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Die Rückkehr der DDR-Gemeindeschwester: AOK testet neues Betreuungskonzept in Neukölln
Auf Bundesebene hakt es mit der Gesetzgebung zur Pflege. Eine Krankenkasse schafft jetzt Fakten: Mit aufsuchenden Pflegekräften will sie sozial benachteiligte Menschen erreichen.
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Im Rollbergkiez in Neukölln lässt sich beobachten, wie die ambulante Versorgung vulnerabler Gruppen, also von Armen, Multimorbiden oder Geflüchteten, ins Leere geht. Nachweislich gehen Menschen aus solchen Gruppen seltener zum Arzt oder erst viel zu spät, obwohl sie im Schnitt kränker sind. Dagegen sollen nun Fachkräfte helfen, wie man sie aus den USA und auch der alten DDR kennt.
Wie die AOK Nordost am Mittwoch mitteilt, finanziert die Krankenkasse ein Projekt in dem Neuköllner Kiez, bei dem sie sogenannte „Community Health Nurses“ – in der DDR als Gemeindeschwestern bekannt – zu Patient:innen nach Hause oder auf die Straßen des Kiezes schickt. Die speziell ausgebildeten Pflegekräfte sollen Hilfsbedürftige ausfindig machen, betreuen und bei Bedarf weitervermitteln.
Erste Patient:innen nähmen bereits teil, heißt es. Gesteuert wird das Projekt vom Gesundheitskollektiv, kurz GeKo, das seinen Sitz im Rollbergkiez hat. Beim GeKo handelt es sich um ein Stadtteil-Gesundheitszentrum, in dem Hausärzt:innen, Kinderärzt:innen, Pfleger:innen, Sozialarbeitende und Medizinische Fachangestellte (MFA) eng zusammenarbeiten. Die Idee ist, Krankheit als Zusammenspiel aus sozialen, medizinischen und finanziellen Faktoren zu begreifen.
Pflegegesetze wegen Ampelbruch krepiert
Was die Arbeit des Trägers bislang erschwert, ist, dass die Professionen nur eingeschränkt zusammenarbeiten können, denn für die Einrichtung fehlt die passende Rechtsform. In Deutschland organisieren inhabergeführte Hausarztpraxen die Primärversorgung. Das GeKo kann seine Arbeit nicht ausschließlich mit Kassengeldern finanzieren, erhält deshalb Fördergeld vom Land und von Stiftungen.
Ein weiteres Hindernis ist, dass wichtige Pflegereformen wegen des Bruchs der Ampelregierung im Bund nicht mehr im Parlament verabschiedet wurden. Noch dürfen Community Health Nurses ihre Fähigkeiten, die sie im Studium erwerben, nicht einsetzen und sind auf die Zustimmung eines Arztes angewiesen. Das „Pflegekompetenzgesetz“ sollte dieses Problem eigentlich beheben.
Gerade in einem Viertel wie dem Rollbergkiez mit seiner speziellen Bewohnerstruktur benötigen wir diese Art der interprofessionellen Primärversorgung.
Daniela Teichert, Vorstandsvorsitzende der AOK Nordost
Das AOK-Projekt erhält Geld vom Innovationsfonds des Bundes. Mit diesen Mitteln sollen „interdisziplinär neue Ideen und Perspektiven über die Grenzen der unterschiedlichen Bereiche hinweg erschlossen werden“, wie es beim Gesundheitsministerium heißt.
Daniela Teichert, Vorstandsvorsitzende der AOK Nordost, plädiert dafür, das Hausarztmodell zugunsten weiterer Trägerformen zu öffnen. „Gerade in einem Viertel wie dem Rollbergkiez mit seiner speziellen Bewohnerstruktur benötigen wir die Art der interprofessionellen Primärversorgung, die das GeKo-Stadtteilzentrum Neukölln mit den Community Health Nurses verfolgt.“
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