen dürfen alle Berlinerinnen und Berliner, die die deutsche Staatsbürgerschaft haben, am Wahltag mindestens 18 Jahre alt sind und seit mindestens drei Monaten ihren Hauptwohnsitz in Berlin haben.

Was ist ein Quorum? 

Ein Quorum ist die Anzahl der Wählerstimmen, die erreicht werden muss, damit eine Abstimmung – in dem Fall: ein Volksentscheid – gültig ist. Wird das nötige Quorum nicht erreicht, ist die Abstimmung unabhängig vom Ergebnis ungültig.

608.000 
Berlinerinnen und Berliner müssen mindestens für die Gesetzesänderung stimmen.

Wichtig: Das Quorum ist kein Ersatz für die Mehrheit der Stimmen, sondern ein zusätzlicher Wert, den der Volksentscheid neben dem Großteil der Stimmen erringen muss. In Berlin liegt das Quorum für Volksentscheide bei 25 Prozent der Wahlberechtigten. 

Bei wie vielen Ja-Stimmen ist der Volksentscheid erfolgreich? 

Der Volksentscheid „Berlin 2030 klimaneutral“ ist erfolgreich, wenn die Mehrheit der Teilnehmenden mit Ja stimmt – und diese Mehrheit zugleich mindestens ein Viertel der Stimmberechtigten ausmacht. Insgesamt sind 2.431.772 Personen zum Volksentscheid zugelassen, 25 Prozent der Wahlberechtigten wären etwa 608.000 Personen. 

Was tun, wenn ich am 26. März keine Zeit habe?

Für die Beantragung von Briefabstimmungsunterlagen ist es nun leider zu spät – auch, direkt in einer Briefabstimmungsstelle zu wählen, ging nur bis Freitag 18 Uhr. Nun bleibt nur noch die Wahl am Sonntag im Abstimmungslokal.

Ist das Ergebnis des Volksentscheids für die Politik verbindlich? 

Ja, die Abstimmung wäre für die Politik bindend – und das Ziel der Berliner Klimaneutralität bis 2045 würde auf 2030 vorgezogen. Im Gegensatz zum Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. Enteignen“ wird beim Volksentscheid „Berlin 2030 klimaneutral“ nämlich direkt über einen konkreten Gesetzesentwurf abgestimmt: Ist der Volksentscheid erfolgreich, gilt der Entwurf als angenommen und tritt sofort in Kraft. 

Verstößt der Senat künftig gegen das Gesetz, besteht dann die Möglichkeit der Klage gegen die Berliner Landesregierung. Allerdings hätte der Senat auch die Möglichkeit mit einer Mehrheit im Abgeordnetenhaus, das womöglich neue Gesetz erneut zu verändern.

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